Die Beschäftigten der Autoindustrie müssen sich nach Einschätzung der IG Metall wegen der E-Mobilität und Digitalisierung auf massive Umwälzungen bei den Anforderungen im Job gefasst machen. Dabei dürfte es laut Gewerkschaftschef Jörg Hofmann schwierig werden, die Chancen neuer Aufgaben mit der wohl sinkenden Zahl an klassischen Tätigkeiten im Bau von Verbrennungsmotoren auszubalancieren.
"Wir brauchen die Elektrifizierung des Antriebsstrangs hier in Deutschland, um Rationalisierungseffekte zumindest teilweise auszugleichen", sagte Hofmann in Berlin. Die IG Metall will das Thema zusammen mit den Betriebsräten der großen Auto- und Zulieferkonzerne stärker angehen. Der Gewerkschaft zufolge arbeiten etwa 250.000 der 880.000 im Fahrzeugbau beschäftigten Menschen in der Antriebstechnik.
"Jede Menge Beschäftigte müssen umqualifiziert werden", erklärte der Betriebsratschef von Daimler, Michael Brecht. Man versuche, so viele Mitarbeiter wie möglich in die neue Zeit mitzunehmen. Es gebe aber Grenzen. "Nicht jeder, der Ingenieur ist, kann auch Apps schreiben."
Der Vize-Betriebsratschef von Bosch, Hartwig Geisel, ist skeptisch, ob sich der Trend weg vom Verbrennungsmotor ohne personellen Aderlass vollziehen lässt: "25.000 Arbeitsplätze bei Bosch in Deutschland hängen am Verbrennungsmotor. (...) Wir werden da ein enormes Problem bekommen." Zulieferer gerieten unter Druck, weil Autobauer einen Teil der neuen Themen an sich zögen. "Der Kuchen wird neu verteilt."
Qualifikationsmaßnahmen
Bei Volkswagen hat der Umbruch in der Branche den "Zukunftspakt" mit ausgelöst. Dieser soll die internen Sparzwänge nach der Diesel-Krise und die Neuorientierung unter einen Hut bringen. Dazu sei schon ein "größerer dreistelliger Millionenbetrag" für Qualifikationsmaßnahmen eingeplant, berichtete Betriebsratschef Bernd Osterloh. Von den 9.000 Jobs, die neu geschaffen werden sollen - bei gleichzeitiger Kürzung von weltweit 30.000 Stellen -, kämen 6.000 aus Umqualifizierung. "Die anderen 3.000 müssen wir vom Arbeitsmarkt holen", sagte Osterloh.
Für Hofmann hat die Elektromobilität großes Potenzial - aber die Bundesregierung müsse realistisch bleiben. "Das Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die deutschen Straßen zu bringen, ist faktisch kaum mehr erreichbar", meinte er mit Blick auf Engpässe bei der Infrastruktur und die relativ hohen Autopreise. "Aber wer heute am grünen Tisch das Ziel von null Verbrennern bis 2030 vorgibt, wird ebenfalls scheitern." Die Grünen hatten einen Zulassungsstopp für neue Benzin- oder Dieselautos ab 2030 vorgeschlagen.
Eine weitere Verschärfung der CO2-Ziele in der EU ist aus Sicht der IG Metall richtig. Ein Papier nennt als Ziel, nach 2020 durch eine weitere Optimierung des Verbrennungsmotors jährlich 1,5 Prozent weniger des Treibhausgases auszustoßen. Bis 2030 könnte der Grenzwert so auf 70 Gramm je Kilometer sinken. Der Umweltforscher-Verbund ICCT glaubt, dass die Branche diesen Wert schon bis 2025 umsetzen kann. (dpa)