Von Peter Maahn/SP-X
"Die Zukunft liegt im Netz", sagt Bosch-Chef Volkmar Denner bei der Eröffnung einer der größten Konferenzen der digitalen Branche, die zugleich Schaufenster für praktische Ideen rund um die totale Vernetzung aller Verkehrsträger über das Internet ist. "Das alles verändert grundlegend, wie wir uns demnächst fortbewegen werden". Deshalb hat Bosch eine neue Abteilung gegründet, in der zunächst 600 Fachleute aus Deutschland und China arbeiten. Sie entwickeln Ideen und Lösungen, sollen Visionen in ertragreiche Geschäfte für Bosch verwandeln. Der Konzern will ein großes Stück der Kuchens von 140 Milliarden Euro abgekommen, der nach seinen Berechnungen in den nächsten vier Jahren in diesem Bereich verteilt wird.
Denner nennt einen wichtigen Schritt: "Wir steigen in das Geschäft mit Mitfahrservices über das Internet ein". Dazu hat Bosch gerade die US-Firma SPLT gekauft. Sie hat eine Plattform entwickelt, die sich an die Berufspendler wendet. Partner sind nicht die Mitfahrer selbst, sondern Unternehmen, Universitäten oder Stadtverwaltungen. Sie können mit Hilfe des Programms Mitarbeiter-Fahrgemeinschaften vermitteln. Der Rechner findet unter die Vielzahl von Pendlern die passende Gruppe und berechnet den schnellsten Weg. Markus Heyn, zuständiger Geschäftsführer bei Bosch, erklärt: "Die App bringt die Menschen zusammen, die den Weg zum Arbeits- oder Studienort gemeinsam zurücklegen wollen". Ziel sind weniger Staus, entspannte Pendler sowie Schonung der Umwelt und des Geldbeutels. Heyn: "Ein Vorteil ist, dass die Fahrgemeinschaft von Kollegen gebildet wird, man also nicht zu völlig Fremden in Auto steigt".
Auch wenn sich die Kunden – bereits über 140.000, auch aus Deutschland – von denen unterscheiden, die zum Beispiel Daimlers Car2go oder "DriveNow" von BMW nutzen, bringt sich Bosch mit seinem Einstieg bei den Amerikanern gegen die großen Autokonzerne in Stellung. Die nämlich arbeiten an ähnlichen Programmen.
Viele Lösungen kurz vor der Serienreife
Daneben zeigt Bosch auf der Berliner Zukunftsshow weitere Beispiele von Dienstleistungen, die im Einsatz oder nicht weit von der Serienreife entfernt sind. Bereits in Berlin und Paris läuft ein Service mit Namen "Coup". Dabei können per App Elektro-Roller geliehen werden: Finden und reservieren per Knopfdruck, dann einfach losfahren. In Berlin sind 200 E-Scooter der Marke Gogoro unterwegs, derzeit allerdings nur in Innenstadtbezirken wie den trendigen Vierteln Prenzlauer Berg oder Kreuzberg, nach dem Motto "von Kiez zu Kiez". Die Preise konkurrieren mit denen der öffentlichen Verkehrsmittel: Drei Euro für die ersten 30 Minuten, danach jeweils ein Euro pro weitere zehn Minuten. Abgerechnet wird über die App, der Roller kann im definierten Einsatzgebiet überall abgestellt werden.
Noch Zukunftsmusik ist "Community based Parking", zu Deutsch "Parkplatzsuche mit Hilfe der Gemeinschaft". Künftig vernetzte Autos messen die Abstände zwischen parkenden Fahrzeugen am Straßenrand mit den Sensoren des Parkassistenten, auch wenn sie selbst gar keinen Abstellplatz suchen. Die so erfassten Daten von vielen Teilnehmern werden in eine Parkplatzkarte auf dem Navi-Bildschirm übertragen, so dass jeder die freien Lücken direkt ansteuern kann.
Die App "Perfektly Keyless" basiert auf dem heute schon verbreiteten schlüssellosen Zugang zum Auto, bei dem der Schlüssel jedoch mitgeführt werden muss. Bosch ersetzt ihn durch eine App, mit der das Auto geöffnet, geschlossen und gestartet werden kann. Vorteil: Andere Familienmitglieder können freigeschaltet werden, ohne dass ständig der Fahrzeugschlüssel getauscht werden muss. Bei Mercedes steht das System vor der Markteinführung.
Eine weitere Idee ist der "Schutzengel aus der Cloud", er soll die Gefahr bannen, die von den jährlich etwa 2.000 Geisterfahrern allein in Deutschland ausgeht. Die App, die den Standort des Fahrzeugs erkennt und mit dem integrierten Kartenmaterial abgleicht, warnt nach spätestens zehn Sekunden, dass man in der falschen Richtung unterwegs ist. Andere Nutzer der App werden gleichzeitig vor dem Geisterfahrer gewarnt.
Ab April muss der automatische Notruf "E-Call" in jedem neu zugelassenen Auto an Bord sein. Bosch bringt eine Nachrüstlösung für ältere Fahrzeuge, bei der ein Unfallmeldestecker im Anschluss für den Zigarettenanzünder platziert wird und dann im Notfall per App Hilfe holt.
Dies sind nur einige Beispiele für die Innovationen, die die Stuttgarter gerade entwickeln. Da Bosch nahezu alle Autohersteller zu seinen Kunden zählt, werden die verschiedenen Apps früher oder später in Aufpreisliste oder Serienausstattung vieler neuer Modelle auftauchen. Ein Problem für deutsche Autofahrer bleibt: All diese Programme sind auf ein funktionierendes Internet auch unterwegs angewiesen. Und da fährt Deutschland im internationalen Vergleich bekanntlich weit hinterher.