Welche Dimension hat die Garantieversicherung in den 35 Jahren eingenommen, seit die Real Garant Versicherung AG nicht nur national, sondern auch international Partner von Autohäusern, Automobilherstellern und Importeuren vieler Marken ist? AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach darüber mit Lutz Kortlüke, Vorstandsvorsitzender (CEO), Florian Rohkamm CDO (Vertriebsvorstand) und Daniel König (Direktor Vertrieb Deutschland) in der Firmenzentrale in Denkendorf bei Stuttgart.
Herausforderungen in Deutschland und Europa 2023
AH: Worin liegen die großen Herausforderungen der Real Garant für das laufende Wirtschaftsjahr in Deutschland. Und worin für Europa?
L. Kortlüke: Das Jahr 2023 steckt in der Tat voller besonderer Herausforderungen. Zu Beginn des Jahres waren die Gebrauchtwagen noch nicht in der erforderlichen Bestandsmenge am Markt vorhanden. Inzwischen hat sich die Lage sowohl im Gebraucht- wie im Neuwagenbereich spürbar entspannt und in gewissen Segmenten sogar ins Gegenteil verkehrt, insbesondere beim Absatz von Elektrofahrzeugen.
Ein Thema, das in seiner Kraft unterschätzt wird, ist die inflationäre Entwicklung. Stundenverrechnungssätze und Teilepreise sind hiervon in erheblichem Maße betroffen. Das zeigt Wirkung! In den 13 Jahren, in denen ich bei Real Garant Verantwortung trage, haben wir noch nie eine Prämienanpassung nach oben vorgenommen. Leider sind auch deutlich höhere Schadenfrequenzen zu verzeichnen, so dass wir im Ergebnis deutliche Kostensteigerungen haben. Das ist wirklich eine massive Zäsur. Diese Entwicklung gilt es aber innerhalb von Europa von Land zu Land individuell zu analysieren und mit moderaten Anpassungen zu steuern.
Zudem mussten wir zum Jahresbeginn die Garantiemodelle beim Handel anpassen. Aufgrund der Neuregelung durch das Bundesfinanzministerium (BMF) wurde die für den Automobilhandel so wichtige Aussage "mit Garantie" torpediert. Außer eines enorm hohen administrativen Aufwands, galt es letztlich nur, entsprechende EuGH-Vorgaben zu erfüllen. Gleichwohl ist diese Regelung nur in Deutschland umgesetzt worden.
Ein Blick nach Europa. Die Themen Bestandsknappheit, längere Lieferfristen, Inflation sind auch in anderen EU-Ländern eine besondere Herausforderung. Das hat sich im Laufe des Jahres 2023 – es sei positiv vermerkt - deutlich verbessert.
Konjunkturentwicklung
AH: Und wie sieht die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden für das letzte Viertel 2023 aus?
L. Kortlüke: Es herrscht aufgrund diverser grundsätzlicher Unsicherheiten über die konjunkturellen wie gesellschaftlichen Zukunftsentwicklungen leider eine auffällige Kaufzurückhaltung. Diesen diversen dunklen Wolken fordern von uns allen aktive Verkaufstaten. Es gilt, sich viel stärker wieder auf die Kunden zu konzentrieren. Wenn Verkäufe stagnieren oder rückläufig sind und Werkstattumsätze, insbesondere durch die E-Mobilität, unter Druck geraten, darf kein Kunde verloren gehen.
AH: Gibt es hier für Sie spezifische Marktunterschiede oder sind diese Entwicklungen europaweit vergleichbar?
L. Kortlüke: Das ist eine grundsätzliche Entwicklung. Die Kostentendenz zeigt nach oben! Insbesondere der Kostentreiber Inflation ist von Land zu Land mitunter sehr unterschiedlich. Bei manchen Handelsbetrieben kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass da verrechnungstechnisch der Inflationseffekt massiv übertrieben wird.
Zukunftsaspekte
AH: Wie sehen die Planungen der Real Garant für die Folgejahre aus?
F. Rohkamm: Es ist gerade auch aufgrund der aktuellen Gegebenheiten wichtig, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren. Real Garant ist inzwischen ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Zurich Automotive-Strategie. Mit dieser neuen Bedeutung haben wir ein starkes Rückgrat und erhalten die notwendigen Investitionen für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens, sowie für Innovationen, die uns als kompetenten Partner manifestieren und ein solides Sicherheitsfundament für unsere Kunden, also Autofahrer, Handel und Hersteller bilden.
AH: National wie international?
F. Rohkamm: Die Real Garant ist inzwischen in 32 Märkten in Europa aktiv. Wir wollen da die Potenziale in den einzelnen Märkten aktiv heben. Wir arbeiten in jedem Land mit marktkundigen Mitarbeitern, die der Händlerschaft individuell mit unseren Produkten betreut. Also, lokale, länderspezifische Organisationseinheiten. Auch die gesamte Schadenregulierung wird vor Ort geleistet. Die Folge: Schnelle Schadenabwicklung. Das zeigt Wirkung. Finance-, Controlling-, IT-, Marketing-, Rechts- oder auch Personalthemen gestalten wir als Dienstleistung zentral von der deutschen Zentrale in Denkendorf aus.
Wir stellen bei der Internationalisierung unseres Geschäftes eine sehr starke Konzentration fest. Es ist nicht nur so, dass sich die Hersteller international anders positionieren wollen. Es gibt inzwischen auch immer mehr stark wachsende große internationale Automobilhandelsgruppen, die sich vor allem europäisch positionieren. Hier sei beispielhaft die größte, die Emil Frey-Gruppe, genannt, mit der wir in einigen Ländern ganz erfolgreich kooperieren. Oder nehmen sie den Expansionsdrang großer Handelsgruppen aus den USA, Großbritannien oder auch Skandinavien, die aktuell in Europa zukaufen. Derartigen Marktveränderungen erzeugen auch bei Real Garant notwendige Anpassungen, auf die wir heute organisatorisch wie personell viel schneller reagieren müssen.
Produktofferte
AH: Werden EU-weit dieselben Produkte wie in Deutschland vertrieben?
Rohkamm: Die IT-Systeme haben wir einheitlich ausgelegt. Die Produktidee ist ebenso die gleiche. Die Variabilität liegt in den Produktinhalten. Da gilt es individuell von Land zu Land Maßanzüge zu gestalten.
Real Garant & Zurich
AH: Welche Bedeutung nimmt heute Real Garant in dem großen Versicherungskonzern Zurich wahr?
L. Kortlüke: Wir sind eine Tochter der Zurich Gruppe Deutschland. Aufgrund unserer Platzierung in ganz Europa sind wir inzwischen auch für die globale Zurich-Gruppe von Bedeutung. Da Zurich in den meisten Ländern Europas auch mit eigenen Kfz-Versicherungsprodukten unterwegs ist, versuchen wir hier zukünftig die Kooperation mit den jeweiligen Landeseinheiten der Zurich zu vertiefen und über eine gemeinsame europäische Automotive-Strategie die Produktlandschaft für unsere Handelspartner weiter auszubauen.
AH: Wachstum bedeutet Anpassung, auch personell, auch in der Führungsstruktur?
L. Kortlüke: Das ist der Grund, weshalb wir die Führungsstruktur der Real Garant erweitern. Mit Florian Rohkamm haben wir seit Mai 2023 einen Vertriebsvorstand, der den Vertrieb, das Produkt- und Vertragsmanagement, sowie den Kundenservice und die Marketingaktivitäten verantwortet. Weitere Anpassungen werden folgen.
Wachstum
AH: Worin liegt das starke Wachstum begründet, das Real Garant seit Jahren vorlegt?
L. Kortlüke: Entscheidend ist eine stets gute Dienstleistung durch kompetente und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierbei haben wir uns aber nicht nur auf das Kernprodukt "Garantie" konzentriert, sondern wir haben sukzessive eine umfangreiche Produktlandschaft entwickelt, die vollumfänglich auf die Kundenloyalität ausgerichtet ist. Der Autokäufer soll möglichst durchgängig, aber vor allem im Schaden- und Wartungsfall, zum Automobilhandel und bestenfalls zum verkaufenden Händler zurückgeführt werden. Nochmals, das ist eine europäische Strategie, was auch für die Hersteller und die großen Handelsgruppen wesentlich ist. Es geht also um die Internationalisierung in Gesamt-Europa und um eine umfassende und zielgerichtete Produktlandschaft, die für Handel und Hersteller eine ganz andere Perspektivendimension schafft.
Produktlandschaft
AH: Wie setzt sich diese Produktlandschaft zusammen?
D. König: Im Zentrum steht natürlich weiter die Garantie. Durch die rechtlichen Veränderungen ist in Deutschland neben der Garantieversicherung nun auch die Reparaturkostenversicherung von Bedeutung. Flankiert wird das Kernprodukt von der Mobilitätsversicherung, um die Kunden im Pannen- und Schadenfall in die Werkstätten unserer Partner zu steuern. Nicht zu vergessen ist der Kundenkontakt im Rahmen der fälligen, vom Hersteller vorgegebenen Wartungsarbeiten. Hierzu bieten wir den Abschluss von Wartungsverträgen für Neu- und Gebrauchtwagen an. Um Abschluss und Leistungsabwicklung bei diesen Produkten zu vereinfachen, arbeiten wir verstärkt an digitalen Lösungen.
AH: Wo steht man in Sachen Neuwagen-Anschlussgarantie?
D. König: Trotz der in den vergangenen Jahren angepassten und verlängerten Werksgarantien der Hersteller, ist die Neuwagen-Anschlussgarantie für Real Garant immer noch ein äußerst probates Instrument, um die Qualität des Fahrzeugs zu untermauern und den Kundenbindungsansatz zu intensivieren. Wichtig ist, nicht nur das Verkaufsargument "Garanti"“ zu nutzen, sondern vor allem den Kunden über die Haltedauer optimal zu bedienen. Der Kunde, der bleibt, wird zukünftig der eigentliche Ertragsfaktor des Unternehmens sein, zumal das Werkstattgeschäft durch die Elektromobilität zurückgeht. Deshalb gilt es, das Segment der Elektrofahrzeuge und insbesondere derer Antriebsaggregate genauer zu betrachten. Wenngleich es aktuell noch langjährige Garantiezusagen der Hersteller auf die Hochvoltbatterien gibt, gehen wir davon aus, dass diese zukünftig den Laufzeiten der Werksgarantien angepasst werden und Real Garant in puncto Laufzeiten und Laufleistungen eigene Produkte kreieren muss, die dann auch die Batterie einschließen.
Garantie und E-Auto
AH: Was lässt sich grundsätzlich zur GW-Garantie bei E-Autos sagen?
D. König: Wir befinden uns bei der Elektromobilität sicher noch in der Phase, die Risiken richtig einzuschätzen. Umso wichtiger, frühzeitig mit starken Garantieprodukten unsere Partner zu unterstützen. So haben wir beispielsweise mit Hyundai Deutschland für alle Hyundai-Elektrofahrzeuge ein gemeinsames Produkt entwickelt, das die achtjährige Garantielaufzeit der Batterie auf das gesamte Fahrzeug ausweitet. Eine Qualitätsaussage, die im deutschen Markt auf eine tolle Resonanz gestoßen ist.
AH: Was machen die anderen Marken in Sachen GW-Garantie für Elektrofahrzeuge?
F. Rohkamm: Wichtig ist, den Zustand der Hochvoltbatterie richtig zu bewerten und genau zu definieren, wann die Tauglichkeit einer Batterie nicht mehr gewährleistet ist. Die Batteriequalität lässt sich heute messen. Und da stehen wir mit diversen Anbietern im Gespräch, die den Zustand der Batterie bewerten und einschätzen können, wann eine Batterie nicht mehr dem Level entspricht, um die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugs zu ermöglichen. Auf diesen Zustand richten wir den Garantieanspruch aus. Wir sind gut vorbereitet auf die Transformation zur E-Mobilität.
Neue Zielgruppen
AH: Gibt es neue Ideen für neue Zielgruppen?
L. Kortlüke: Die gibt es und dennoch wollen wir unsere Grundphilosophie nicht ändern. Wir sind Partner des Automobilhandels und der Automobilhersteller. Der Händler vergibt die Garantie und wir versichern seine Garantiezusage. Somit ist Kundenbindung garantiert! Mit der nun "quasi per Gesetz" hinzugenommenen Produktvariante Reparaturkostenversicherung versichern wir direkt den Endverbraucher. Das bedeutet nun nicht, dass wir unseren Auftrag, den Kunden zum Handel zurückzuführen, vernachlässigen; es bietet uns gleichwohl neue Produktchancen. Wir haben zwischenzeitlich eine digitale Antragsstrecke entworfen, über die wir in Abstimmung mit unseren Partnern die Endverbraucher direkt ansprechen und ihnen im Namen unserer Partner eine Garantie offerieren. Der Start ist sehr erfolgreich verlaufen und nun gilt es, im Schadenfall die Kunden in unsere Partnerbetriebe zu leiten. Diesen Ansatz wollen wir zukünftig natürlich auch gemeinsam mit unserem Aktionär, der Zurich, nutzen. Also immer Kundenloyalisierung im Interesse unserer Partner.
Laufzeit
AH: Was tut sich in Sachen GW-Garantielaufzeit?
F. Rohkamm: Es gibt noch die einjährige Garantielaufzeit für Gebrauchtwagen, wir haben aber inzwischen auch hochflexible und individuelle Lösungen. In Ungarn garantiert Suzuki seine Fahrzeuge über einen Zeitraum von zehn Jahren, Subaru in Italien vergibt auf alle Neufahrzeuge eine 8-Jahres-Garantie. Die Laufzeit lässt sich aber auch auf monatlicher Basis gestalten; wunschgemäß auch ohne Enddatum, mit monatlicher Zahlleistung. Also, wir haben heute die individuelle Flexibilität der Laufzeit.
Potenziale
AH: Was kann der Autohandel aus ihrer Sicht noch besser machen? Ist es selbstredend, dass heute jeder Gebrauchtwagen mit Garantie verkauft wird?
L. Kortlüke: Das wäre das Ideal. Die Garantie ist ein Qualitätsversprechen und ein Qualitätsversprechen sollte man nicht separat verkaufen. Wenn ich ein hochwertiges Produkt wie ein Auto verkaufe, dann muss die Garantie integriert sein, um die Qualität des Fahrzeugs zu dokumentieren. Ansonsten reduziere ich die Garantiezusage auf eine reine Risikoabsicherung und verliere dadurch ein zentrales Verkaufsargument. Diese ganzheitliche Qualitätssicht hat sich bei vielen in den letzten Jahren positiv durchgesetzt. Unsere klare Empfehlung ist, die jeweilige Garantie immer in den Verkaufspreis einzukalkulieren. Das dient der Kunden- als auch der Werkstattbindung. Dieser Aspekt spielt auch zukünftig bei der Wandlung zu mehr E-Autos eine wichtige Rolle.
Digitalisierung
AH: Die App, die Sie aufgelegt haben ist eine Kunden-App?
F. Rohkamm: Ja! Der Kunde ist im Einvernehmen mit dem garantiegebenden Händler mit uns verbunden. Wir können so rechtzeitig vor Garantieablauf die Fortsetzung anbieten usw. Die Datenschutzvorgaben sind dabei berücksichtigt.
AH: Wie beschäftigt sich Real Garant mit den Themen Digitalisierung, Automatisierung und KI?
F. Rohkamm: Das betrifft verschiedene Bereiche und wird uns fortlaufend beschäftigen. Denken Sie an das digitale Antragswesen und das in jeder Art. Oder auch die digitalen Schadenmeldungen. Das wird immer wichtiger. Oder denken Sie im Schadenfall an den digitalen Datenzugriff zum jeweiligen Fahrzeug. KI begleitet uns beispielsweise bei häufig wiederkehrenden Schäden, um vergleichen zu können. Das hilft in der gesamten Optimierung der Prozesse, und hilft, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
L. Kortlüke: Dennoch im Klartext, der Mensch wird bei uns nicht ersetzt. Wir werden auch künftig die Händlerbetreuung nicht über KI machen, sondern uns auf die Prozesse konzentrieren, die das Zusammenwirken vereinfachen, aber Dienstleistung und Service dort, wo es einfach zwingend erforderlich ist. Und es ist Aufgabe unseres Vertriebes, in direkter persönlicher Kommunikation aktive Hilfestellung im jeweiligen Markt zu geben.
AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!