Vor dem "Mobilitätsgipfel" im Bundeskanzleramt fordert ZDK-Präsident Jürgen Karpinski langfristig stabile Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität. "Die Diskussion um den Umweltbonus hat die Kunden sehr verunsichert. Wer den schnellen Umstieg auf die E-Mobilität will, darf die Förderung batterieelektrischer Fahrzeuge derzeit nicht kappen", erklärte Karpinski am Montag. Man brauche langfristig verlässliche Förderbedingungen und einen beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur, "sonst leidet das Vertrauen der Kunden".
Der Verbandschef betonte, dass beim Umstieg auf das E-Auto immer die Kundenperspektive im Vordergrund stehen sollte. "Die Politik sollte daher Wert legen auf die praktischen Erfahrungen des starken, mittelständischen Kfz-Gewerbes. Unsere Betriebe sind nah am Kunden." Deutschland habe noch keinen selbsttragenden Elektroauto-Markt. Karpinski: "Unsere Mitarbeiter leisten täglich Überzeugungsarbeit und versuchen hoch engagiert, die Fragen der Menschen zur Elektromobilität zu beantworten. (…) Das Kfz-Gewerbe ist ein zentraler Faktor der Transformation hin zu einer CO2-neutralen Mobilität."
Der neue ZDK-Hauptgeschäftsführer Kurt-Christian Scheel ergänzte mit Blick auf den großen Fahrzeugbestand und den Herausforderungen rund um die Transformation – von Energiekosten bis Lieferkettenengpässen –, dass das Prinzip der Technologieoffenheit richtig bleibe. Die von der EU-Kommission jüngst vorgeschlagene Abgasnorm Euro 7 werde wegen technisch kaum erfüllbarer Anforderungen dazu führen, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren deutlich teurer werden. Gleichzeitig würden die Preise für Elektrofahrzeuge nicht wie erwartet sinken.
Euro 7 deutlich modifizieren
Scheel plädierte deshalb dafür, Euro 7 deutlich zu modifizieren. Vor allem müsse ein Vorschlag auf den Tisch, "wie auch nach 2035 Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden können, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden". So sei es im Koalitionsvertrag vorgesehen. Und so könne man die Erwartungen der Kunden erfüllen, die sich eine nachhaltige und bezahlbare individuelle Mobilität wünschten, sagte er.
Auf Einladung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) kommen an diesem Dienstag Vertreter von Autoherstellern, Zulieferern, der Gewerkschaft IG Metall sowie mehrere Bundesminister zu einem "Mobilitätsgipfel" zusammen. Themen der sogenannten "Strategieplattform Transformation Automobil- und Mobilitätswirtschaft" sind unter anderem Klimaschutz und Elektrifizierung, autonomes Fahren sowie die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten.
Spitzentreffen erntet Kritik
Wegen der starken Ausrichtung auf die Autobranche steht das Spitzentreffen seit Tagen bei verschiedenen Akteuren des Verkehrssektors in der Kritik. Dass sich der Titel der Plattform auf die gesamte Mobilitätswirtschaft beziehe, sei deshalb "Etikettenschwindel", sagte Dirk Flege, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene, am Montag.
Ähnlich äußerten sich der Radfahrerclub ADFC, der Bundesverband Zukunft Fahrrad sowie der Zweirad-Industrieverband. "Wo Mobilitätswirtschaft drauf steht, muss auch Mobilitätswirtschaft drin sein", sagte Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad. Die Verbände forderten Scholz auf, die Verkehrswende zur Chefsache zu machen.
Auch die Bauindustrie wäre gerne gekommen. Der Bau von Infrastruktur etwa beim Hochleistungsnetz der Bahn sei "Grundlage für die Mobilitätswende und wir bauen diese Wende", teilte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, mit. "Deshalb kann ich es nicht nachvollziehen, wieso der Bau beim Mobilitätsgipfel des Bundeskanzlers keine Rolle spielt."