Die künftige automobile Welt, in der neue Antriebe und Mobilitätsmodelle die traditionellen Lösungen ablösen, zwingen auch Dienstleister zum Umdenken. Hinter Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertem Fahren verbergen sich nicht nur Technologiesprünge, sondern auch Herausforderungen für die Werkstätten, die bisher noch immer in der Welt von Daimler und Benz unterwegs sind. Wenn demnächst die Elektromobilität stärker in den Vordergrund fährt, werden nicht nur Hersteller und Zulieferer umdenken müssen, sondern auch die Dienstleister, die diese Modelle in Gang halten.
Nach Schätzungen des Technologiekonzerns ZF wird die Zahl der autonom fahrenden Elektromodelle in den kommenden Jahren vor allem in den Städten deutlich steigen. "Wir erwarten, dass 2030 rund 30 Prozent der weltweiten Automobilproduktion reine E- oder Hybridfahrzeuge sein werden", betont Markus Wittig, Leiter der Business Unit Independent Aftermarket (IAM) bei ZF. Nicht nur die Technik ändert sich, auch die Erwartungen der Kunden, die ständig online unterwegs sind und dies auch von ihren Werkstätten erwarten.
"Die Werkstätten müssen sich zunächst auf eine Übergangszeit einstellen, denn der Wechsel zur E-Mobilität wird sich nicht von einem Tag auf den anderen vollziehen", erklärt Wittig. Allerdings wird dies nicht in jedem Fall erfolgreich gelingen. "Bei Werkstätten, wo die Nachfolge gesichert ist, und der Nachwuchs bereits digital denkt, wird dies kein Problem sein. Betriebe, bei denen dies nicht der Fall ist, werden in den kommenden zehn Jahren kaum in Zukunftslösungen investieren", erklärt Wittig hinsichtlich der Zukunft der Branche. Gleichzeitig wird die Werkstattdichte allein schon deshalb sinken, weil die Elektrofahrzeuge deutlich weniger Wartung und Austausch von Teilen benötigen.
Anerkanntes Lehrgangs-Konzept
Um die Werkstattmitarbeiter auf die elektrische Zukunft vorzubereiten, bildet ZF bereits jetzt interessierte Mechatroniker zu "Elektrotechnisch unterwiesenen Personen" und – eine Stufe höher – zu "Hochvolt-Experten" aus. Das Lehrgang-Konzept ist von den Berufsgenossenschaften anerkannt und wird dank der reduzierten Kurszeiten auch von den Betrieben angenommen. "Wir haben den zeitlichen Aufwand dank unseres modularen Konzepts von bisher 100 Unterrichtsstunden auf die Hälfte verringert", erklärt ein Dozent.
Angesichts der Digitalisierung wird sich aber auch das Geschäftsfeld bei ZF Aftermarket verändern, wobei der Wechsel durchaus als Chance begriffen wird. Für Helmut Ernst, Leiter der ZF-Division Aftermarket geht es dabei darum, „die gewohnten Geschäftsmodelle zur Disposition zu stellen, um danach die Potenziale der Nutzer- und Fahrzeugdaten zu identifizieren, und daraus neue Geschäftsmöglichkeiten zu entwickeln.“ Zu den neuen Bereichen gehört bei ZF die Konnektivitätslösung Openmatics, mit der sich Fahrzeugflotten vernetzen lassen. Mittels eines OBD-Dongle (On Board Diagnose) werden ständig 74 Signale aus der OBD-Schnittstelle ausgelesen. Dazu gehören unter anderem der Kraftstoffstand, Bremsverhalten und Fehlermeldungen. Außerdem kann das System auch GPS-Daten wie Geschwindigkeitsänderungen und das Verhalten des Fahrers übermitteln.
Openmatics arbeitet dabei nicht allein als Aufzeichnungstechnik, sondern analysiert auch die Daten, sodass sich die Flotte effektiv steuern lässt. Zeigt zum Beispiel eine Kontrollleuchte ein technisches nicht weiter definiertes Problem an, analysiert der Dongle die Situation und teilt die genaue Fehlerursache dem ZF-Partner Global Automotive Service GmbH mit (GAS). Von dort aus wird der Flottenmanager benachrichtigt, und falls gewünscht sucht GAS eine passende freie Werkstatt, wo der Defekt so schnell wie möglich behoben werden kann. Vergleichbare Systeme existieren aktuell im Nutzfahrzeugbereich. Auf der Automechanika im September wird ZF einen weiterentwickelten Dongle vorstellen. Aktuell kostet der Stecker rund 130 Euro.
Neben digitalen auch konventionelle Neuheiten
Auf der Frankfurter Messe wird ZF neben den digitalen Angeboten auch konventionelle Neuheiten vorstellen. Dazu gehört unter anderem ein neuer Bremsbelag vom Tochterunternehmen TRW, der speziell für den Einsatz in Elektrofahrzeugen entwickelt wurde. "Electric Blue" soll neben den Innenraumgeräuschen auch die Feinstaubentwicklung beim Verzögern um bis zu 45 Prozent verringern. Bis Ende des Jahres wird TRW 97 Prozent der europäischen Elektromodelle mit dem umweltschonenden Belag versorgen können.
Zu den unerfreulichen Nebenerscheinungen gehören im automobilen Aftermarket gefälschte Produkte, die vor allem von privaten Kunden im Internet gekauft werden. "Um unsere Produkte vor Piraterie zu schützen, haben wir einen Code entwickelt, den der Werkstattbesitzer mittels Smartphone überprüfen lassen kann. Die Daten werden abgeglichen, um zu ermitteln, ob das Produkt von uns ist", erklärt Ernst. (ampnet/ww)