Ausgabe 20/2009: Schwäbischer Autogipfel

KurzfassungEin starkes Stück Deutschland ist die Automobilbranche. Das war die Kernaussage des 10. Tages der Automobilwirtschaft. Das Auto hat seine beste Zeit noch vor sich. Die Zusammenarbeit zwischen allen Branchenbeteiligten muss aber noch verbessert werden. Schwäbischer Autogipfel10. Tag der Automobilwirtschaft E In Geislingen sprachen die Spitzen der deutschen Autoindustrie über den Aufschwung nach der Krise. von doris PlateEs waren alle da, die Rang und Namen haben. Die Teilnehmerliste des Jubiläumskongresses des Instituts für Automobilwirtschaft Anfang Oktober in Nürtingen las sich wie das „Who is Who“ der Autobranche. Prof. Dr. Willi Diez und sein Kollege Prof. Dr. Stefan Reindl hatten gerufen und mit 550 kamen mehr Teilnehmer als je zuvor. Angefangen mit VW-Chef Prof. Dr. Martin Winterkorn über den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, Mercedes-Benz Vertriebschef Joachim Schmidt und seinen BMW-Kollegen Karsten Engel, Ford-Service Chef Jochen Coelsch und ATU-Spitze Dr. Michael Kern gehörten die Redner zur Crème de la Crème der deutschen Autoindustrie. Den Handel vertrat Hans-Jürgen Persy von der Koblenzer Löhr-Gruppe. Der Vorstandsvorsitzende des Mehrmarkenhändlers hielt ein Plädoyer für ein neues Geschäftsmodell: „In der Partnerschaft zwischen Hersteller und Händler muss jede Seite die originär zuzuordnenden Kosten und Risiken selbst tragen.“ Er sah Handlungsbedarf auf beiden Seiten: Die Hersteller müssen nachfrageorientiert produzieren und die Margensysteme den Marktbedingungen anpassen. Der Handel müsse sich hingegen professionalisieren, die Prozesse optimieren und mehr am Kunden orientieren. In der Löhr-Gruppe geschehe dies u. a. durch Spezialisierung: Fuhrpart-Experten, GW-Profit Center, Finanzdienstleistungsberater und eine eigene Rechtsabteilung seien kompetente Ansprechpartner auf ihren Gebieten. Dauer im WechselBereits am Vorabend hatte Burkhard Weller die Anwesenden in einem kurzweiligen „Impuls Statement“ auf die Veranstaltung eingestimmt. Dynamisch in Jeans und Turnschuhen zog der Vorzeigeunternehmer Bilanz für die 15-jährige Geschichte des „Tags der Automobilwirtschaft“. Sein Fazit: Egal, ob über neue Marge, GVO oder sonstwas diskutiert werde – „am Ende regelt‘s der Markt“. Dennoch war es ausgesprochen spannend, wie die hochkarätigen Redner den Markt sehen. VW-Chef Winterkorn zeigte sich vor Kraft strotzend und sprach von der Autobranche als einem „starken Stück Deutschland“. Seiner Meinung nach hat das Auto „seine beste Zeit noch vor sich“. MannschaftsaufstellungDer baden-württembergische Ministerpräsident war außerordentlich gut informiert und appellierte an die Branche, sich gemeinsam dem Wandel zu stellen: „Falscher Ingenieursstolz ist nicht mehr zukunftsweisend“, sagte er an die Adresse von Mercedes und BMW gerichtet, die sich hartnäckig einer Zusammenarbeit verweigern. Zu seiner „Mannschaftsaufstellung“ in Sachen Krisenbewältigung gehörten allerdings nur Hersteller, Zulieferer, IT-Branche, Forschung, Energie und der Staat als Moderator. Der Handel kam nicht vor.Verhalten zeigte sich Mercedes-Vertriebschef Dr. Joachim Schmidt, der erstmals einräumte, dass die Marke mit dem Stern in Sachen Hybrid in der Vergangenheit „den Trend nicht richtig erkannt“ habe. Künftig wolle die Marke „mehrspurig“ fahren und vom Verbrennungsmotor über Hybrid, Plug-In und Elektroantrieb mehrere Konzepte verfolgen. Etwas überheblich erschien Karsten Engel von BMW. Sein Vortrag geriet zu einer Werbung an die ebenfalls zahlreich erschienen Studenten der Fachhochschule, bei dem Premiumanbieter anzuheuern. BMW erwartet jedenfalls von seinem Handel „Dienstleistungen auf höchstem Niveau.“ Er sprach von Händlerqualifizierungsprojekten und Qualitätskontrolle auch in der Handelsorganisation. Auch das Thema Nachhaltigkeit sprach er an, indem er seinen Chef Norbert Reithofer zitierte: „In Zukunft wird Premium durch Nachhaltigkeit definiert.“ aÖkologie ist ToyotaWenn das stimmt, ist Toyota auf jeden Fall Premium. In Sachen Nachhaltigkeit machen die Japaner den deutschen Premiummarken nämlich allemal etwas vor. Sie haben vieles richtig gemacht, und das vor allem früher als andere. Beeindruckend war die Präsentation von Willi Weber und Dirk Breuer, die Vice-President Toyota Deutschland Alain Uyttenhoven in Nürtingen vertraten. „Glaubwürdigkeit ist Kontinuität und Konsistenz“, brachte es Händlernetzentwickler Weber auf den Punkt. Toyota hat nicht nur die Fahrzeuge: Mit dem Prius ist die Marke seit 1995 (!) am Markt und hat bisher schon 1,35 Mio. Hybrid-Modelle weltweit verkauft. Mit umweltfreundlicher Produktion und dem „grünen Autohaus“ geht die Nachhaltigkeitsstrategie beim weltgrößten Hersteller aber noch weiter.Dabei sind die Autohaus-Gebäude nicht nur umweltfreundlich, sondern reduzieren auch die Kosten. Selbst bei Bestandsbauten sind die Ausgaben für den Umbau dank sinkender Energiekosten spätestens nach drei Jahren amortisiert. Mit diesem Umweltengagement spricht Toyota auch jugendliche Kunden und damit die „Welt von morgen“ an – auch das eine Form der Nachhaltigkeit. Kerniger ServiceGelungen war auch die Paarung der beiden Vorträge zum Thema Service. ATU-Chef Dr. Michael Kern sagte dem „konventionellen“ Handel und Service den Kampf an. Seine Discounterstrategie: Arbeiten 20 bis 25 Prozent billiger als die Markenbetriebe anbieten. Auch im Neuwagen-Handel versucht sich die Werkstattkette: In 50 Filialen wird seit April die Vermittlung von EU-Neuwagen getestet. Zahlen dazu nannte Kern nicht. Begeistert kam er wiederholt auf seine „Aktionsangebote“ zurück: Sortimentsfremde Artikel, die, besonders günstig angeboten, für Frequenz sorgen sollen. Derzeit sind es Gillette-Rasierer für weniger als die Hälfte des Preises, bald wird es einen Bohrhammer geben. Damit will ATU die Kunden in die Stationen locken und mehr Aufträge bekommen. So sollen die „Kollateralschäden“ der Abwrackprämie ausgeglichen werden: Die Werkstattkette hatte wegen sinkender Auftragszahlen 2.000 Mitarbeiter entlassen müssen. Viel zurückhaltender gab sich hingegen Ford-Servicechef Jochen Coelsch. Mit der Flatrate hat seine Marke derzeit natürlich auch ein erfolgreiches Beispiel für Lifecycle-Management. Seit der Einführung der Mobilität zum Monatspreis ist der Zubehörabsatz um 30 Prozent gestiegen. Kerns Herausforderung nahm er gelassen: „Qualität zahlt sich am Ende aus.“ Batteriestraße zum SchlussEin Plädoyer für die Elektromobilität hielt am Ende Rolf Schumann. Der Deutschland-Vertreter von Better Place wagte einen Blick in die Zukunft. Das Konzept seines Unternehmens: „Wir trennen die Batterie vom Auto.“ Gegen eine monatliche Gebühr können Fahrer von Elektrofahrzeugen bei einer Vertragslaufzeit von vier Jahren ähnlich wie bei Handy-Verträgen bei dem Anbieter Strom kaufen. Das funktioniert aber nicht über Schnellladung, sondern über Wechselstationen. Der Kunde fährt in eine solche Station wie in eine Waschstraße. Statt Bürsten von der Seite gibt es aber einen Austausch der unter dem Boden befestigten Batterie in einer Minute. Bis 2016 soll so auch in Deutschland ein Massenmarkt bedient werden können. Schau mer mal. zDiesel in Europa, Hybrid in den USA, Bioethanol in Brasilien – mit einem Antriebsmix will die deutsche Autoindustrie den dramatischen Marktveränderungen begegnen. Das wurde auf dem 10. Tag der Automobilwirtschaft in Nürtingen deutlich. „Das Auto der Zukunft wird es nicht geben“, stellte VW-Chef Martin Winterkorn klar. Deshalb müssten die Antriebskonzepte künftig stärker auf die jeweiligen Märkte abgestimmt werden. Den Verbrennungsmotoren sprachen die Referenten noch in den kommenden 20 Jahren die Hauptrolle zu. Daran könne zunächst auch der Trend zu mehr Elektroantrieben nichts ändern, so Winterkorn. Mit dem serienmäßigen Einsatz von Spritspartechnologien sieht sich BMW auf gutem Weg, sich als nachhaltiger Autobauer zu profilieren. „Wir investieren 1.000 Euro pro Fahrzeug für den Einsatz unserer EfficientDynamics-Maßnahmen, ohne die Kosten an die Kunden weiterzugeben“, sagte Deutschland-Vertriebschef Karsten Engel. Dies sei mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal von BMW. Die Münchner forschen auch am Elektroantrieb, und mit X6 und 7er „ActiveHybrid“ haben sie seit April die ersten Hybridmodelle im Programm.Offene Worte fand der neue Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt beim Thema Hybrid: „Wir haben den Hybrid nicht ernst genommen und mussten uns eines Besseren belehren lassen.“ Aufholen wollen die Stuttgarter mit dem S400 Hybrid. Trotz eines Aufpreises von 7.000 € würde sich rund jeder fünfte S-Klasse-Kunde für dieses Modell entscheiden, so Schmidt. Künftig soll die Limousine auch als Plug-In-Variante mit einer leistungsstärkeren Lithium-Ionen-Batterie angeboten werden. Neben Mercedes und BMW will 2010 auch VW sein erstes Hybridauto auf den Markt bringen. Winterkorn kündigte eine Hybridversion des neuen Touareg an. Der große Geländewagen wird im Frühjahr 2010 runderneuert an den Start gehen.Für die Hersteller ist die Hybridisierung nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum reinen Elektroauto. Als viel versprechend gilt v. a. der so genannte „umgekehrte Hybrid“, bei dem die E-Maschine Hauptantriebsquelle ist. Der Verbrennungsmotor fungiert als Notstromaggregat, das die Batterie auflädt und so größere Reichweiten möglich macht. Neben hohen Kosten stellen vor allem die Batterietechnologie und die Infrastruktur zum Aufladen der Akkus die Autobauer noch vor große Probleme. „Ich verkaufe ein Elektroauto nur, wenn die Batterie sicher ist“, betonte Winterkorn.Als ernst zu nehmende Mitbewerber gelten hier die chinesischen Autobauer. Auch dank staatlicher Unterstützung seien sie sehr gut auf den Elektroantrieb eingestellt, sagte VW-Chef Martin Winterkorn. Sie würden den Verbrennungsmotor „überspringen“. Ralf Padrtka

Ausgabe 20/2009: Schwäbischer Autogipfel

Schwäbischer Autogipfel

MEISTGELESEN

Neuer Mercedes CLA: Schwäbischer Super-Stromer im Detail

Regierungsstudie zeigt: So viel bringt ein Tempolimit fürs Klima

Kontakt zwischen Lindner und Porsche-Chef: Finanzministerium muss SMS herausgeben

STELLENANGEBOTE

Kfz-Mechatroniker, Service- / Diagnosetechniker oder Hochvolttechniker (m/w/d)

Werkstattleiter (m/w/d)

Student (m/w/d) Duales Studium Maschinenbau

Strategischer Einkäufer Freizeitfahrzeuge / Caravaning (m/w/d)

Volvo Gebrauchtwagenverkäufer (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER