Applaus für Arbeitsminister Heil und die Betriebsratschefin Cavallo, "Buh"-Rufe für Konzernchef Blume: Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg machten mehr als 20.000 ihrem Unmut über den Sparkurs bei Volkswagen Luft. Während Oliver Blume die geplanten Einschnitte verteidigte, forderte Daniela Cavallo den Vorstand auf, von seinen Maximalforderungen abzurücken. Sonst könne es keinen Kompromiss geben. Arbeitsminister Hubertus Heil, der auf Einladung Cavallos als Gastredner sprach, äußerte klare Erwartungen, wie es in dem Streit um Lohnkürzungen, Werkschließungen und Entlassungen weitergehen sollte: "Es muss gemeinsam gelingen, die VW-Standorte in Deutschland zu sichern", sagte der aus der Region stammende SPD-Politiker laut Teilnehmern. Und: "Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben", so Heil. "Das ist ganz klar." Heil hat seinen Wahlkreis direkt neben Wolfsburg, dem Hauptsitz von VW.
Europas größter Autobauer fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns zehn Prozent Lohnkürzung. Zudem stehen Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen im Raum. Die Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt. IG Metall und Betriebsrat fordern ein Zukunftskonzept für alle Standorte - ohne Werkschließungen und Massenentlassungen.
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Blume verteidigt Sparkurs
Blume verteidigt bei dem nicht öffentlichen Belegschaftstreffen den harten Sparkurs: "Die aktuelle Situation ist ernst", sagt er laut Mitteilung. "Deshalb braucht es dringend Maßnahmen, um die Zukunft von Volkswagen abzusichern." Die Produkte der Marke seien gut, doch die Kosten zu hoch. Das müsse sich ändern. "Wir können die besten Autos der Welt bauen", so Blume. "Das spielt aber keine Rolle, wenn wir damit kein Geld verdienen." Von den Beschäftigten war Blume bereits beim Betreten der überfüllten Werkshalle ausgebuht worden, berichten Teilnehmer. Auch während seiner Rede wurde er immer wieder von lautem Unmut der Mitarbeiter unterbrochen. In Sprechchören skandierten die Mitarbeiter immer wieder: "Streikbereit! Bundesweit!"
"Wir erwarten Antworten!"
Auf Transparenten gingen die Mitarbeiter das Management direkt an. "Wann spart der Vorstand?", war auf einem zu lesen. "Alle Werke müssen bleiben!" wurde auf einem Flugblatt gefordert, das direkt unter dem Namen des Konzernchefs am Podium angebracht war. In großen Lettern machten die Mitarbeiter im Saal klar, was sie sich vom Auftritt des Konzernchefs erhofften: "Wir erwarten Antworten!" Doch wirklich Neues zu den Plänen des Konzerns habe man dann nicht erfahren, berichteten Teilnehmer. Am Ende sei Blume regelrecht niedergebuht worden, berichteten Teilnehmer.
Cavallo fordert Kompromiss ein
Cavallo dagegen forderte den Konzernchef zu Zugeständnissen auf. "Ohne, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegen, wird es kein Verhandlungsergebnis geben", sagte sie laut Redemanuskript. Die IG Metall sei mit ihren eigenen Sparvorschlägen einen Schritt auf das Unternehmen zugegangen. Jetzt erwarte sie dies auch vom Unternehmen. "Sonst ist es ja kein Kompromiss." Zugleich betonte Cavallo: Werksschließungen, Massenentlassungen und Einschnitte ins monatliche Entgelt kämen für die Arbeitnehmerseite weiterhin nicht infrage. Die IG Metall hatte angeboten, eine mögliche Lohnerhöhung vorerst nicht auszuzahlen, sondern in einen Zukunftsfonds einzubringen. Im Gegenzug sollte VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten.
VW weist IG-Metall-Vorschlag zurück
VW hatte das als unzureichend zurückgewiesen. Blume sprach nun zumindest von einem "Startpunkt", der aber bei Weitem nicht ausreiche. "Deshalb müssen wir weiter verhandeln und gemeinsam an messbaren und vor allem nachhaltigen Lösungen arbeiten."
Fast 100.000 nahmen an Warnstreik teil
Erst am Montag hatten Zehntausende vor dem Vorstandshochhaus gegen die harten Sparpläne des Konzerns protestiert, 47.000 traten allein in Wolfsburg für zwei Stunden in den Warnstreik. An allen neun betroffenen Standorten zusammen waren es laut Gewerkschaft sogar fast 100.000.
Am kommenden Montag treffen beide Seiten zur vierten Verhandlungsrunde zusammen. Cavallo erwartet dann eine Weichenstellung: "Entweder raufen wir uns zusammen und fangen an, ernsthaft Kompromisse in Angriff zu nehmen. Und zwar auf beiden Seiten", sagte sie. "Oder aber der Vorstand beharrt auf seinem Standpunkt, und es eskaliert."
Ihr Ziel sei weiter eine Einigung bis Weihnachten. Doch die Zeit werde knapp. "Es ist am Vorstand, wie es hier weitergeht vor Weihnachten", sagte sie in Richtung des Konzernchefs. "Der Ball liegt in Ihrer Hälfte!"