Nach über 40 Jahren kommt das Aus: Das oberbayerische Autohaus Neufahrn stellt zum 30. Juni 2019 seine Geschäftstätigkeit ein. Man habe die rund 40 Mitarbeiter am Mittwoch über die Schließung informiert, erklärte die geschäftsführende Gesellschafterin Eva Pagenberg laut einer Mitteilung. Das 1977 gegründete Kfz-Unternehmen war bislang als VW-Vertragshändler sowie als Servicepartner von Audi und VW Nutzfahrzeuge aktiv. Bis Ende Juni bleibe das Autohaus mit dem gewohnten Leistungsangebot geöffnet, hieß es.
Pagenberg begründete die Firmenschließung mit der seit Jahren anhaltenden schwierigen Markt- und Ertragslage sowie dem Blick in eine unsichere Zukunft. Die Situation habe sich insbesondere seit der Dieselaffäre verschärft, die zu einer deutlichen Zurückhaltung der Kunden beim Kauf von Dieselfahrzeugen geführt habe. Eine große Belastung seien die Leasingrückläufer. Die Fahrzeuge könnten nur mit hohen Preisnachlässen veräußert werden, betonte die Geschäftsführerin.
Nach Darstellung von Pagenberg kann das Servicegeschäft die Verluste im Gebrauchtwagenbereich nicht mehr ausgleichen. Es werde immer schwieriger, freiwerdende Stellen neu zu besetzen. "Wie bei anderen Autohäusern in und um München ist ein eklatanter Mangel an Fachkräften zu befürchten. Es ist nicht absehbar, dass sich diese Situation bald ändern wird", erklärte die Mitgesellschafterin. Dadurch entfalle mit dem Werkstattgeschäft eine hauptsächliche Ergebnisstütze.
Suche nach Investor ohne Erfolg
Daneben sieht die Unternehmerin eine zunehmende Unsicherheit auf mittelgroße Händlerbetriebe zukommen: "Bei den anstehenden Umwälzungen in unserer Branche ist die Richtung der Entwicklung noch nicht wirklich absehbar." Elektromobilität und Digitalisierung würden erhebliche Investitionen erfordern, um in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen zu können. Pagenberg: "Ein wirtschaftlich erfolgreiches Handeln ist uns unter diesen Voraussetzungen leider nicht mehr möglich." Vor diesem Hintergrund seien auch alle Versuche gescheitert, die Firma zu veräußern. "Unser Geschäftsmodell wird derzeit von allen potenziellen Interessenten als äußerst schwierig angesehen."
Pagenberg dankte den Mitarbeitern für die engagierte Zusammenarbeit und langjährige Treue zum Unternehmen. Sie und Restrukturierungsexperte Wolfgang Kottenberg zeigten sich zuversichtlich, dass alle Mitarbeiter nach dem 30. Juni nahtlos in neue geregelte Arbeitsverhältnisse übergehen könnten. Auf die Vermittlung der Beschäftigten lege man jetzt besonderen Wert. Der Arbeitsmarkt sei für die qualifizierten Mitarbeiter derzeit sehr gut. In ähnlich gelagerten Liquidationen von Autohäusern im Großraum München sei es bislang immer gelungen, den Mitarbeitern bei der Suche nach Anschlussbeschäftigungen erfolgreich zu helfen, betonte Kottenberg.
Alle Verträge von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten werden erfüllt
Der Jurist wies ausdrücklich auf den Unterschied zwischen Liquidation und Insolvenz hin: "Der Unternehmer schließt beim Verfahren der Liquidation sein Unternehmen selbst. Der wesentliche Vorteil gegenüber der Insolvenz ist, dass Arbeitnehmern und Geschäftspartnern aus laufenden Verträgen kein Schaden entsteht." In der Kfz-Branche liquidierte Kottenberg unter anderem die Münchner Traditionsbetriebe AHG Niedermair & Reich GmbH (Ford), Hans Hanauer GmbH (Renault) und das Autohaus Baudisch (VW, Audi).
Das Autohaus Neufahrn in Neufahrn bei Freising war 1977 von Horst Oehm zusammen mit weiteren Gesellschaftern als Werkstatt gegründet worden. 1982 stieg Wolfgang Heim als Geschäftsführer und Gesellschafter in den Betrieb ein und baute die Firma zu einem mittelständischen VW-Händler aus. 25 Jahre später wurde Heim alleiniger Eigentümer. Seine Tochter Eva Pagenberg trat 2011 in den Familienbetrieb ein und übernahm 2015 die Geschäftsführung. (rp)
Christoph Schadenfroh
Michael Urban