Volvo Deutschland: "Wir brauchen Wachstum"

Auch Volvo bleibt von der Dieselkrise nicht verschont. Mit neuen Modellen und einer Elektrifizierungsstrategie will man neue Kunden erschließen. Details dazu sowie zum Mobilitätsgeschäft und autonomen Fahren verrät Thomas Bauch, Geschäftsführer Volvo Cars Germany, im Interview. AH: Herr Bauch, ist der Jahresstart gelungen? T. Bauch: Wir brauchen Wachstum, und dafür haben wir auch zwei neue Produkte: den Volvo XC40 und später im Jahr den V60. Wir wollen damit neue Kundengruppen erschließen, aber auch unsere traditionellen Kunden bedienen. Der Jahresauftakt verläuft im Rahmen unserer Erwartungen. AH: Der XC40 ist allerdings nicht als preiswertes Einstiegsmodell zu sehen? T. Bauch: Wir wollen mit jedem unserer Autos Geld verdienen und bieten dafür unseren Kunden auch mit jedem Modell ein top ausgestattetes, modernes und sicheres Fahrzeug. Der XC40 macht unsere Marke jetzt für viele Kunden zugänglicher. Mit einem Einstiegspreis von 31.350 Euro ist Volvo für eine größere Kundengruppe interessant. AH: Wie viele Modelle wollen Sie in 2018 noch verkaufen? T. Bauch: Wir veröffentlichen keine konkreten Vorhersagen für jedes einzelne Modell. Ich gehe aber davon aus, dass sich unser neuer kleiner SUV direkt hinter dem höchst erfolgreichen XC60 auf Rang zwei platzieren wird. AH: Wie sieht es mit der Verfügbarkeit aus? T. Bauch: Die Produktion läuft auf Hochtouren und es sieht im Moment sehr gut aus. Dieselkrise macht sich bemerkbar AH: Wie macht sich die Dieselkrise aus Ihrer Sicht im Handel bemerkbar? In der aktuellen Situation sind die Händler ziemlich deprimiert. T. Bauch: Das macht sich im Orderverhalten der Kunden natürlich bemerkbar, allerdings sehr unterschiedlich. Beim Volvo V40 ist der Anteil an Benzinern inzwischen bei 80 Prozent. Beim XC90 liegt der Dieselanteil dagegen bei 80 Prozent. Bei den größeren Modellen ist aber auch die Tendenz vorhanden, mehr Ottomotoren zu bestellen. Je kleiner das Auto, desto ausgeprägter ist das. AH: Gibt es Engpässe bei bestimmten Motoren? T. Bauch: Nein. Das ist kein Verfügbarkeitsthema. Wir haben aber aufgrund der Situation unseren Hybridanteil um 80 Prozent steigern können und haben 2017 fast 1.600 Hybridmodelle abgesetzt. Wir gehen davon aus, dass sich der Hybridanteil in diesem Jahr verdoppeln wird. Wir haben derzeit fünf Plug-in-Hybridmodelle auf dem Markt. Zum Ende des Jahres kommen der XC40 sowie auch der V60 mit Twin Engine Antriebskonzepten hinzu. Wir setzen damit unsere Elektrifizierungsstrategie konsequent fort. AH: Wird der Verkauf von Dieseln aufgrund der Krisensituation weiter zurückgehen? T. Bauch: Leider hat die Dieseldiskussion, ausgelöst durch betrügerische Aktivitäten, ihre Auswirkungen. Wir hatten bei Volvo in der Vergangenheit einen Anteil an Dieselmotoren von teilweise über 90 Prozent, im vergangenen Jahr waren es noch 76 Prozent. Mit den elektrifizierten Modellen kommt jetzt eine weitere Alternative hinzu. Klar, dass damit der Dieselanteil weiter rückläufig ist. Allerdings wird das prognostizierte Desaster im Hinblick auf die Restwerte nicht eintreten. Warum soll ein Fahrzeug in Hamburg 20 Prozent an Wert verlieren, wenn zwei Straßen auf fünf Kilometer gesperrt werden können. Im Moment spüren wir eine Verunsicherung, getrieben durch eine öffentliche Diskussion und Berichterstattung, die nicht der Realität entspricht. AH: Auch das Gebrauchtwagengeschäft leidet darunter. T. Bauch: Unsere Händler kämpfen mit höheren Standzeiten. Wenn irgendwann Fahrverbote ausgesprochen werden sollten, wird man sehen, dass sich eine Stadt nicht hermetisch abriegeln lässt. Das wird zu einer Beruhigung führen. Wir brauchen Klarheit von der Regierung und den betroffenen Städten. Reine Elektroautos bei Polestar AH: Volvo will - nach einem auf 250 Fahrzeuge beschränkten Pilotprojekt mit dem C30 vor einigen Jahren - ab 2019 die ersten rein elektrisch angetriebenen Fahrzeuge auf den Markt bringen. Wie sieht hierbei die konkrete Vorgehensweise aus? T. Bauch: Den Beginn macht unsere Performance-Marke Polestar, die im nächsten Jahr das rein elektrische Modell Polestar 2 vorstellt, das im direkten Wettbewerbsumfeld des Tesla Model 3 angesiedelt ist. Im Jahr danach folgt schon der Volvo XC40 mit Elektroantrieb. Bis 2021 verfügen Volvo und Polestar zusammen über fünf BEV-Modelle. AH: Was muss bei den Händlern noch passieren, dass auch E-Mobile verkauft werden können? T. Bauch: Alle unsere Händler sind darauf bereits vorbereitet bzw. verfügen über das Equipment. Jeder Händler ist inzwischen Hochvolt-zertifiziert. Viele Händler haben bereits auch Ladestationen. AH: Kann jeder Händler Polestar verkaufen? T. Bauch: Polestar wird nur in speziellen "Polestar Spaces" präsentiert und die Kunden werden dort auch beraten - nicht in Volvo-Autohäusern. Volvo-Händlern wird jedoch angeboten, in Polestar Spaces zu investieren. Wir gehen davon aus, dass sich zwischen zehn und 15 Prozent der Händler dafür entscheiden werden. Der Verkaufsprozess läuft ausschließlich über die Webseite von Polestar. In welcher Form die Volvo-Partner in das Servicegeschäft mit Polestar involviert werden, ist derzeit Gegenstand interner Diskussionen. AH: Mit welcher Marge oder Vergütung kann der Handel rechnen? T. Bauch: Das ist noch nicht final festgelegt. Mobilität und Onlinevertrieb AH: Mit "Care by Volvo" bieten Sie die Miete eines Neuwagens mit CC Unirent über das Internet für zwei Jahre zu einem festen Monatsbetrag, der bis auf Tanken und Ölnachfüllen alles enthält. Inzwischen haben Sie sich auch mit den Händlern über die Modalitäten geeinigt. Wie sieht das Vergütungsmodell aus? T. Bauch: Wir stehen mit dem Verband der Volvo Partner in einem sehr konstruktiven Dialog und unsere Verhandlungen sind weitestgehend abgeschlossen. Aktuell liegen wir innerhalb unseres Zeitplanes. Konkrete Ergebnisse möchten wir allerdings erst nach Abschluss unserer Gespräche und der umfassenden Information aller Volvo-Partner bekannt geben. AH: Wird der Verkauf verstärkt ins Internet wandern? T. Bauch: Bedingt. Es wird weiterhin Kunden geben, die zum Händler gehen. Das Auto ist kein Gegenstand, den man in der Regel mietet. Er wird gekauft, um etwas zu besitzen. Aber es gibt auch Kunden, die wollen das Auto nur mieten. Genau für diejenigen gibt es "Care by Volvo". Für den Handel ist das ein zusätzliches Geschäft. AH: Wie hat sich die Rendite von Volvo 2017 entwickelt? T. Bauch: Gehen Sie davon aus, dass wir über dem Durchschnitt liegen. Konkrete Zahlen können Ihnen aber nur die Unternehmer selbst geben. Autonomes Fahren AH: Das autonome Fahren hat durch zwei aktuelle Unfälle in den USA an Vertrauen verloren. Wie ist Volvo hier aufgestellt? T. Bauch: Wir bieten heute in mehreren Modellen eine teilautonome, gemäß internationaler Definition dem Level 5 entsprechende Lösung an - je nach Baureihe in Serie bzw. als Optional. Dieses System unterstützt den Fahrer und leistet einen wertvollen Beitrag zu mehr Sicherheit und Komfort. Der Fahrer jedoch behält die Hände jederzeit am Steuer und trägt die volle Verantwortung. Letztes Jahr haben wir in Göteborg das Projekt Drive Me gestartet, das auf mehrere Jahre angelegt ist und in das normale Autofahrer involviert sind. Zielsetzung ist die Entwicklung von autonom fahrenden Fahrzeugen, die dann dem Level 3 entsprechen und es dem Fahrer ermöglichen, auch die Hände vom Lenkrad zu nehmen und dem Auto die komplette Steuerung zu übergeben. Unsere Experten gehen heute davon aus, dass in 2021 ein entsprechendes Angebot in Serie gehen kann, wenn dann auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die Entwicklung muss schrittweise und absolut zuverlässig erfolgen, jegliche Risiken müssen ausgeschlossen werden. Nur um der Technik willen darf nichts überstürzt in Serie gebracht werden. AH: Wie kann sich Volvo als kleinere Marke künftig behaupten? T. Bauch: Indem wir uns spezialisieren und uns unsere Einzigartigkeit bewahren. AH: Herr Bauch, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Ralph M. Meunzel

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