Volkswagen ist derzeit nicht zu stoppen. Am Dienstag kam erneut eine Rekordmeldung aus Wolfsburg: In den ersten sieben Monaten 2007 steigerte der Konzern seinen Absatz um 8,1 Prozent auf rund 3,6 Mio. Autos weltweit. "Das sind beachtliche Erfolge, die uns auf dem Weltmarkt weiter stärken", frohlockte Konzernchef Martin Winterkorn. Nach Jahren der Tristesse geht es bei VW wieder bergauf – doch Winterkorn will ganz nach oben an die Weltspitze. Erklärter Gegner ist Toyota.
Um
Volkswagen nach vorne zu bringen, arbeitet der Autobauer nach Angaben aus Unternehmenskreisen derzeit an einer Zehn-Jahres-Strategie, die bis November vom
Vorstand abgesegnet werden soll. In dem Papier sollen genaue Ergebnis- und Absatzziele bis zum Jahr 2018 definiert werden. Vorbild sei die "Route 15" der Tochter
Audi, initiiert noch vom damaligen Audi-Chef und jetzigen Konzernboss Winterkorn. Erstmals mehr als sechs Mio. Autos will der VW-Konzern in diesem Jahr verkaufen –
Toyota lag 2006 bei rund neun Mio.
Schon bald nach dem Führungswechsel in Wolfsburg zu Jahresbeginn hatte Winterkorn einen Wandel eingeleitet und von Führungskräften offensiveres Denken gefordert. Sein Motto: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Sein Ziel: "Wir werden den Volkswagen-Konzern als Dachmarke inhaltlich wie technologisch in eine neue, höhere Umlaufbahn bringen." Zahlreiche neue
Modelle soll es geben, jede Klasse – vom
Luxusauto bis zum Billigwagen – soll besetzt werden. Neue Werke in
Russland und
Indien sollen
VW neue Wachstumschancen eröffnen.
Und: Der Konzern müsse deutlich profitabler werden, forderte Winterkorn. Bisher ist vor allem die Kernmarke VW weit weg von den Renditezielen. "Ich bin sicher: Wir werden bei der
Rendite besser werden als Toyota heute", sagte der VW-Chef. Auch Gesamtbetriebsratschef
Bernd Osterloh verkündete selbstbewusst, VW wolle mindestens die Nummer zwei in der Welt werden, wenn nicht die Nummer eins. 2006 lag VW hinter Toyota,
General Motors und
Ford weltweit auf Rang vier. "Die Messlatte für VW liegt bei Toyota", sagte auch Porsche-Chef
Wendelin Wiedeking, Vertreter des größten VW-Aktionärs.
Die Japaner allerdings sind VW noch weit überlegen. Laut Branchenstudien sind sie deutlich produktiver, haben flexiblere Fertigungssysteme und sind weltweit besser aufgestellt, vor allem auf dem größten
Automarkt der Welt, den
USA. "Toyota bleibt der leistungsstärkste Automobilkonzern, wobei sich der Abstand zu den Verfolgern sogar vergrößert", heißt es in einer
Studie des Center of Automotive an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Die Gewinne des japanischen Konzerns hätten sich seit dem Jahr 2000 auf mehr als 80 Mrd. Euro summiert. Toyota habe damit mehr verdient als DaimlerChrysler,
BMW und Volkswagen im selben Zeitraum zusammen. Zudem bleiben bei den Japanern von 100 Euro
Umsatz mehr als zehn Euro
Gewinn übrig, bei VW nur rund zwei Euro.
"Vom Dickschiff zur wendigen Fregatte"
Außerdem drängen die Japaner mit aller Macht auf den europäischen Markt – aber für Autoexperten ist VW "der letzte verbliebene Autohersteller des Abendlandes, der den asiatischen Herstellern, vor allem Toyota, heute und morgen im
Wettbewerb noch Paroli bieten könnte – wenn es denn gelänge, aus einem schwerfälligen Dickschiff eine flotte und wendige Fregatte zu machen". Das schreibt Helmut Becker, Chef des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in
München, in seinem kürzlich erschienenen Buch "Ausgebremst. Wie die
Autoindustrie Deutschland in die Krise fährt".
Bei VW habe es einen "jahrelangen Sanierungsstau" gegeben, so Becker. Inzwischen aber sind die Wolfsburger ein Stück vorangekommen. Voraussetzung war die Tarifrunde 2006 und das Ende der Vier-Tage-Woche: Die Arbeitszeiten wurden damals deutlich verlängert, ohne Lohnausgleich. Dadurch stieg die Produktivität bereits deutlich an – VW sieht sich aber noch lange nicht am Ziel. Gesamtbetriebsratschef Osterloh forderte wiederholt: "Wir müssen unsere
Produkte kontinuierlich und kostenbewusst weiterentwickeln und, ähnlich wie Toyota, nicht bei jedem Auto alles neu machen." (
von Andreas Hoenig, dpa)