Der Autozulieferer Leoni ist Opfer eines millionenschweren Betrugs geworden. Die bislang unbekannten Täter nutzten dafür gefälschte Dokumente und Identitäten sowie elektronische Kommunikationswege, wie das im MDax notierte Unternehmen am Dienstag überraschend mitteilte. Damit sei Geld auf Konten im Ausland transferiert worden. Der Schaden belaufe sich auf rund 40 Millionen Euro.
Ein Sprecher wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen zunächst nicht zu Details äußern. Erst am Freitag sei der Betrug erkannt worden. Aus dem Firmenumfeld hieß es, jemand habe sich gegenüber Kollegen als Leoni-Mitarbeiter ausgegeben und behauptet, "besondere Befugnisse zu haben". Auf diese Weise habe er "bestimmte Geschäftsvorgänge vorbereiten" lassen. Das Besondere sei dabei nicht das Vorgehen der Betrüger an sich, "sondern die Höhe des Schadens".
Der Vorstand des Nürnberger Konzerns leitete umgehend eine Untersuchung der Vorfälle ein und prüft Schadenersatz- und Versicherungsansprüche. Ebenso sei Anzeige erstattet worden. Bei Polizei und Staatsanwaltschaft war die Anzeige noch nicht eingegangen. Die Auswirkungen auf das Ergebnis kann das Unternehmen derzeit noch nicht abschätzen. Die Liquiditätslage des Konzerns sei jedoch nicht wesentlich beeinträchtigt.
Das Vorgehen der Täter ähnelt dem "Chef-Betrug" ("CEO-Fraud"), mit dem Wirtschaftsbetrüger in den vergangenen Monaten bereits mehrere andere Unternehmen um große Beträge erleichtert hatten. Bei dieser Weiterentwicklung des berüchtigten Enkeltricks meldet sich der vermeintliche Chef oder Finanzchef des Unternehmens - über eine gefälschte E-Mail-Adresse - beim Buchhalter und drängt zur Eile: Für wichtige Transaktionen müsse dringend Geld überwiesen werden. Der Mitarbeiter wird zu "strikter Geheimhaltung" verpflichtet. Dies und vorbereitete Zahlungsaufträge mit der notwendigen - aber gefälschten - zweiten Unterschrift setzen die Kontrollmechanismen außer Kraft: So landen große Geldsummen auf ausländischen Konten.
Die Masche tauchte vor etwa zwei Jahren zuerst in der Schweiz und im französischsprachigen Europa auf. Hinter dem Betrug soll ein weltweit operierendes Netzwerk der Organisierten Kriminalität stecken. Das FBI bezifferte den weltweiten Schaden auf 3,1 Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro) in 100 Staaten. Dem Bundeskriminalamt wurden seit 2013 bundesweit rund 60 Betrugsfälle mit einem Gesamtschaden von 106 Millionen Euro bekannt. Der tatsächliche Schaden könne aber höher liegen, weil es dazu keine Statistik mit Meldepflicht gebe.
Nach Erkenntnissen der Ermittler sind die Betrüger in diesen Fällen über das Unternehmen bestens im Bilde und bereiten sich wochenlang vor. Betroffen sind demnach Großkonzerne und Mittelständler. Besonders anfällig seien patriarchalisch-autoritär geführte Unternehmen, in denen Zweifel und Widerspruch nicht erwünscht sind. (dpa)