Navi bedienen, Musik auswählen, Textnachrichten lesen - die Ablenkung beim Autofahren durch moderne Technik wird laut Allianz-Versicherung zunehmend zur Gefahr. "Das Unfallrisiko erhöht sich durch die Bedienung moderner Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komforttechniken um rund 50 Prozent", teilte das Allianz-Zentrum für Technik am Mittwoch in München mit.
Die Sicherheitsforscher hatten im vergangenen Sommer mehr als 1.200 Autofahrer und -fahrerinnen befragt. 32 Prozent sagten, sie lesen Textnachrichten während des Fahrens. 26 Prozent tippen Textnachrichten am Steuer. Deutlich höher ist dabei der Anteil der jungen Autofahrer bis 24 Jahre: "Vier von zehn tippten oder lasen elektronische Nachrichten mit dem Handy in der Hand." Mehr als die Hälfte aller Befragten bediente das Navi, um zum Beispiel ein Ziel einzugeben. Und "87 Prozent der Befragten, die ihr Radio über den Bordcomputer bedienen müssen, machen das beim Fahren», sagte Studienautor Jörg Kubitzki. "Das erhöht das Unfallrisiko um 89 Prozent."
Die Folgen sind fatal: "Im Jahr 2021 gab es laut Polizei bundesweit 117 Tote und mehr als 8.000 Verletzte in Unfällen, bei denen die Fahrer abgelenkt waren", sagte Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik. "Das sind fünf Prozent der Getöteten. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit höher sein." International seien die berichteten Anteile noch höher.
Menüs der Bordcomputer komplex
Die Autohersteller ersetzen Drehknöpfe, Schalter und Schieberegler zunehmend durch Displays. "Die guten alten Knöpfe sind in der Autofahrer-DNA. Die kann ich bedienen und dabei weiter auf die Straße schauen", sagte Kubitzki. Die Menüs der Bordcomputer dagegen seien komplex. "Da muss man per Touchscreen ein Untermenü aufrufen, eine Stufe vor, zurück, und manchmal hakt es. Ich studiere das Display und muss nachdenken", sagte Lauterwasser. Zudem seien die Bedienkonzepte auch sehr unterschiedlich. "Das macht es bei einem Fahrzeugwechsel oder einem Mietwagen noch schwerer."
Die Geräte würden immer komplexer und dennoch als selbstverständlich genutzt. "Die Leute überschätzen sich. Musik suchen, WhatsApp beantworten, alles läuft nebenher", sagte Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherungs-AG. Ablenkung im Straßenverkehr habe trotz langjähriger Sicherheitsarbeit nicht die soziale Ächtung erfahren wie alkoholisiertes Fahren, besonders das Handy am Steuer werde eher als Gewohnheitsrecht empfunden. "Aber damit gefährden sie sich und andere. Sie müssten sich klarwerden, wie schwer die Folgen sein können."
Die EU schreibt ab 2024 für neue Fahrzeugmodelle vor, den Fahrer durch geeignete Systeme zu unterstützen und zu warnen, wenn er abgelenkt ist. Der Großteil der Befragten sieht eine elektronische Überwachung aber skeptisch: Nur 39 Prozent befürworten eine Kamera- oder Infrarotabtastung von Augen, Gesicht und Kopf. Dabei könne die Technik Fahrer rechtzeitig warnen, sagte Lauterwasser: "Schon diese Rückmeldung kann zu einer positiven Verhaltensänderung beitragen."