Ausgabe 03/2014: Wir verhandeln, Sie sparen

Eine neue E-Mail poppt auf: "Wussten Sie schon, dass Sie nicht nur mieten, sondern auch sagenhaft günstige Neuwagen finanzieren und leasen können?" Der Absender ist Sixt. Ähnliche E-Mails haben viele Kunden in den letzten Monaten erhalten. Geworben wird darin mit der Finanzierung und dem Leasing von Neuwagen zu Top-Konditionen. Mit diesen Angeboten lockt das Miet- und Leasing-Unternehmen Kunden seit Ende Oktober auf seine neue Internetseite www.sixt-neuwagen.de. "Wir verhandeln, Sie sparen", heißt es darauf. Ausgehandelt würden von Sixt für die Kunden Top-Konditionen, bei denen diese bis zu 56 Prozent sparen könnten. Vertrieben werden die Neuwagen über die eigene Leasinggesellschaft Sixt Leasing AG.Dabei kommen die Neuwagenmodelle fast aller Marken laut Unternehmensangaben ausschließlich von deutschen Herstellern, die eine vollständige Hersteller-Garantie anbieten - es handelt sich also nicht um Re-Importe. Auf Nachfrage wurde klar, dass die Fahrzeuge aus dem deutschen Autohandel, genauer dem Vertragshandel, stammen. Die Sixt Leasing AG biete Privat- und Gewerbekunden seit jeher attraktive Leasingangebote, hieß es weiter. "Bei den angebotenen Neuwagen ändert sich lediglich der Vertriebskanal, aber nicht der Inhalt der Dienstleistung", erklärte Sixt Leasing Vorstand Dr. Rudolf Rizzolli. Laut Angaben eines Pressesprechers gebe es das Angebot schon seit Jahren, nur der Name sei neu.Woher kommen die Neufahrzeuge?Damit tritt der größte deutsche Autovermieter praktisch als virtueller Neuwagenhändler auf. Doch woher kommen die Fahrzeuge? Und sind es wirklich Neuwagen? Laut dem Rechtsanwalt Tim O. Vogels von Dr. Vogels Rechtsanwälte handelt es sich rechtlich gesehen um Neufahrzeuge, da Sixt Leasing nach eigener Aussage nur mit autorisierten Vertragshändlern zusammenarbeitet. Somit ist auch sichergestellt, dass diesen Fahrzeugen die volle Herstellergarantie und Gewährleistung zusteht."Sixt tritt dabei jedoch nicht selbst als Händler auf, sondern vermittelt die Fahrzeuge lediglich", erklärt Vogels. Das Unternehmen nutze damit die in der GVO genannte Möglichkeit, als Vermittler aufzutreten. Denn einem autorisierten Vertragshändler ist es in der Regel untersagt, Neufahrzeuge an einen sog. nichtautorisierten Wiederverkäufer - und damit an Sixt als Kunde zum Zwecke des Wiederverkaufs - zu verkaufen. Vogels: "Andererseits ist in der GVO allerdings auch geregelt, dass Leasinggesellschaften als Endkunde zu bewerten sind." Damit ist es Händlern möglich, Fahrzeuge an Leasinggesellschaften zu verkaufen. "Sixt nutzt daher die Freiheiten der GVO aus, um einerseits als Vermittler aufzutreten, andererseits Leasingleistungen anzubieten", so Vogels.Problematisch: SonderkonditionenDie Problematik liegt laut Vogels allerdings nicht in der rechtlichen Konstruktion, sondern in der Handhabung in der Praxis. Fahrzeugvermittler und herstellerfremde Leasinggesellschaften hätte es auch in der Vergangenheit bereits gegeben. "Neu ist insoweit, dass sich hier durch die Kombination von Vermittler und Leasinggesellschaft ein neuer Vertriebsweg gebildet hat", kommentiert Vogels. Dies wäre grundsätzlich nicht bedenklich, wenn Sixt tatsächlich ohne Sonderkonditionen beim Vertragshandel kauft bzw. vermittelt. Vogels: "Nach meiner Kenntnis wird dieser neue Vertriebsweg seitens der Hersteller und Importeure jedoch massiv unterstützt."Nicht anders zu erklären sei beispielsweise, dass Sixt bzw. Autohaus24 Fahrzeuge zu Konditionen vermittele bzw. zum Leasen anbiete, die nach dem jeweiligen Konditionensystem des betreffenden Herstellers oder Importeurs gar nicht erzielt werden könnten. Vogels: "Natürlich ist es ebenso erforderlich, dass ein Händler der betreffenden Marke "mitspielt". Aufgrund des Drucks seitens der Hersteller bzw. Importeure ist dies jedoch wenig verwunderlich."Sixt als Unternehmen könne dabei kein entsprechender Vorwurf gemacht werden. "Schuld" ist einzig und allein der Hersteller bzw. Importeur, der diese Sonderkonditionen gewährt", ist Vogels überzeugt. "Denn ohne diese Sonderkonditionen würde es diesen neuen Vertriebsweg nicht geben. Aus meiner Sicht verstößt in diesen Fällen sogar der betreffende Hersteller bzw. Importeur gegen den Händlervertrag und die sich hieraus ergebende Gleichbehandlungspflicht und Fürsorgepflicht", erklärt er weiter. Denn der Autovermieter wird zu solchen Konditionen mit Fahrzeugen beliefert, die Hersteller und Importeure ihrem eigenen Vertragshandel vorenthalten.Sixt-Statement bei Test-KaufZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme zeigt sich angesichts des weiteren virtuellen Marktplatzes für Neuwagen und der dort angebotenen Konditionen sowie der daraus resultierenden Rabattschlacht besorgt: "Diese Angebote sind mit den üblichen Margen- und Bonussystemen meist nicht darstellbar." Und die dort angebotenen Konditionen seien in der Tat nahezu unschlagbar. Bei einem Test-Kauf darauf angesprochen, dass ein Händler auf Nachfragen erklärte, diese Raten nicht darstellen zu können, reagierte ein Mitarbeiter von Sixt nach ZDK-Angaben sinngemäß wie folgt: Eigentlich könne ein Händler nicht mal annähernd die Konditionen von Sixt erreichen, da Sixt keine Werkstatt unterhalten und keine Standards erfüllen müsse, Kunden bekämen keine Probefahrt etc; mit einem relativ geringen Personalstock würde Sixt monatlich über 1.000 Neuwagen kaufen.Neue Vertriebsmodelle nötig?Laut Fromme stelle sich aus Händlersicht da schnell die Frage nach der Notwendigkeit teurer Vertriebsstandards. "Wozu in teilweise groteske Anforderungen eines Herstellers investieren, wenn der Vertrieb solche Formen annimmt? Vielleicht ist es an der Zeit, die vorherrschenden Vertriebssysteme zu überdenken", wirft Fromme in den Raum.Gefährlich könnten die Sixt-Angebote für Händler werden, da nach Ansicht des Vizepräsidenten mit den Finanzierungs- und Leasingprodukten eine der letzten Ertragsquellen des Handels in fremde Hände übergehe. Die Finanzprodukte ermöglichten es dem Handel bei guten Konditionen bisher zumindest einigermaßen, die Höhe der Fahrzeugrabatte in einem vertretbaren Rahmen zu halten, so der Verbandssprecher."Hier wurde ein weiteres Ventil geschaffen, über das die seit langem bekannten Überproduktionen der Hersteller in den Markt gedrückt werden. Mit diesen Fahrzeugen wird Sixt beliefert, zu Konditionen, die Hersteller und Importeure ihrem eigenen Vertragshandel vorenthalten", erklärt Fromme. "Ich verstehe niemanden, der da mitmacht und damit sein eigenes Fabrikat unter Wert verkauft und seinen eigenen Händlern die Chance nimmt, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten", resümiert er.Unternehmerischer UnsinnAuch der VW-Händlerverband bemängelt diese Entwicklung. Michael Lamlé, Vorsitzender und Geschäftsführer vom Volkswagen und Audi Händlerverband: "Das Geschäftsmodell von Sixt Neuwagen funktioniert nur, weil einige Fabrikatshändler unternehmerischen Unsinn betreiben."Sicherlich würde laut Lamlé keiner dieser Händler dieselben Nachlässe unter eigenem Namen öffentlich ausloben und in seinem Autohaus jedem Interessenten freiwillig anbieten - er wäre in Kürze insolvent. Dabei seien es nicht nur große Händler, sondern einfach auch solche, die im Einkauf Möglichkeiten hätten.Natürlich könne man als Verband solche Praktiken einzelner Händler-"Kollegen" aus den eigenen Reihen nicht gutheißen. "Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen sind uns aber - ebenso wie den Herstellern - die Hände gebunden. So bleibt uns nur der ständige Appell an die unternehmerische Vernunft, der leider nicht überall gehört wird oder gehört werden will", erklärte der Verbandsvorsitzende abschließend. ZDFazit1. Sixt wirbt bei Finanzierungs- und Leasingangeboten mit Konditionen von bis zu 56 Prozent.2. Bei den von Sixt eingekauften Fahrzeugen handelt es sich um Neuwagen.3. Diese kommen von Vertragshändlern.4. Die vom Hersteller gewährten Sonderkonditionen verstoßen laut dem Rechtsanwalt gegen den Händlervertrag.5. Mit den Sixt-Rabatten bei den Finanzierungs- und Leasingprodukten könnte den Händlern eine der letzten Ertragsquellen entgleiten.

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