Ausgabe 12/2012: Traum von morgen

Traum von morgenFabrikatshändlerkongress – Das Auto verliert an Emotionalität. Deshalb muss der Handel langfristig andere Wege finden. Von Doris PlateFrüher war das Auto Statussymbol, stand für den Traum von Freiheit und manchmal auch Abenteuer. Zukünftig ist das Auto nur noch eines der Mittel, die man nutzen kann, um von A nach B zu kommen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wurde schon tausendfach zitiert. Trotzdem wurde auf dem 3. Fabrikatshändlerkongress, den der ZDK im Vorfeld der AMI organisiert hatte, den interessierten Händlern, die den Weg nach Leipzig gefunden hatten, ein differenzierterer Blick in die Zukunft ermöglicht. Besonders Zukunftsforscher Matthias Horx ließ mit seinen „Megatrends“ aufhorchen. Vor allem machte er eines deutlich: „Megatrends“ sind keine Veränderungen, die von heute auf morgen die Welt völlig anders aussehen lassen. Es geht zunächst langsam, aber „ein Prozent pro Jahr sind viel über zehn Jahre“. Trotzdem sollte sich der Autohandel nicht bange machen lassen, denn noch eine lange Zeit wird es auch die leidenschaftlichen Autofans unter den Kunden geben – zur Zeit sind es sogar noch die, die das Geld haben. „Wir leben im größten Wirtschaftsboom aller Zeiten und machen uns dabei in die Hosen“, sagte Horx an die Adresse der Bedenkenträger. Er prognostizierte einen positiven Trend bis mindestens 2050. Langfristige VeränderungenAber: Die Händler müssen sich trotzdem auf die langfristigen Veränderungen einstellen. Denn die Jugend tickt tatsächlich anders, wie Prof. Peter Kruse von der Universität Bremen eindrucksvoll verdeutlichte. Seine Erkenntnis beruht auf 4.000 Interviews, die sein Institut in den letzten fünf Jahren weltweit geführt hat. Mit Hilfe seiner wissenschaftlichen Methode ausgewertet ergaben sich klare Muster: „Die Distanz zum Statusbegriff wächst, es geht von der Emotionalität hin zu Funktionalität.“ Sein Tipp: „Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht den Traum von gestern verkaufen, sondern Sie müssen sich Gedanken machen, was der Traum von morgen ist.“ Und der kann völlig unterschiedlich aussehen, ebenso wie die Umsetzung im Autohaus je nach Lage (Stadt/Land) oder Automarke (Premium/Volumen/Budget) und natürlich persönlicher Ausrichtung des Unternehmers. Davon ausgehend, dass an Stelle der Begeisterung für das Produkt zunehmend der Wunsch nach persönlich sinnvollen Mobilitätskonzepten tritt, entwickelte Horx, wie sich diese persönlich sinnvollen Mobilitätskonzepte im Lauf eines Lebens erheblich verändern und immer wieder neu definiert werden können. Drei LebenWährend noch vor einigen Jahrzehnten Jugend, Familienphase, Alter die wichtigen Stationen im Leben eines Menschen waren, gibt es heute im Schnitt drei Familien im Leben eines Menschen, drei Aufbrüche und drei Berufe, so der Forscher. Die Mobilitätswünsche beschränken sich nicht mehr auf den Weg zur Arbeit und die eine Urlaubsreise im Jahr. Fahrten zu Verwandten, Kultur, Shopping, Bildung, Fitness, Erholung, Entdeckung usw. gehören heute zum Alltag. Außerdem nehme der Einfluss von Frauen auf die Entwicklung zu. „Evalution“ nannte Horx das. Deshalb sein dringender Rat an die Autohändler: „Die Branche sollte mehr auf die Bedürfnisse von Frauen achten.“ Als Antwort auf die langsame Demotorisierung sollten zudem mehr Dienstleistungen angeboten werden, die weit über die Mobilität hinausgehen. Als Beispiel nannte er die Vernetzung mit mobilen Endgeräten oder auch die Nutzung von Elektrofahrzeugen als Puffer für die Speicherung der mit Solarkollektoren gewonnenen Energie (siehe Grafik). Ganz konkret macht diese Voraussage auch sofortiges Handeln nötig: Der Autohandel muss aufpassen, dass er in die Mobilitätskonzepte, die die Hersteller derzeit entwickeln, eingebunden bleibt. Und sowohl die Professoren- als auch die Händlerrunde auf dem Fabrikatshändlerkongress machte deutlich, dass auch das aktuelle Angebot des Handels an vielen Stellen noch optimiert werden kann. WaffengleichheitAuch der vielleicht wichtigste Punkt in der aktuellen Arbeit der meisten Autohändler, die Auswirkungen von Internet-Angeboten auf ihre Preisgestaltung, kam in Leipzig zur Sprache. Und irgendwie hat das auch mit dem Megatrend des ständigen Verlusts an Emotionalität für das Auto zu tun: „Wenn die emotionale Strahlkraft nachlässt, rückt der Preis in den Mittelpunkt“, fasste es Professor Peter Kruse zusammen.ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme stellte die Internetproblematik in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. „Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass die Auflagen für das klassische Autohaus immer höher werden, wenn zugleich immer mehr Kunden über andere Kanäle ihre Fahrzeuge beziehen“, sagte der Vorsitzende der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen wörtlich. ZDK-Präsident Robert Rademacher forderte: „Wir brauchen Waffengleichheit an der Verkaufsfront.“ Fromme sieht es als Herausforderung für die Fabrikatsverbände im ZDK, hierfür Konzepte zu entwickeln. Bis die Mühlen der Organisation hier aber mit einem Vorschlag aufwarten, werden wohl noch einige Monate ins Land gehen.Da scheint die Lösung in einzelnen Fabrikaten vielleicht schneller gefunden werden zu können. Stefan Quary von der Dürkop-Gruppe formulierte es so: „Das Problem ist nicht das Internet an sich, sondern die Preisstellung dort. Wir sind derzeit mit Opel darüber im Gespräch, wie ein Margensystem der Zukunft aussehen kann, um diese Thematik zu beherrschen.“ ■KurzfassungDas Auto verliert an Emotionalität – ein Grund mehr für den Fabrikatshandel, sich neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu überlegen. Die Veränderungen werden aber nur langsam kommen, da wird nicht morgen ein Schalter umgelegt. Trotzdem muss die Branche aufpassen, dass sie auch in die zukünftigen Mobilitätskonzepte eingebunden bleibt. Auch das größte aktuelle Problem des Handels, nämlich die Auswirkungen von Internet-Angeboten auf die Preisgestaltung, wurde angesprochen. Der Verband will hier für „Waffengleichheit“ sorgen. Runter mit dem CO2-AusstoßNicht erst seit der erste grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs Wilfried Kretschmann die Grünen als „Autofahrerpartei“ bezeichnet hat, bekommen die Gedanken der Politiker von Deutschlands drittgrößter Partei immer mehr Aufmerksamkeit. Für den Fabrikatshändlerkongress konnte der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Cem Özdemir als Redner gewonnen werden. Er kam im BMW, machte Werbung für das Efficient Dynamics-Programm der Marke und gleichzeitig deutlich, dass ein ökologischer Lebensstil nicht die Rückkehr auf die Bäume bedeutet. Die Botschaft: „Das Auto wird immer ein Bestandteil von Mobilität sein, aber es müssen andere Autos werden.“Welche Autos er damit meint, konkretisierte er mit der Zielvorgabe, die die Grünen hier als sinnvoll erachten: 60 Gramm CO2-Ausstoß/km sieht seine Partei als sinnvoll an. Und er ergänzte: „Auch die Dienstwagenregelung muss sich zukünftig am CO2-Ausstoß orientieren.“ Diese ökologische Forderung der Grünen sieht er als Treiber für die Wirtschaft. Wie pragmatisch seine Partei inzwischen ist, zeigten auch seine Ausführungen zu einem anderen Thema: Die Anschaffung von Elektrofahrzeugen müsste eigentlich mit 5.000 Euro gefördert werden, sonst wird das Ziel von 1 Million zugelassener Stromer bis 2020 möglicherweise nicht erreicht. Aber auch Özdemir zeigte sich skeptisch, ob die dafür nötigen fünf Milliarden Euro derzeit finanzierbar sind. Deshalb könnte der Förderungsbeitrag zum Beispiel bei steigenden Zulassungszahlen sinken, so sein Vorschlag. Auch KFW-Darlehen zur Anschaffung von Elektroautos, wie sie bei Immobilien bereits üblich sind, könnten hilfreich sein, schlug der Politiker vor.Kommentar: Landung in der Realität< Vom einstigen Ziel, den Fabrikatshändlerkongress zu einer Demonstration der Stärke der Branche zu machen, hat sich der Verband inzwischen verabschiedet. 1.000 Besucher und mehr sind hierzulande wohl nicht für die Teilnahme an einem solchen Kongress zu begeistern. Jedes Fabrikat möchte lieber seine eigenen Verhandlungen führen, mit seinem Hersteller über neue Geschäftsmodelle oder die Eindämmung der Probleme mit dem Internet-Vertrieb sprechen. Dem ZDK gelingt es nicht, das Branchengefühl herzustellen – vielleicht weil die Zwischenebenen mit den Landes- und den Fabrikatsverbänden keine unmittelbare Nähe zum Händler und zur Werkstatt zulassen. Dabei war der Fabrikatshändlerkongress auch diesmal wieder eine Chance für den Handel, über den Tellerrand zu blicken, Best-Practice-Beispiele von anderen Händlern zu hören und damit Anregungen für die tägliche Arbeit und für die Strategieüberlegungen zu bekommen. Leider war der Kreis derjenigen, die die Chance ergriffen haben, mit 400 Teilnehmern – meistens die „üblichen Verdächtigen“ und auch viele Funktionäre – wieder viel zu klein. Schade eigentlich! >

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