Elektro-Gebrauchtwagen: Zwischen Preis und Wert

Laut Kraftfahrtbundesamt haben 5.860 reine Elektrofahrzeuge im vergangenen Jahr den Besitzer gewechselt. Das ist zwar eine Steigerung von etwa 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, gemessen an allen Pkw-Besitzumschreibungen von rund 7,3 Mio. in 2017 ist der Anteil aber verschwindend gering. Allerdings wird mit den steigenden Neuzulassungen an reinen Elektrofahrzeugen (2017 auf 25.056, + 119 Prozent zu 2016) die Zahl der E-GW nach oben gehen. Manche Marktteilnehmer wie die Energieversorger, die in der E-Mobilität stark engagiert sind, rechnen mit einem sogenannten Popcorn-Effekt, der den Kreis der potenziellen Käufer deutlich aufbricht. Die Ermittlung der Restwerte für Elektroautos ist aufgrund der geringen Stückzahlen immer noch eine Näherung, bei der Erfahrungen und Transaktionspreise in der Masse fehlen. Vorteile über die Nutzungsdauer Die DAT hat unterschiedliche Modellrechnungen rund um die Elektrofahrzeuge angestellt. Eine konzentriert sich auf die Total Cost of Ownership eines 36 Monate alten Elektro-Gebrauchtwagen (E-GW) gegenüber einem vergleichbaren Verbrenner (Grafik 2). Hierzu stellt der Daten-Dienstleister sämtliche Betriebskosten für drei Jahren nebeneinander. Ergebnis: Der Nutzer mit E-Variante spart in diesem Zeitraum rund 3.000 Euro im Vergleich zum klassischen Antrieb. Daraus ergibt sich ein Aufschlag über diesen Betrag auf den kalkulierten Restwert. Nichtsdestotrotz bleibt der Verbrenner beim prozentualen Restwert besser, vor allem aufgrund der noch teuren Batterie. Daneben betrachtet die DAT die Restwerte einzelner E-Modelle (Grafik 1). In diese Hochrechnungen fließen durch die steigende Zahl an Transaktionen mit E-GW auch tatsächlich erzielte Verkaufspreise ein. Dabei zeigt sich, dass die angenommenen Restwerte für im April 2015 vorhandene E-Autos mit den erlösten Händlerverkaufspreisen im selbigen Monat drei Jahre später fast übereinstimmen. Abweichungen gehen meist zugunsten der Verkäufer. Kontinuität auf absehbare Zeit "Steigende Reichweiten stärken aber das Interesse für weitere Nutzer, wie z. B. Pendler. Damit werden die E-Fahrzeuge einen gewissen Marktanteil gewinnen", sagt Siegfried Trede, Leiter Produktlinie Fahrzeugbewertung der DAT. "E-Autos werden aber sicher nicht für jedermann nutzbar sein." Des Weiteren erwartet Trede tendenziell sinkende Neuwagenlistenpreise bei den E-Modellen, weil die Batterien günstiger werden. "Das mündet in besseren prozentualen Restwerten. In absoluten Euro-Beträgen wird sich jedoch nicht so viel ändern", erläutert Trede. Hintergrund: Die Ersparnisse im Betrieb werden gegenüber dem Verbrenner bei den aktuellen Kraftstoffpreisen gleich bleiben. Allerdings könnten Fahrverbote die Attraktivität erhöhen. Lage aktuell stabil Nach Angaben von Thorsten Barg, Geschäftsführer von Schwacke, wirken Einflüsse wie die niedrige Anzahl an E-Autos im Verhältnis zum Gesamtmarkt auf deren Restwerte. Barg folgert: "Angesichts der Angebot-Nachfrage-Situation sehen wir derzeit ein halbwegs stabiles Verhältnis von offerierten Gebrauchtwagen und dem entsprechenden Bedarf, wobei das Portfolio überwiegend aus Klein- und Kompaktwagen besteht." Ein Teil der neu zugelassenen E-Fahrzeuge scheine ferner als junge Gebrauchte den deutschen Markt zu verlassen, um in elektro-affineren europäischen Märkten bessere Erlöse zu erzielen. Dies reduziere wiederum die Angebotsmengen und stabilisiere die GW-Preise. Druck auf ältere Elektrofahrzeuge Gewisse Risiken sieht Schwacke bei aktuellen E-GW aus Generationen, deren Reichweiten relativ gering sind. Diese würden zunehmend neueren Modellen gegenüberstehen, welche die gefühlte "Alterung" des Fahrzeugtyps stärker erscheinen lassen als bei konventionell betriebenen Modellen. Dies sei z. B. beim BMW i3 zu beobachten, bei dem dieser Effekt in Kombination mit verhältnismäßig großen Angebotsvolumina auftrete. "Eine derartige Entwicklung werden wir in den kommenden Jahren womöglich verstärkt aufgrund kürzerer Entwicklungszyklen beobachten", so Barg. Zudem gebe es momentan keine wirksame Unterstützung aus der Politik. Solche staatlichen Anreize seien jedoch neben der breiter werdenden elektrifizierten Palette in verschiedenen Segmenten zu erwarten. Nicht zuletzt fehlten noch intensive Investitionen und Planungen für den Infrastrukturausbau. "Initiativen und Unternehmungen wie Ionity, mit BMW, Daimler, Ford und VW Gruppe, weisen den richtigen Weg, aber um bei diesem Beispiel zu bleiben: 400 Schnellladestationen bis 2020 in 18 Ländern sind ein wichtiges, aber kein ausreichendes Vorhaben", so Barg. "Nimmt man scheinbar überwiegende Unsicherheit und geringes Vertrauen der breiten Masse in die Technologie, deren Verlässlichkeit und Reichweite hinzu, muss hier noch massiv auf allen Seiten am Ausbau eines Marktes respektive der Nachfrage und Kaufbereitschaft gearbeitet werden." Eine Sonderstellung bezüglich der Marktsituation und Wertentwicklung habe Tesla, was Barg so begründet: "Zum einen bedient Tesla mit dem Model S seit längerem als Vorreiter in Sachen Elektromobilität und entsprechender Reputation ein hochwertiges Segment mit signifikanten Zulassungszahlen. Zum anderen behält der Hersteller aufgrund des Vertriebskonzepts die Kontrolle über einen Großteil der jungen Gebrauchten und hat somit ein maßgebliches Steuerungsinstrument für die Preisgestaltung in den eigenen Händen." Gefüge wandelt sich ab 2020 Darüber hinaus merkt der Schwacke-Geschäftsführer analog der DAT an, dass bei Betrachtung der prozentualen Wertentwicklung der Blick auf Preissenkungen im Listenpreis wichtig ist, um den Verlauf richtig zu interpretieren. Als Beispiel nennt er den Nissan Leaf. Während sich prinzipiell die Preisvorstellungen der Kunden für ein Auto in kurzen Intervallen nicht groß verändern, steigen bei sinkenden Neuwagenlistenpreisen die Relation zwischen GW-Preis in Euro und Listenpreis in Euro und der prozentuale Restwert an. "Für die Zukunft wird es also entscheidend sein, für die teils rapide zunehmende Menge an neuen und zwangsläufig dann gebrauchten Elektrofahrzeugen in gleicher oder höherer Geschwindigkeit Nachfrage zu generieren", sagt Barg. "Wir gehen mittelfristig insgesamt von stabilen Restwerten aus, jedoch wird sich in den Jahren 2020 bis 2025 das gesamte Gefüge sicherlich nochmals deutlich verändern." E-Smart drehen im normalen Rhythmus Händler, die bereits im Remarketing von E-Autos aktiv sind, sehen die Situation optimistisch. Die Riess-Gruppe in Ravensburg hat den E-Smart seit etwa 2014 in der Wiedervermarktung. Rund 50 Stück hat Hans-Joachim Daigler, Verkaufsleiter Pkw für Neu- und Gebrauchtwagen am Standort in Ravensburg, mit seinem Team seither verkauft. Davon ist etwa die eine Hälfte an Endkunden und die andere an Aufkäufer geflossen. Die meisten Fahrzeuge waren dabei Leasingrückläufer aus Großflotten, mit Gesamtlaufleistungen bis zu 30.000 Kilometern. Mit den erzielten Preisen ist Daigler zufrieden. Auch wenn es keine großen Gewinnbringer gewesen seien - die E-Smart würden mit dem normalen Rhythmus der Verbrenner gedreht, obwohl bei der Modellvariante der ersten Generation die Batterie auch bei den GW noch hinzugemietet werden müsse und dies zu Diskussionen mit den Kunden führe. Dass die Restwerte passen, zeigt sich für Daigler in den Leasingmodellen der Captive. Hier werde der Restwert auf DAT-Basis festgelegt. Ist dieser nicht zu erzielen, wird das Minus des Händlers bis zu einem maximalen Prozentsatz von der Mercedes-Benz Bank ausgeglichen. Genaue Zahlen will Daigler nicht nennen. Nur soviel: Dieser prozentuale Wert sei bei den E-Fahrzeugen genauso hoch wie bei den Verbrennern. "Und bisher hat noch kein E-Auto diesen Rahmen verlassen. Die Bank macht daher einen guten Job", so Daigler. Für die Zukunft macht er sich keine Sorgen. "Denn die Nachfrage nach E- und Hybridfahrzeugen ist seit Mitte des vergangenen Jahres stark angestiegen, und das wirkt sich positiv auf den Gebrauchtwagenmarkt aus", berichtet Daigler. "Ich könnte das Doppelte bis Dreifache von dem verkaufen, was derzeit an Neuwagen-Lieferung möglich ist." Höhere Reichweiten als Treiber Jochen Winzer, der in dritter Generation das Autohaus Winzer in Rheinfelden leitet, rechnet auch mit einer guten Entwicklung der Restwerte. Als einer der Zero- Emission-Vertragspartner von Renault in Deutschland hat er im vergangenen Jahr 45 Renault Zoe an Flotten ausgeliefert. In der Wiedervermarktung hat er seit 2015 bisher nur zehn GW mit reinem Elektroantrieb und geringen Laufleistungen gezählt, von denen acht an Endkunden gingen. "Wir sind mittlerweile bei einer Reichweite von 180 bis 200 Kilometern angekommen. Das reicht vielen Pendlern für ihre täglichen Fahrten zur Arbeit und darüber hinaus. Deshalb sind die Renault Zoe immer wieder gesucht und auch als Gebrauchtwagen profitabel zu verkaufen", sagt Jochen Winzer. Dabei denkt er beispielsweise an ein Modell mit Neuwagenlistenpreis von 22.100 Euro brutto, das nach dreieinhalb Jahren Laufzeit mit einer Gesamtlaufleistung von 15.000 Kilometern den GW-Verkaufspreis von 11.000 Euro erzielt hat. Die ersten größeren Chargen an Leasingrückläufern erwartet Winzer mit rund 50 Einheiten in diesem Jahr. Dann wird er eine Menge im GW-Segment drehen. Flankiert wird er vom Importeur. Er ist zuversichtlich, dass aus den Fahrzeugen keine Langsteher werden. Zudem rechnet er damit, dass die Restwerte stabil bleiben oder eher steigen - trotz tendenziell teurer werdender neuer E-Fahrzeuge aufgrund neuer Technik und größerer Reichweite. "Wir spüren einen hohen Bedarf nicht nur an Elektro-Neuwagen, sondern auch an Gebrauchten. Das wird meiner Meinung nach anhalten", so Winzer. Ein Markt im Entstehen Dass den Elektrofahrzeugen im GW-Segment die Feuerprobe erst bevorsteht, verdeutlichen die überregionalen Sichtweisen der freien Leasinggeber mit eigenen Vermarktungsgesellschaften. Beispiel Deutsche Leasing. Dort ist der Anteil von E-Fahrzeugen im Bestand nach Angaben von Harald J. Frings, Geschäftsführer Fleet der Deutsche Leasing, noch niedrig: "Sobald wir E-Autos als Leasingrückläufer haben, werden diese entweder im Rahmen eines Buy-Back-Verfahrens an den Hersteller oder einen Drittgaranten gegeben." Über die Tochtergesellschaft Auto Expo als eigener Vermarktungskanal starte man in ein bis zwei Jahren mit der ersten alltagstauglichen Rückläufervermarktung. Was die Zukunft für die Restwerte bringt, ist für Frings offen: "Aktuell sind die Restwerte relativ volatil und schwer einzuschätzen, da noch kein etablierter Zweitmarkt entstanden ist." Generell werde die Entwicklung bei reinen E-Fahrzeugen von zwei Faktoren maßgeblich beeinflusst: dem Subventionsverhalten von Bund und Ländern sowie dem Fortschritt bei der Batterietechnologie. Preisverfall bis Massentauglichkeit Dagegen vermarktet die ALD Automotive E-Fahrzeuge aus dem Leasingrücklauf direkt über Online-Auktionen für Händler, über das Internet und ihre Standorte in Dorfmark und Norderstedt bei Hamburg. Darüber sind seit 2013 rund 100 reine E-Fahrzeuge veräußert worden, überwiegend Modelle aus dem B-Segment und vereinzelt leichte Nutzfahrzeuge. Diese flossen großteils an gewerbliche Kunden (B2B). Wie sich die Restwerte dabei entwickelt haben, erläutert Karsten Rösel, Geschäftsführer der ALD Autoleasing D: "Zu Beginn waren die Restwerte von Elektro-Fahrzeugen schwierig einzuschätzen, weil es keine signifikanten Vergleichsdaten gab, die eine entsprechende Bewertung ermöglichten." Des Weiteren habe nach Einführung der ersten E-Fahrzeuge ein Preisverfall durch enorme Technologiesprünge stattgefunden. Mittlerweile stellt ALD eine zunehmende Nachfrage fest, die vor allem von der Umweltdiskussion befeuert wird. Wohin die Reise bei den Restwerten für E-Autos geht? Bei dieser Frage denkt Rösel in Szenarien. Eines ist, dass sich die Restwerte von E-Fahrzeugen in den kommenden Jahren stabilisieren und sich dem Verlauf der herkömmlichen Antriebstechnologien angleichen. Dies gehe einher mit der technologischen Entwicklung und der damit zusammenhängenden 'Massentauglichkeit', wenn die Infrastruktur ausgebaut und technologisch weiter entwickelt werde. "Damit werden E-Fahrzeuge zu einer Alternative bei weiteren Nutzungsfällen", so Rösel. Eine Gefahr bergen für ihn allerdings technologische Sprünge, welche die Restwerte der aktuellen E-Fahrzeuge negativ beeinflussen könnten. Remarketingchancen im Blick Sixt Leasing vereinbart in der Regel für Elektrofahrzeuge Rückkaufvereinbarungen mit Herstellern oder Händlern. Thomas Spiegelhalter, Vorstandsvorsitzender der Sixt Leasing: "Einzelne E-Autos vermarkten wir auch selbst und haben dabei gute Erfahrungen gemacht. Wir sehen das aktuelle Umfeld für die Vermarktung von Elektrofahrzeugen positiv. Nach unserer Einschätzung ist das Angebot an Elektrofahrzeugen am Gebrauchtwagenmarkt derzeit geringer als die Nachfrage. Dies führt dazu, dass sich die Restwerte sehr stabil entwickeln." Kurzfassung Die Daten-Dienstleister DAT und Schwacke attestieren den Elektro-Gebrauchtwagen aktuell eine solide Restwertentwicklung. Händler können mit den noch überschaubaren Mengen zufriedenstellende Ergebnisse im Verkauf erzielen. Die meisten freien Leasinggeber haben sich jedoch bisher mit direkten Geschäften zurückgehalten. Hans-Joachim Daigler, Verkaufsleiter Pkw der Riess-Gruppe in Ravensburg, hat von etwa 50 E-Smarts rund die Hälfte der GW an Endkunden verkauft. Foto: Riess-GruppeJochen Winzer, Geschäftsführer im Autohaus Winzer in Rheinfelden: Die Reichweiten machen den Renault Zoe zu einem interessanten Modell für Endkunden. Foto: Autohaus WinzerHarald Frings, Geschäftsführer Fleet der Deutschen Leasing: Die Auto Expo als eigene Vermarktungsgesellschaft startet erst in ein bis zwei Jahren mit E-Autos. Foto: Deutsche LeasingKarsten Rösel, Geschäftsführer der ALD Auto Leasing: Rund 100 E-Fahrzeuge hat der Leasinggeber bis jetzt selbst verkauft, vor allem in den B2B-Kanal. Foto: ALDThomas Spiegelhalter, Vorstandsvorsitzender der Sixt Leasing SE, hat bisher mit einzelnen E-Fahrzeugen gute Erfahrungen gemacht. Foto: Sixt

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