Ausgabe 01-02/2012: Wer sucht, der findet

Wer sucht, der findetAusbildung E Der Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren das größte Problem im Handwerk sein. Viele Autohäuser tun jetzt schon etwas dagegen.Von Doris PlateSie heißen „StuBo“, „BoRs“ oder einfach nur „BO“ und werden für die Autohäuser immer wichtiger. Die Abkürzungen stehen für die Lehrer, die an den Schulen für die Berufsorientierung der Jugendlichen zuständig sind. „Wenn wir den BoRs-Lehrer direkt ansprechen, bekommen wir fast immer einen Termin in den Schulen“, weiß zum Beispiel Andreas Huber von der Kfz-Innung Freiburg. Er schickt dann Ausbildungsbotschafter, die dort für die Kfz-Berufe werben (siehe Kasten S. 24). Denn die Kfz-Innung hat erkannt, dass es zukünftig darum geht, aus der geringen Zahl von Bewerbern die Qualifizierten für das eigene Gewerbe gewinnen zu können. Der Erfolg gibt der Innung recht: Sie hat genügend gute Bewerber für die zu vergebenden Ausbildungsplätze in den Autohäusern. Die Probleme, genügend qualifiziertes Personal zu finden, werden in den nächsten Jahren aber noch zunehmen: „Demografie-Experten sprechen von einer Zuspitzung in den nächsten zehn bis 20 Jahren, mit Höhepunkt um 2030“, sagt Claudia Kefferpütz (siehe Grafik). Sie kümmert sich beim Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) vor allem um die Nachwuchskampagne (www.autoberufe.de). Zusammen mit Vertretern von 34 deutschen und internationalen Automobilherstellern wirbt der Verband dort für Kfz-Berufe und stellt Schülern, Betrieben und Lehrern viele Informationen und Materialien zur Verfügung. Dort gibt es Broschüren, Filme, Informationsstände, Eignungstests, Leitfäden usw. Schauen Sie mal rein unter der Internetadresse www.autoberufe.de. Zurzeit noch sehr viele BewerberViele Autohäuser sind schon jetzt sehr aktiv und stellen sich auf Messen und an Schulen vor. Wie zum Beispiel die Gottfried-Schultz-Gruppe. Das Unternehmen ist bekannt und offenbar sehr attraktiv: 2011 bewarben sich bei dem rheinischen Händler der Volkswagen-Gruppe 1.100 Jugendliche auf 88 Stellen als gewerbliche Azubis! Für die 41 kaufmännischen Plätze waren es 800! Trotzdem wirbt das Autohaus weiter. „Wir wollen gerne aus den Besten auswählen“, erläutert Personaler Christof Wendelin.Auch Michael Dittmar geht es vor allem um geeignete Bewerber. Der Obermeister und Lehrlingswart der Innung Bochum arbeitet mit der Willy-Brandt-Gesamtschule Bochum zusammen. Er will den Lehrern dort vermitteln, wie anspruchsvoll der Beruf des Kfz-Mechatronikers ist und welche Vorbildung dafür gebraucht wird. Dafür lädt er ausgewählte Schüler und interessierte Lehrer für einen Tag in die überbetriebliche Ausbildungsstätte ein. Vor Ort erhalten sie dann Einblick in die Vielfalt der Kfz-Berufe. Physik und Chemie am AutoDas vermeintlich nur theoretische Fach Physik bekommt dann plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Dabei hilft auch das vom ZDK entwickelte Lehrmittel „Physik am Auto“ bzw. „Chemie am Auto“. So kann auch die Vorqualifikation der potenziellen Bewerber verbessert werden. Außerdem führt die Innung Eignungstests in der Schule durch. „Mit der Urkunde, die die Schüler dafür bekommen, können sie sich bei den Betrieben bewerben“, erläutert der Inhaber einer freien Werkstatt. Gern angenommen wurde auch sein Angebot an eine Realschullehrerin, die das Hauptfach Technik unterrichtet. Sie bat darum, Fahrzeugtechnikfragen in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte beantwortet zu bekommen. Kein Problem für Dittmar. Seitdem kommt sie jedes Jahr mit ihrer Klasse vorbei. Weg über das PraktikumSchüler, die durch solche Aktivitäten Lust auf einen Kfz-Beruf bekommen, machen häufig im Anschluss ein Praktikum in den Betrieben. Dort merken sie schnell, ob sie für den Beruf geeignet sind, er ihren Vorstellungen entspricht und ob eine Ausbildung Spaß macht. Und auch die Betriebe können so feststellen, wer zu ihnen passt. Bei Dittmar müssen die Bewerber aber dann noch eine Hürde nehmen: Er schaut sich die Fehlzeiten aus den letzten vier Zeugnissen an: „Unentschuldigte Fehlstunden gehen gar nicht“, nennt der Unternehmer sein Auswahlkriterium. Die Abschlussnoten sind ihm nicht so wichtig. Schwachen eine Chance gebenDas spricht auch dafür, auf dem Papier scheinbar nicht ausbildungsreifen jungen Menschen ohne Abschluss eine Chance zu geben, meint Birgit Behrens, ZDK-Geschäftsführerin Berufsbildung: „Darunter sind oft ungeahnte Talente, die nur geweckt werden müssen.“ Auch das ist eine Möglichkeit, zukünftig mehr Interessenten anzusprechen.Damit hat zum Beispiel René Gravendyk gute Erfahrungen gemacht. Der Geschäftsführer eines kleinen Renault Autohauses in Goch nimmt auch schwierige Azubis, die ein so genanntes Eingangsqualifizierungsjahr machen, weil sie im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Nach dem einjährigen Praktikum können die meisten dann eine Ausbildungsstelle antreten. Nachhilfeunterricht bei der InnungFord-Händler Uwe Rütz kümmert sich verstärkt um benachteiligte Jugendliche. Davon gibt es im Umkreis seines Autohauses im Hamburger Stadtteil Billstedt genug. „Manche sind recht intelligent, leben aber in schlechten Umständen“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Um den sozialen Hintergrund kümmert er sich und besorgt auch schon einmal einem Azubi eine Wohnung. Wenn es mit Ausbildungsinhalten nicht richtig klappt, gibt es Nachhilfeunterricht bei der Innung. Auch Rütz hat gute Erfahrungen gemacht: „In der Regel läuft das nach drei bis sechs Monaten.“ Und auch die, die ohne Schulabschluss zu ihm kommen, bestehen am Ende die Gesellenprüfung mit einer „3“. Für sein Engagement gegen Jugendarbeitslosigkeit erhielt er 2011 den Deichmann-Förderpreis. Je früher, desto besserAuch Petra Pientka, Geschäftsführerin der Gebrüder Nolte Gruppe mit Hauptsitz in Iserlohn, ist überaus aktiv. Im Sommer 2011 hat sie zum Beispiel 14 Vorschulkinder mit ihren Erzieherinnen in ihr Autohaus eingeladen: „Berufsorientierung kann nicht früh genug anfangen“, kommentierte die zweifache Mutter. Auf Handwerksausstellungen, bei Ausbildungsplatzbörsen und vor Schulklassen wirbt die Unternehmerin für Kfz-Berufe und damit nicht zuletzt auch für ihren Betrieb. „Neben der Gewinnung von geeigneten Ausbildungsbewerbern prägt sich ein Unternehmen, das stark ausbildet, auch in positiver Weise bei Menschen aus der Umgebung ein“, so Pientka.Die örtliche Presse berichtet über die Aktivitäten, und die Jugendlichen lernen bei solchen Aktionen auch, sich in besonderer Weise mit dem eigenen Unternehmen zu identifizieren, sowie sich selbst, die Autoberufe und den Ausbildungsbetrieb zu präsentieren. 7Im Osten schwierigerDas gelingt auch dem Autohaus Graupner im sächsischen Brandis bei Leipzig besonders gut. Während die Betriebe im Westen nämlich meistens noch aus dem Vollen schöpfen können, werden die Nachwuchskräfte im Osten der Republik jetzt schon knapp. Das liegt zum Teil am so genannten „Wendeknick“: Nach dem Fall der Mauer wollten die jungen Leute lieber Karriere machen und bekamen erst einmal keine Kinder. Aber auch die Abwanderung der Bewohner aus den strukturschwachen Gebieten macht den Betrieben zu schaffen. „Wenn man nichts tut, ist es ganz schwer“, berichtet Ingo Graupner. Er hat aber gute Erfahrungen mit der Arbeitsagentur gemacht. „Die Jugendlichen, die uns von dort geschickt werden, sind meistens besonders für die von uns ausgebildeten Berufe geeignet, weil das von uns übermittelte Anforderungsprofil sehr ernst genommen wird.“ So hat Graupner auch schon viele Abiturienten eingestellt, die auch heute noch in seinem VW/Audi-Autohaus mit Seat-Service arbeiten. Es bestehen auch bereits Kontakte zu einem privaten Gymnasium in der Nähe. Dort will der Händler in Kürze als „Unternehmer im Klassenzimmer“ für Autoberufe und natürlich auch seinen Betrieb werben.Abiturienten und FrauenGerade bei den Abiturienten hat das Kfz-Gewerbe noch Nachholbedarf und angesichts der kommenden doppelten Abiturjahrgänge auch Potenzial. Bislang haben erst sechs Prozent der Azubis im Kfz-Gewerbe Hochschulreife. Und das, obwohl gerade der Beruf des Kfz-Mechatronikers sehr anspruchsvoll ist. Auch Mädchen sind noch unterrepräsentiert. Bei den Kfz-Betrieben sind es im gewerblichen Bereich nur 5,7 Prozent. Dabei haben viele Unternehmer schon erkannt, wie positiv sich die Beschäftigung einer jungen Frau auf das Betriebsklima auswirkt. z 86graue Kurve: Bevölkerungsstruktur 2008Lernschwachen Schülern eine Chance gebenVolkswagen will zukünftig auch die Potenziale so genannter „lernschwacher Schüler“ heben. 2010 wurde dafür das Pilotprojekt „Kompetenzfeststellung“ aus der Taufe gehoben. Eingangs der sechswöchigen Projektdauer wurden dabei Allgemeinwissen, Sprachgefühl und Rechtschreibung überprüft und das räumliche Vorstellungsvermögen sowie das technische Verständnis getestet. Ferner ging es darum, die individuelle Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Schüler zu ermitteln und herauszufinden, inwieweit sie in der Lage sind, durch logisches Denken die ihnen gestellten Aufgaben zu lösen. Danach konnten sich die Jugendlichen einen Eindruck von der Praxis im Autohaus verschaffen. Mitarbeiter und Auszubildende der beiden Pilotbetriebe Autohaus Stotzem in Heide und Autohaus Hotz und Heitmann in Wolfsburg führten durch den Betrieb, stellten ihre Aufgabenbereiche vor und beantworteten sämtliche Fragen verständlich und praxisnah. Der Serviceleiter entschied dann, wer letztendlich an der eintägigen Lehrwerkstatt teilnehmen durfte und damit auch die Chance auf einen Praktikumsplatz bekam. Volkswagen plant, das Projekt 2012 weiterzuführen, und zwar an Brennpunktschulen beziehungsweise mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Jedes Volkswagen-Autohaus soll zukünftig mitmachen können. KurzfassungDerzeit gibt es in den meisten Autohäusern noch genügend Bewerber für Ausbildungsplätze. Trotzdem macht Werbung für die Kfz-Berufe Sinn, denn schließlich wollen die Betriebe die Besten – und das sind manchmal auch Mädchen. Oftmals lohnt sich auch das Engagement bei auf den ersten Blick nicht ausbildungsreifen Jugendlichen. Dieser Beitrag nennt einige Beispiele für erfolgreiche Maßnahmen von Händlern und zeigt auf, wie Innungen und Hersteller helfen können. Weitere Informationen und Materialien unter www.autoberufe.de

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