Von Michael Brehme/dpa
"Schraubenkönig" lässt er sich nicht gern nennen, dabei hat Reinhold Würth ein wahres Imperium aus Schrauben und Dübeln im ländlich geprägten Nordosten Baden-Württembergs erschaffen. Mit 14 machte er eine Lehre im kleinen Handelsbetrieb seines Vaters, mit 19 übernahm er den Laden - und baute ihn zum Weltmarktführer im Vertrieb von Befestigungs- und Montagetechnik aus. Inzwischen hat sich Würth längst aus dem operativen Bereich des gleichnamigen Konzerns zurückgezogen. Doch das Wort des alten Visionärs, der an diesem Montag (20. April) seinen 85. Geburtstag feiert, hat noch immer Gewicht in der Firmenzentrale im hohenlohischen Künzelsau. Würth sagt: "Ich habe theoretisch noch die volle Macht im Konzern in meiner Hand."
Im hohen Alter ist der Milliardär so breit aufgestellt wie selten in seinem Leben. Er betreibt Hotels und Spitzenrestaurants, hat eine einzigartige Kunstsammlung von mehr als 18.000 Werken angehäuft, reist in der Welt umher, verwaltet seinen Reichtum. Würth gilt als einer der reichsten Deutschen überhaupt, taucht regelmäßig im "Forbes"-Milliardärsranking auf. Und wacht quasi nebenher natürlich noch immer über die Entwicklung seines Konzerns.
Würth hält nach wie vor Reden vor den Mitarbeitern, macht seinen Außendienstlern Dampf, mischt sich ein. Die Firma ist noch immer sein Baby, auch wenn er formal keine Entscheidungen mehr trifft. Mag Würth in einigen Punkten auch etwas altersmilde geworden sein, so ist er mit Blick auf die Geschäftsentwicklung ganz der Alte. Was er sehen will, ist Wachstum. Wenn eine Firma nicht mehr wachse, könne sie schnell Probleme bekommen, argumentiert er.
Erfahrung mit Krisen
Diese Haltung macht sich auch und gerade in Zeiten von Corona bezahlt. "Bisher hat die Pandemie keinen allzu großen Schaden angerichtet, das wird jetzt erst kommen und in den Folgemonaten ziemlich dramatisch werden", sagte Würth Anfang April mit Blick auf die weltweite Krise. Sicherlich werde man dann auch Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen. Aber: "Nach heutigem Kenntnisstand werden wir niemanden entlassen, weil wir davon ausgehen, dass ein Medikament oder Impfstoff herauskommt, der das Virus tötet."
Man habe gewisse Erfahrungen aus den Krisenjahren 2008 und 2009, sagt Würth. "Damals brach der Umsatz um 20 Prozent ein, aber wir hatten trotzdem noch 200 Millionen Euro Gewinn im Konzern. Das ermuntert uns einigermaßen, dass wir die Krise auch dieses Mal mit einigen Blessuren, aber ohne große Probleme überstehen werden."
Würth teilt die Entwicklung von Unternehmen in drei Stufen ein: die Phase des Werdens, die Phase des Seins und die Phase des Vergehens. "Ich möchte, dass wir uns so lange es geht in der Phase des Werdens bewegen. Das erreicht man am besten, indem man die Umsätze vergrößert, Firmen zukauft, neue Geschäftsfelder aufmacht - indem man agil und vital bleibt." Schon der darauffolgende Zustand - die Phase des Seins - symbolisiere Stillstand, eine Buchhaltermentalität greife dann um sich und es werde nur noch verwaltet. Unternehmen in diesem Zustand müssten oft ihr Tafelsilber verkaufen, um den Betrieb am Laufen zu halten: "Ich hoffe, dass wir nicht dahin kommen."
Bis zur Corona-Krise sah es jedenfalls nicht danach aus. Die Würth-Gruppe steigerte ihren Umsatz 2019 erneut auf nun mehr als 14 Milliarden Euro - ganz im Sinne des Patriarchen, der im Jahr 2008 unter Beschuss stand: Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Steuerhinterziehung gegen ihn. Würth akzeptierte schließlich einen Strafbefehl und zahlte 3,5 Millionen Euro Strafe. Er versicherte später: "Ich sage Ihnen beim Leben meiner Kinder: Ich habe nie einen Cent Schwarzgeld gehabt. Das war alles aufgebauscht." Er hoffe, dass ihn die Menschen "nicht als Gauner in Erinnerung behalten".
Verkäufer aus Leidenschaft
Würth hat sein Unternehmen wohl auch deshalb so groß machen können, weil er selbst ein passionierter Verkäufer war. "Der Verkäuferberuf ist der schönste auf der ganzen Welt, weil Sie permanent mit allen Sorten von Menschen, die auf Gottes Erdboden leben, in Kontakt kommen", urteilt er. Hin und wieder begleitet er seine Außendienstler noch zu Kundenbesuchen - auch wenn das dann, wie er zugibt, nichts mehr mit dem Verkaufsalltag zu tun hat. Das sei eher wie Kino. "Die Verkäufer kündigen bei unseren Kunden schon vorab an, dass sie nächstes Mal den alten Würth mitbringen. Dann hängen die Kunden extra die Würth-Fahnen raus, und die Frau backt einen Kuchen", berichtet er. "Unter unseren Verkäufern wird es mit Schmunzeln und Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass der alte Gnom da immer noch ein bisschen im Außendienst mitmischen will."
Aus Flugzeug-Cockpits hat sich Würth dagegen schon vor einigen Jahren komplett zurückgezogen - obwohl er jahrzehntelang voller Leidenschaft in die Luft ging. Rund 7.000 Stunden sei er in Fliegern der verantwortliche Pilot gewesen, gut 1.000 Stunden davon sogar ohne einen Co-Piloten, in der Anfangszeit des Unternehmens. "Wenn Sie sparen müssen, haben Sie kein Geld für einen Co-Piloten. Damals war das Unternehmen noch klein, ich musste sehr aufs Geld achten. Also bin ich immer allein auf dem Flugplatz rumgetigert."
Bezeichnend für Würths Entschlossenheit ist die Geschichte darüber, wie er überhaupt zum Fliegen kam. Auf dem Weg zu einem Termin saß er im Auto im Stau. Und dachte sich: Das kann's ja wohl nicht sein. Also kaufte sich Würth kurzerhand eine Cessna, machte einen Flugschein - und kam seinen Zielen von diesem Zeitpunkt an noch schneller näher.
Vor rund 30 Jahren, als der Konzern schon gewaltig gewachsen und Würth schon Milliardär war, überführte er die Firma in Stiftungen, um sie für die Zukunft abzusichern. Zu oft hatte er miterlebt, wie andere Familienunternehmen im Erbgang litten oder zerfielen - spätestens, wenn Enkel oder Urenkel das Sagen hatten. "Ich habe schon die Hoffnung, dass es das Unternehmen in der jetzigen Form auch in 30, 40 Jahren noch gibt, da glaube ich hundertprozentig dran", sagt Würth inzwischen. Wobei eines klar sei: "Nichts ist für die Ewigkeit auf dieser Welt, das zeigt die Wirtschaftsgeschichte deutlich."
Gert