Gebrauchtwagen: Positive Aussichten

Über die Entwicklungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt 2024 und die Vorschau auf das kommende Jahr haben wir mit dem Experten Prof. Dr. Stefan Rostek gesprochen. Er lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt und berät Unternehmen mit seiner Rostek Consulting GmbH. AH: Herr Prof. Rostek, wie beurteilen Sie den Gebrauchtwagenmarkt 2024? S. Rostek: Alles in allem kam der GW-Markt in 2024 freundlicher daher als erwartet. Die berechtigte Sorge war ja, dass das Angebot mit aller Wucht wieder zurück in den Markt kommt und die Nachfrage bei hohen Zinsen, hoher Inflation und allgemeiner Unsicherheit auf sich warten lässt. Ich bin mir sicher, dass diese Situation zahlreiche Betriebe vor große Probleme gestellt hätte. Stattdessen ging und geht die Rückkehr zur Vor-Corona-Situation weiterhin im gemächlichen Tempo voran: Zwar steigt das Fahrzeugangebot wieder, aber die Nachfrage für die gesteigerte Menge an Fahrzeugen ist erfreulich gut. Zahlen dazu: Zum Ende des dritten Quartals lagen die Besitzumschreibungen um acht Prozent höher als 2023, gegenüber 2022 sind es gar 15 Prozent. Damit erholt sich das GW-Geschäft mengenmäßig deutlich schneller als das NW-Geschäft. Zwar liegen wir bei den Besitzumschreibungen noch immer rund zehn Prozent unter den Jahren 2017 bis 2019, bei den Neuzulassungen ist der - vielleicht dauerhafte - Rückgang allerdings mit fast 25 Prozent gegenüber diesen "fetten" Jahren wesentlich gravierender. AH: Wie haben sich die Entwicklungen auf das GW-Geschäft des Fachhandels ausgewirkt? S. Rostek: Dass die Rekordergebnisse der letzten Jahre zahlreicher Betriebe, die der Formel "wenig Ware, dafür viel Gewinn" folgten, schwer zu toppen wären, war - wie ich meine - jeder verantwortlichen Führungskraft klar. Die meisten Betriebe steuern 2024 auf ein auskömmliches GW-Ergebnis zu. Die im Vergleich zu den Rekordjahren sich normalisierenden Erträge pro Fahrzeug werden in der Vielzahl der Häuser durch wieder ansteigende Absatzzahlen weitestgehend kompensiert. AH: Wie haben sich die Restwerte und Preise entwickelt? Nach der Hochphase in 2022 scheinen sich die Preise weiterhin auf einem höheren Niveau als vor Corona zu bewegen? S. Rostek: Völlig richtig, die Preise sind nicht zurück auf Vor-Corona-Niveau. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Neuwagenpreise in den letzten vier Jahren durchschnittlich um zehn bis 15 Prozent zugelegt haben. Soll heißen: Prozentual zum Neupreis sind die Restwerte - zumindest von Jahreswagen - schon wieder da, wo sie vorher waren, also je nach Modell bei 70 bis 80 Prozent. Absolut gesehen sind die Preise aber um die allgemeine Preissteigerung höher. Die Rückläufer aus Leasing/Finanzierung pendeln sich entsprechend unterhalb ein, wenngleich mit geringerem Delta eher bei 60 bis 65 Prozent, hier sind die Restwerte, also erzielbaren Marktpreise, auch prozentual etwas höher. Das liegt daran, dass hier die Neuwagen-"Delle" der Jahre 2021/22 nun mit drei Jahren zeitlichem Versatz das Angebot verknappt, was bekanntlich für stabile Preise sorgt. Hier rücken die Preise einjähriger und dreijähriger Fahrzeuge bei einzelnen Modellen schon beinahe absurd nah aneinander. AH: Die Preise für Elektrofahrzeuge (BEV) nehmen eine Sonderstellung ein? S. Rostek: Völlig korrekt. Bei den BEV-Fahrzeugen sehen wir wettbewerbsbedingt hohe Nachlässe im Neuwagengeschäft, die Jahreswagenpreise ziehen entsprechend nach, hier sind 50 bis 60 Prozent Restwert für junge Gebrauchte eher die Regel als die Ausnahme. Die drei bis vier Jahre alte Leasingware gibt es hingegen noch gar nicht bei jedem Modell. Andererseits wird auch durch das zumindest bei den deutschen Marken im BEV-Bereich dominierende Agenturmodell noch einiges von den Herstellern abgefedert. Da ich ja die Vertriebspolitik der Hersteller oft kritisiere, an dieser Stelle auch mal ein anerkennendes Wort: Die von Volkswagen im ersten Halbjahr praktizierte Idee, die drei Jahre alten ID-Modelle über attraktive Konditionen im Gebrauchtwagenleasing in einen zweiten Zyklus zu geben, halte ich für eine äußerst intelligente Variante der Restwertsteuerung, welche das Agenturmodell als Möglichkeit eröffnet. AH: Gerade mit BEV hat sich der Handel ja schwergetan. Wie entwickeln sich Angebot und Nachfrage bei gebrauchten E-Autos? Ist die Talsohle durchschritten? Wie geht es weiter mit diesem Markt? S. Rostek: Ja, es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer: Zum Ende des dritten Quartals 2024 haben wir fast doppelt so viele BEV-Besitzumschreibungen wie im Jahr davor. Allerdings machen diese gerade einmal 2,5 Prozent aller Gebrauchtwagen-Deals in Deutschland aus, dieses Jahr werden wir auf rund 180.000 BEV-Besitzumschreibungen zusteuern. Das große Problem für die Branche ist aber, dass das Angebot aktuell viel schneller wächst als die Nachfrage. Um das mit Zahlen zu veranschaulichen: Rechnen wir einmal sehr optimistisch, dass sich die eben genannte Nachfrage des Jahrs 2024 im kommenden Jahr nochmals verdoppelt, das wären 360.000 gebrauchte Elektrofahrzeuge als Verkaufspotenzial in 2025. Demgegenüber kann man gedanklich die BEV-Neuwagenabsatzmenge des Jahres 2022 stellen. Denn da die Leasing-/Finanzierungsquote dieser Fahrzeuge bei über 90 Prozent lag, ist das die Ware, die mit Sicherheit nächstes Jahr im GW-Markt zu erwarten ist. Das sind bereits 470.000 Fahrzeuge, die in den Markt fließen, hinzu kommen ausgesteuerte Jahreswagen, Tageszulassungen. Darüber hinaus wird auch noch Ende 2024 ein erheblicher Restbestand an E-Fahrzeugen im Markt sein, aktuell stehen rund 60.000 gebrauchte BEV-Fahrzeuge auf den GW-Höfen. Es liegt also auf der Hand, dass sich selbst bei höchst optimistischer Annahme der Nachfrage das Überangebot noch verstärken wird. AH: Wie sollten die Autohausbetriebe mit dieser Situation umgehen? S. Rostek: Zum Glück ist das geschilderte Szenario ja wie vorhin bereits angedeutet nicht nur ein Problem des Handels, da dieser bei vielen Marken nicht Restwertgarant für die BEV-Fahrzeuge ist. Wenn der zu erwartende Leidensdruck der Hersteller hier groß genug ist, kann sich der Handel mit gebrauchten BEV-Fahrzeugen durch sehr günstige Händlereinkaufspreise durchaus lohnen. Hier werden die Zukaufschancen weiterwachsen, insbesondere der risikolose Direktverkauf von Ware des Herstellers an den Kunden erscheint hier eine attraktive Variante. Wer mutiger ist und Ware auf eigenen Bestand kauft, muss hingegen zwingend richtig schnell sein, denn keiner weiß, ob die Einkaufspreise zwei Wochen später nicht noch niedriger sind. Das ist dann etwas für echte GW-Profis. AH: Die Standzeiten steigen wieder an. Wird das Geschäft schwieriger? S. Rostek: Schwieriger als in den Ausnahmejahren zuletzt, ja! Aber die Erhöhung der Standzeiten in den Beständen ist keine zwangsläufige Folge. Viele Preisverantwortliche haben sich in den letzten Jahren zu sehr daran gewöhnt, dass sich Fahrzeuge oft von selbst verkaufen bzw. regelmäßige Preisanpassungen entbehrlich sind, weil irgendwann doch noch ein Kunde über das Fahrzeug stolpert. Bei wachsendem Angebot wird dieses Verhalten nun aber wieder zu einer Wette, die das Autohaus öfter verliert als gewinnt. Mein Eindruck: Wer die Standzeit als KPI seines Betriebs ständig trackt und vielleicht sogar darauf sein Team ansteuert, hat schon schwierigere Jahre als 2024 erlebt. AH: Die hohen Zinsen belasten die Autohäuser. Sollen die Bestände reduziert werden? S. Rostek: Mit einem Augenzwinkern: Wer mich kennt, weiß, dass ich beim Vorschlag einer Bestandsreduzierung selten Nein sage, aus welchem Motiv sie auch kommen mag. Nein, im Ernst: Ein gegebenenfalls im Ergebnis kurzfristig schmerzhaftes Auskehren des Altbestands senkt natürlich unmittelbar die Zinslast der Bestandsfinanzierung. Das ist für mich aber nur ein angenehmer Nebeneffekt. Die Philosophie sollte im professionellen GW-Geschäft andersherum sein: Effiziente und schnelle Prozesse in Hereinnahme, Pricing und Verkauf sorgen für eine Erhöhung des Umschlagsfaktors, für kürzere Standzeiten bis Verkauf und dadurch vor allem für geringere Wertverluste, also höhere Deckungsbeiträge! In der Konsequenz dieses schnellen Umschlags reduziert sich die Bestandsgröße von alleine, und zwar dauerhaft! Es ist also eine Win-win-Situation. AH: Welche Faktoren beeinflussen das GW-Geschäft darüber hinaus bzw. was erwarten Sie für das GW-Jahr 2025 insgesamt? S. Rostek: Hinsichtlich der Benzin- und Dieselfahrzeuge dürfte das GW-Geschäft auch im nächsten Jahr sich nicht allzu sehr von 2024 unterscheiden, externe Einflüsse einmal ausgenommen. Sollte zum Beispiel bei der Bundestagswahl im Februar eine konservativ geführte Regierung gewählt werden und diese sich Italiens Antrag anschließen, das von der EU beschlossene Verbrenner-Aus bis 2035 frühzeitig zu prüfen und gegebenenfalls wieder zu kassieren, könnte das natürlich einen weiteren Nachfrageschub für Verbrenner bedeuten. Bei der BEV-Ware erwarte ich persönlich keine staatliche Gebrauchtwagenprämie, hingegen sind Neuwagenprämien und -anreize aus GW-Sicht ja eher schädlich. Ungeachtet von staatlichen Subventionen werden aber die Hersteller direkte oder indirekte Kundenkaufanreize für gebrauchte BEV-Fahrzeuge etablieren. Mercedes hat hier mit der Erweiterung der Jungen-Sterne-Garantie auf fünf Jahre bereits einen meines Erachtens guten ersten Test-Ballon gestartet, der sogenannte Flex-Bonus ist ein weiteres aktuelles Beispiel. Hier wird es Aufgabe des Handels sein, dass diese Kauf-Incentives der Hersteller kommunikativ auch beim Kunden ankommen. AH: Herr Prof. Rostek, vielen Dank für das Gespräch!

Pkw-Markt im November: Sondereinflüsse und Hybride prägen das Bild

ZDK-Forderungen zur Bundestagswahl: "Mobilität ist mehr als nur ein Grundbedürfnis"

Absatz von Elektroautos: Weit hinter den Erwartungen

VW Golf: Kommt der Bestseller bald aus Mexiko?

Mazda-Handel: Schneider Gruppe übernimmt Autohaus Schulze & Pohle

Alle Schlagzeilen

Gebrauchtwagen: Positive Aussichten

HASHTAG

#AUTOHAUS next

Aftersales-Strategie: Gegen den Servicerückgang

Händlerprognosen: Automarkt unter Druck

Jahresauftakt: Challenge 2025

MEISTGELESEN

Stellantis: Deutschland-Geschäft unter neuer Leitung

VW-Warnstreik: IG-Metall-Chefin "stinksauer und fassungslos"

KBA-Segmentübersicht: Vier neue Spitzenreiter

STELLENANGEBOTE

Finanz- oder Bilanzbuchhalter (m/w/d)

Volkswagen Kfz-Mechatroniker (m/w/d)

KFZ - Mechatroniker (M/W/D) - Ferrari

Leiter IT (w/m/d)

Werkstattmeister Karosserie (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER