Ausgabe 03/2007: Niederlassungen-Konzepte auf dem Holzweg: In ...

Niederlassungen-Konzepte auf dem Holzweg: In diesen Wochen zogen Renault, Peugeot und Volks-wagen Aufsehen erregende Konsequenzen aus der Entwicklung ihrer Eigengeschäfte. Auf IrrwegenVon Doris PlateAnspruchsvolle Kunden, hohe Standards, niedrige Margen, Rabattschleuderei, überzogene Verbraucherrechte. Die Herausforderungen für den Autohandel sind mannigfaltig. Und viele Händler fühlen sich durch ihren Importeur oder Hersteller zusätzlich behindert statt unterstützt. Die von manchen scherzhaft "volkseigene Betriebe" genannten Niederlassungen sorgen zudem immer wieder für Verwerfungen in der Vertriebslandschaft. Mit unverständlichen Rabatten machen sie vermeintlich zusätzliche Stückzahlen – auf Kosten aller. Dennoch geht auch dieses Konzept immer öfter nicht auf. Kurz vor Weihnachten gab es wieder einmal Schlagzeilen, die aufhorchen ließen: Renault schließt vier von fünf Standorten der Niederlassung Rhein-Neckar. Wie ein Sprecher des Importeurs mitteilte, ist mangelnde Rentabilität der Grund. Für die Betriebe in Worms, Heidelberg und Mannheim kam das Aus Ende Dezember, die Zentrale in Heilbronn soll Ende März geschlossen werden. Nach dem derzeitigen Stand wird nur eine Filiale überleben: Die Betriebsstätte in Speyer wird voraussichtlich von einem Investor übernommen werden. Damit beendet Renault ein unrühmliches Engagement, das erst 2004 begonnen hat. Damals hat der Importeur das in finanzielle Schwierigkeiten geratene Autohaus Friedrich übernommen und daraus die Niederlassung Rhein-Neckar gemacht. Verpflichtungen aus Leasinggeschäften, die sich negativ auf die Liquidität ausgewirkt haben, sowie die damals alle Renault-Händler beutelnden Probleme mit dem Modell "Laguna" hätten Friedrich in die Bredouille gebracht, munkelte man hinter vorgehaltener Hand. Erst Gebiet "freigeräumt"Eine traurige Geschichte, denn noch wenige Jahre vorher hat Renault das Gebiet für den sich anschickenden "Mega-Händler" Friedrich freigeräumt. Eines der Opfer war damals der Heidelberger Renault-Händler Jelinek. "Vor sechs Jahren servierten die Pariser Konzernherren das alteingesessene Autohaus Jelinek ab, das mit Renault 50 Jahre lang verbunden war. In Frankreich hatte man sich die Großraumhändlerstrategie ausgedacht, da war kein Platz mehr für kleine Händler mit treuer Kundschaft", schrieb die Rhein-Neckar-Zeitung. Ironie des Schicksals: Jelinek, der inzwischen Seat- und Skoda-Händlerverträge hat, wird wohl jetzt einer der Nutznießer der Schließung sein. Der Händler, der seine treuen Kunden weiter bedient hat, könnte sich durchaus vorstellen, wieder für die Marke tätig zu werden. Auch Jürgen Bellemann, Renault-Händler aus dem benachbarten St. Leon-Rot, sollte damals dem Autohaus Friedrich angeschlossen werden. Es gelang ihm, das zu verhindern – und jetzt verhandelt er mit Renault über die Übernahme des Betriebs in Speyer. Er sieht gute Chancen, diese Filiale profitabel führen zu können. Neue Händler gesuchtDoch was passiert mit den anderen Kunden? Immerhin lässt Renault mit den Schließungen eine ganze Region brachliegen. "Wir wollen versuchen, die Standorte wieder neu zu besetzen", heißt es aus der Zentrale in Brühl. Für viele Händler ein ungeheuerlicher Vorgang. "Für die Öffentlichkeit ist das kein gutes Signal", formuliert es Renault-Händler Fritz Kuckartz sehr vorsichtig. Andere Händler, die nicht genannt werden wollen, werden deutlicher: "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff", heißt es da. "Der deutsche Markt hat keine Priorität." "Das dokumentiert, dass Renault gnadenlos vorgeht." "Es wird kein Ausweg aufgezeigt, wie Händler Geld verdienen können." Gerade hat Renault nämlich eine Margenkürzung vorgenommen. "Im Januar werden uns die Neufahrzeuge mit acht Prozent fakturiert", sagt ein Händler bitter. Ganz so schlimm bleibt es nicht, aber die Margenkürzung um 0,8 Prozent in diesem Jahr und um jeweils ein weiteres halbes Prozent in den beiden nächsten Jahren ist beschlossen. Peugeot verkauft an starken PartnerAber nicht nur Renault hat ein Problem mit seiner Niederlassung, auch in anderen Organisationen wird an dieser Front gekämpft. So hat Peugeot seine Niederlassung Nordhessen in Lohfelden zum 2. Januar an die Glinicke Autohandelsgruppe verkauft. Der Importeur beabsichtigt sich von weiteren eigenen Filialen zu trennen, "sofern starke Partner Interesse zeigen". Die Glinicke-Gruppe ist ein solcher Partner und Geschäftsführer Carsten Bachmann und Peter Glinicke haben schon so manche Maßnahme zur Verbesserung der Rentabilität besprochen. So wird der Betrieb so schnell wie möglich an einen attraktiveren Standort umziehen. Dort wird Peugeot auch eine größere Werkstatt zur Verfügung stehen, in der dann auch Karosserie-Arbeiten durchgeführt werden können. Auch werden dort größere Ausstellungsflächen für Gebrauchtwagen zur Verfügung stehen. "Der neue Geschäftsführer Fabian Becker hat schon die Ärmel hochgekrempelt", teilte Peter Glinicke mit. Unter Beckers Leitung soll der Peugeot-Betrieb künftig kaufmännisch geführt werden. Ständige FührungswechselDas Fehlen kaufmännischer Führung ist nämlich ein Problem, das im Zusammenhang mit Niederlassungen oft genannt wird. "Es gibt mehr Offiziere als Soldaten" ein anderes. Manche nennen dieses Phänomen auch "opulente Personalausstattung". Und: Trotz der vielen Menschen fehlt oftmals die Kundenorientierung, denn die Betriebe sind völlig auf Vertrieb und dabei auch oft auf das schnelle Absetzen von großen Stückzahlen fokussiert. Zu kurz kommt dabei der Service, was sich dann unter anderem in schlechter Erreichbarkeit und zu kleiner Werkstatt dokumentiert. Sicher, man kann nicht alle Niederlassungen über einen Kamm scheren und auch das Problem der oftmaligen Führungswechsel gibt es nicht in allen Organisationen. Dennoch taucht es immer wieder auf. Ein Berater, der nicht genannt werden will, formuliert es so: "Natürlich werden immer wieder Konzepte zur Sanierung der Niederlassungen erarbeitet. Nur, oftmals fehlt der lange Atem. Ehe die Maßnahmen greifen, gibt es schon wieder neue Prioritäten oder neue Leute in der Organisation."Volkswagen verkauft an BMW-HändlerDie Sanierungsbemühungen für das Volkswagen-Zentrum Bochum hat jetzt auch der größte deutsche Autobauer aufgegeben. Das gefeierte Modellprojekt, einst unter dem Namen Auto Arena vom damaligen ZDK-Präsidenten Bernd Enning gebaut, dann nach Anfangsverlusten von der VW Synko, der Vorgängerin der VW Retail, übernommen, ist jetzt verkauft worden – und zwar an einen BMW-Händler! Die Ruhrland Holding, die mit ihrer Tochter Procar schon an mehreren Standorten im Ruhrgebiet BMW-Händler ist, hat glücklicherweise noch ein Feigenblatt: In Bottrop betreibt sie ebenfalls in einem ehemaligen Enning-Betrieb mit ihrer Tochter CarGo! bereits ein Volkswagen-Autohaus. Auch in Bochum wird die Ruhrland AG neben dem BMW-Betrieb, der im April im früheren Volkswagen-Zentrum eröffnen soll, ein Volkswagen-Autohaus bauen. Auf dem 30.000 Quadratmeter großen Grundstück ist dafür genügend Platz. Der neue VW-Betrieb soll nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Ruhrland AG und Co. KG, Dr. Michael Curth, allerdings nur noch ein Zweistützer sein. Der erste Sechsstützer weltweit ging damit an ein anderes Fabrikat. Jetzt gibt es nur noch ein solches Mammutobjekt – in Shanghai. Dass diese Metropole eine andere Dimension hat als die Opel-Stadt Bochum, liegt auf der Hand. Trotzdem war Bernd Enning bei unserer diesbezüglichen Anfrage fassungslos: "Ich kann nicht glauben, dass der Vorstand der Volkswagen AG ein solches Modellprojekt, das einst nach den Vorgaben und in Absprache mit dem Konzern nach Volkswagen Masterplan gebaut wurde, jetzt einer Fremdmarke zuführt." Doch so ist es. Offiziell heißt es bei Volkswagen natürlich, man habe "den wichtigen Handelsstandort für die Marke Volkswagen nachhaltig gesichert". Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Dr. Curth bestätigte nur, er habe im einstelligen Millionenbereich gelegen.Fazit Erst werden die Händler zu ruinösen Investitionen gedrängt, dann übernimmt die Niederlassung und am Schluss stößt der Hersteller/Importeur ab und zahlt drauf. Und die Leute, die einst zur Investition genötigt haben, sind längst nicht mehr da. Siehe oben. Wo bleibt da die Verantwortung?

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