Ausgabe 09/2008: Technik und Tugend

Dekra / Die Prüforganisation führt pro Jahr 15.000 Werkstatttests durch, bei denen es nicht nur auf technische Belange ankommt. Großes Medienecho fand der kürzlich veröffentlichte Dekra-Mängelreport.Technik und Tugendvon Prof. Hannes BrachatAUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach in der Dekra-Zentrale in Stuttgart mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Dekra Automobil, Dipl.-Ing. Clemens Klinke, über die Themen Werkstatttests, Entfall des Prüfmonopols, GW-Management und den neuen Dekra-Mängelreport 2008. AH: Herr Klinke, Dekra führt sowohl im Auftrag der Hersteller wie von Autohäusern selbst pro Jahr zahlreiche Werkstatttests durch. Wo steht hier die Branche?C. Klinke: Wir führen jedes Jahr rund 15.000 Werkstatttests durch. 12.000 Werkstatttests bilden das Auftragsvolumen der Hersteller; der Rest entfällt auf die direkte Beauftragung von Werkstätten. Ein Fazit: Wir stellen in den Ergebnissen eine deutliche Verbesserung fest.WerkstatttestsAH: Wie sind diese Tests angelegt? Die klassischen Tests von ams etc. zielen ausschließlich auf Inspektionsarbeiten ab. Da findet keinerlei wissenschaftliche Qualifizierung der weichen Faktoren statt, Preisniveau, freundliche Bedienung etc. Lausige Maßstäbe!C. Klinke: Vor 20 Jahren stand bei uns die Qualität gleichermaßen im Vordergrund, also Mängeleinbau. Diese Tests haben sich weiterentwickelt. Wir beurteilen Faktoren wie Pünktlichkeit schon seit zehn Jahren. Aber auch die Freundlichkeit, die Kundenräume bis hin zur Erläuterung der Kundenrechnung werden berücksichtigt. Das Thema "Kundenzufriedenheit" ist neben dem technischen Teil des Tests mindestens gleichgewichtig geworden. 50 Prozent der Kundenzufriedenheit bilden heute die technischen Faktoren, die anderen 50 Prozent das Umfeld ab. AH: Wo liegen in den Betrieben die größten Defizite?C. Klinke: Bei den technischen Defiziten liegen die größten Vorbehalte immer noch in der Thematik Direktannahme, also Diagnosequalität. Dort sollten die Mängel eindeutig erkannt werden. Damit wären auch viele spätere Nachfassaktionen telefonischer Art beim Kunden überflüssig. Man erreicht über die Direktannahme nicht nur eine höhere Kundenzufriedenheit und eine bessere Arbeitsqualität, sondern auch einen höheren Teile-Verkauf. Im Servicebereich ist nach wie vor das Thema Zuverlässigkeit in Form der Pünktlichkeit gefragt, also Termintreue! Auch bei der Fahrzeugabholung. Die Rechnung bedarf der vernünftigen und verständigen Erläuterung. Man muss Leistungen verkaufen! Kleinigkeiten wie die Begleitung des Kunden zum abfahrfertig geparkten Fahrzeug sind dann die Sahnehaube. Entfallenes PrüfmonopolAH: Zum 1. Januar 2008 entfielt das Monopol der technischen Prüfdienstleistungen. Was bedeutet das für Dekra?C. Klinke: Das bedeutet beispielsweise, dass Druckbehälter in Werkstätten oder Aufzüge heute von allen Überwachungsgesellschaften, die ihre Zulassung beantragt und erhalten haben, geprüft werden können. Unsere Business Unit Dekra Norisko Industrial kann sämtliche erforderlichen Dienstleistungen erbringen. GW-ManagementAH: Wo steht der Dekra in Sachen Gebrauchtwagen-Management?C. Klinke: Wir sind sehr früh in das Thema Gebrauchtwagen eingestiegen. Angefangen hat es mit der GW-Börse "FairCar". Zeitgleich mit den Internet-Börsen haben wir das Dekra Siegel entwickelt. Aus dem Siegel hat sich die Gesamtthematik GW-Management entwickelt. Mit dem Dekra CarOperator bieten wir den Autohäusern die komplette Prozesskette an, von der Hereinnahme des Gebrauchtwagens über die Steuerung in der Werkstatt bis hin zum Siegel zum Zeitpunkt der Veräußerung. Das ist ein modularer Prozess; je nach Größe des Autohauses bieten wir den kompletten GW-Prozess an, für kleinere Betriebe sind einige ausgewählte Prozessmodule hilfreich. AH: Wie sieht dies in der Praxis aus? C. Klinke: Die Prozessverlagerung auf Dekra hat in den Betrieben dazu geführt, dass das Gebrauchtwagengeschäft im gesamten Durchlauf eine viel höhere Bedeutung erhält. Wir sind mit einem oder mehreren Mitarbeitern direkt vor Ort in die Prozessabläufe der Betriebe eingebunden. Das ist natürlich abhängig von der Größe des Autohauses. AH: Was steckt als Leistung hinter dem CarOperator, mit dem der Dekra seit 2004 unterwegs ist?C. Klinke: Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die definierten Gebrauchtwagenprozesse im jeweiligen Autohaus auch eingehalten werden. Denken Sie an die Einkaufspreisermittlung. Das bedarf einer gründlichen Herangehensweise. Beispielsweise wird der Verkäufer durch den CarOperator angehalten, die vordefinierten Schritte einzuhalten. AH: Lässt sich der CarOperator in ein normales GW-Managementsystem integrieren oder ist er ausschließlich im Verbund mit dem Dekra Experten einsetzbar?C. Klinke: Es geht mit und ohne Dekra. Wichtig ist: Man kann mit dem CarOperator im Dialog arbeiten. Er kann von einer Plattform aus von verschiedenen Seiten bearbeitet werden. Wir haben quasi eine virtuelle Akte vorliegen. Ob Chef, Verkaufsleiter oder der Dekra Experte, sie alle können Zwischenberichte, Informationen einfügen. Auch aus dem Zweigbetrieb ist einzusehen, welche Fahrzeuge mit welchem Hintergrund vorhanden sind. Oftmals ist der CarOperator gerade für kleinere und mittlere Autohäuser das richtige Instrument, da die Durchlaufgröße für den exklusiven Dekra Experten noch nicht gegeben ist. Wir können aufgrund einschlägiger Erfahrung inzwischen sagen, dass durch die optimierte Prozessstruktur Einsparungen pro Fahrzeug bis zu 500 Euro möglich sind.Dekra-MängelreportAH: Der Dekra-Mängelreport 2008 ist kürzlich erschienen. Er hatte eine große Medienresonanz. Was war der Grund?C. Klinke: Wir sind ganz bewusst neue Wege gegangen. Die Frage war: Wieso schneiden bestimmte Fahrzeuge immer sehr gut, andere weniger gut ab? Der Dekra Mängelreport ist ein GW-Report. Wir berücksichtigen ausschließlich gebrauchtwagentypische Mängel. Abgefahrene Reifen haben beispielsweise nichts mit dem Fahrzeug selber zu tun, sondern mit dem Fahrverhalten und dem Pflegezustand. Ferner sind wir von der Altersbetrachtung zur Laufleistung übergegangen. Denn der Zustand eines Fahrzeuges ist mehr von der Laufleistung als vom Fahrzeugalter abhängig. Wir trennen außerdem noch innerhalb der Typenklassen, also den W 210 und den W 211. Damit kommen wir zu anderen, sehr interessanten und realitätsnahen Ergebnissen. AH: Die deutschen Hersteller schnitten in der neuesten Ausgabe sehr gut ab. Woran liegt das?C. Klinke: Zum einen an dem eben genannten Verfahren. Wir haben nicht nur die Laufleistung beurteilt, sondern auch die Fahrzeugkategorien. Wir vergleichen also nicht den Kleinwagen mit der S-Klasse. Es hatten ja bisher immer die Kleinwagen sehr gut abgeschnitten. Kleinwagen fahren einfach weniger. Tatsache ist außerdem, dass die Hersteller tatsächlich etwas bewegt haben. Die Hersteller reagieren heute in der Mängelbeseitigung viel schneller. AH: Herr Klinke, vielen Dank für das Gespräch.

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