Ausgabe 16/2009: Kurzarbeit statt Kündigung

Kurzarbeit statt Kündigungkonjunkturelles Kurzarbeitergeld E Fast unbemerkt vom Automobilhandel wurden im Februar die Bedingungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld vereinfacht. Arbeitgeber haben nun ein schlagkräftiges Instrument mit Potenzial zu starker Kostenentlastung bei hoher Flexibilität. von Peter Bühner * Mit dem Konjunkturpaket II wurden die Bedingungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld vereinfacht. Während traditionell zunächst die Industrie – und dort allen voran die Automobilhersteller – die Möglichkeit der Arbeitszeitflexibilisierung durch Kurzarbeit intensiv nutzte, ist nun ein deutlicher Trend zu erkennen, dass auch weite Teile der Handels- und Dienstleistungsbranchen davon Gebrauch machen. Dies entspricht der Zielrichtung der großen Koalition. Über 5 Milliarden Euro wurden zur Förderung der Kurzarbeit bis Ende 2010 zur Verfügung gestellt. Damit gilt für alle Branchen gleichermaßen: Die staatlich geförderte Beschäftigungssicherung durch Kurzarbeit hat Vorfahrt vor Entlassungen!Nach dem „Baby-Boom“Für Automobilhandel und -handwerk wird es höchste Zeit, sich intensiv mit der konjunkturellen Kurzarbeit auseinanderzusetzen und deren Einführung vorzubereiten. Denn eines ist klar: Nach der Atempause durch den automobilen „Baby-Boom“ durch die Umweltprämie kommt spätestens in 2010 die Absatzdelle. Und die Händler/Vertreter der Premiummarken, allen voran Mercedes-Benz mit einem halbierten Lkw-Geschäft sowie BMW und Audi, spüren schon heute die Auswirkungen der schwersten Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik. Mit fast 50 % vom Bruttoertrag handelt es sich bei den Personalkosten um die bedeutsamste Kostenposition im Autohaus. Rückläufiger Umsatz löst damit zwangsweise die Notwendigkeit aus, Personalkosten zu senken. Gleichzeitig sind qualifizierte und motivierte Mitarbeiter der mit Abstand größte Erfolgsfaktor im Autohaus. Wer hier zum Instrument der betriebsbedingten Kündigung greift, macht schnell die Erfahrung, dass wegen einzuhaltender Kündigungsfristen und Abfindungszahlungen eine Kostenentlastung erst mit zeitlicher Verzögerung von bis zu zwölf Monaten eintritt, eine mühsam aufgebaute, ausgeglichene Altersstruktur zerstört wird und der Versuch, dem Unternehmen die Leistungsträger zu erhalten, im Kündigungsschutzverfahren an der Auffassung vieler Arbeitsrichter scheitert, dass kein Unternehmen „eine olympiareife Mannschaft“ nötig habe.Vorteile der KurzarbeitGanz anders verhält es sich mit der konjunkturellen Kurzarbeit. Beim Vorliegen der Voraussetzungen, auf die noch einzugehen sein wird,stellt sich die Personalkostenentlastung noch im Monat der Antragstellung, d. h. unverzüglich für max. 24 Monate einführt der Arbeitsausfall zu einer Personalkostenentlastung in vergleichbarer Höhe bei relativ geringem Nettoeinkommensverzicht der Mitarbeiter (z. B. Reduzierung der Arbeitszeit um 20 % führt zur Personalkostenentlastung von 19,5 % bei Nettoeinkommensminderung von 6,8 %)kann den Auslastungsschwankungen in einzelnen Betrieben, Betriebsstätten, Abteilungen bzw. Sparten flexibel Rechnung getragen werden bei Vollzeiteinbindung von Leistungsträgernstehen für Qualifizierungsmaßnahmen während des Bezugs von Kurzarbeitergeld Fördermittel zur Verfügung, z. B. für die Durchführung technischer Lehrgänge in den Werkstätten.Kurzarbeit im AutohausZunächst sind die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen sicherzustellen. Unter Beachtung der tarifvertraglichen Regelungen für den Fall einer Tarifbindung bzw. der Bezugnahme in den Arbeitsverträgen ist in Betrieben mit Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu schließen. Diese regelt die Einführung der Kurzarbeit und die (flexible) Lage der täglichen Arbeitszeit. Sie entfaltet normative Wirkung, d. h. eine Zustimmung der einzelnen Mitarbeiter zur verkürzten Arbeitszeit mit entsprechendem Entgeltausfall ist nicht erforderlich. In Betrieben ohne Betriebsrat erfolgt eine einzelvertragliche Umsetzung, die in der Regel durch einvernehmliche Änderung der Arbeitsverträge, notfalls durch Änderungskündigungen geschieht. Im Anschluss daran ist der Arbeitsausfall der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen. Darzulegen und glaubhaft zu machen ist, dass es sich um einen erheblichen Arbeitsausfall mit Entgeltausfall handelt, d. h. er auf wirtschaftlichen Gründen beruhter vorübergehender Natur ister nicht vermeidbar istmindestens ein Drittel der im Betrieb/Abteilung/Sparte beschäftigten Arbeitnehmer von einem Arbeitsausfall >10 % betroffen sind bzw. weniger als ein Drittel betroffen sind. Anspruchsberechtigt sind dann nur die Kurzarbeiter, deren Arbeitsausfall >10 % ist.Der sorgfältig begründete Antrag, für den fachliche Unterstützung in Anspruch genommen werden sollte, ist von der Agentur für Arbeit innerhalb von 14 Tagen zu bescheiden.Dann kann‘s losgehen!Der Betrieb/die Abteilung/die Sparte wechselt in die Kurzarbeit. Zum Monatsende erfolgt die Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung der (Teilzeit)-Beschäftigungsverhältnisse. Gleichzeitig wird durch den Arbeitgeber in einem sehr einfachen, pauschalierten Verfahren das Kurzarbeitergeld ermittelt und mit dem Nettobetrag der Entgeltabrechnung zur Auszahlung gebracht. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, die sozialversicherungsrechtliche Seite mit Zusatzbeiträgen abzusichern, damit dem Mitarbeiter während der Kurzarbeit nur geringe Nachteile in der Rentenversicherung und keine Nachteile in der Kranken- und Pflegeversicherung entstehen.Zusatzbeiträge werden erstattetZu Beginn des Folgemonats beantragt der Arbeitgeber dann die Erstattung des Kurzarbeitergeldes und der Zusatzbeiträge zur Sozialversicherung bei der Agentur für Arbeit. Ab dem 7. Monat der Kurzarbeit werden die Zusatzbeiträge zur Sozialversicherung zu 100 % erstattet, davor zu 50 %. Belegt der Arbeitgeber, dass er mindestens 50 % der ausgefallenen Arbeitszeit zur Qualifizierung genutzt hat, erfolgt eine Erstattung der Zusatzbeiträge zur Sozialversicherung ab dem ersten Tag der Kurzarbeit zu 100 %.Ist das was für uns?„Für uns ist die Kurzarbeit nichts! Der Vertrieb brummt, dort ist sie ja auch nicht einsetzbar, und die Werkstatt läuft noch ganz gut!“ – So lautet der klassische Einwand eines Autohausgeschäftsführers. Ihm ist entgegenzuhalten, dass das konjunkturelle Kurzarbeitergeld gerade etwas für die Vertriebsbereiche ist. Insbesondere bei provisionsabhängig beschäftigten Automobilverkäufern lassen sich durch das individuelle Festschreiben der sog. Bruttosollentgelte am Ende einer vertrieblichen Hochphase (= hohe Auslieferungszahlen, geringe Auftragseingänge) durch die Einführung von Kurzarbeit Verkäufereinkommen stabilisieren und Personalkosten senken.Und in den Werkstätten? Wenn diese „noch ganz gut laufen“, müssen eigentlich alle Warnlampen angehen, da aufgrund des hohen Anteils der sprungfixen Personalkosten immer die Gefahr gegeben ist, bei weiterem Auslastungsrückgang schnell rote Zahlen zu schreiben. Jeder Werkstattleiter weiß, dass nur bei Vollauslastung am Monatsende die Gewinne erwirtschaftet werden, die zur Subventionierung des trotz der Umweltprämie erschreckend ertragsschwachen Vertriebsgeschäfts erforderlich sind. Durch ihre individuelle Einsatzmöglichkeit ist die Kurzarbeit das flexible Arbeitszeitinstrument in den Werkstattbereichen schlechthin. Damit ist eine intelligente Alternative zur betriebsbedingten Kündigung gegeben. Darüber hinaus stehen seit dem 10. März 2009 Fördermittel des Europäischen Sozialfonds für Deutschland (ESF) in Milliardenhöhe für Qualifizierungsmaßnahmen, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld, z. B. als Inhouse-Schulungen durch betriebseigene Mitarbeiter, durchgeführt werden, zur Verfügung. Hier ist die Gelegenheit in den nächsten 24 Monaten gegeben, seine Werkstätten – gerade mit Blick auf neue Instandsetzungsmethoden – zukunftsfähig zu machen.W FazitVertreter der Premiummarken Mercedes-Benz, BMW und Audi befinden sich schon heute in der typischen Ausgangssituation zur Einführung von Kurzarbeit (erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall). Alle anderen werden nach Auslauf der Umweltprämie folgen. Das konjunkturelle Kurzarbeitergeld in der überarbeiteten Fassung ist das geeignete Instrument, um flexibel auf den Auslastungsrückgang zu reagieren. Es lässt sich in allen Sparten des Autohauses in gleicher Weise gut nutzen. Nur wer die Kurzarbeit bis zum 31.12.2009 einführt, kann sicher sein, diese für maximal 24 Monate nutzen zu können, da nach derzeitiger Rechtslage bei Beginn im Jahre 2010 die Bezugsdauer nur maximal sechs Monate beträgt. zKurzfassung1. Betriebsbedingte Kündigungen bringen eine Kostenentlastung nur mit Verzögerung und zerstören eine mühsam aufgebaute, ausgeglichene Altersstruktur.2. Vorteile der Kurzarbeit: unverzügliche Kostenentlastung, relativ geringer Nettoeinkommensverzicht der Mitarbeiter, Auslastungsschwankungen können abgefedert werden, für Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit stehen Fördermittel zur Verfügung.3. Vorgehen: arbeitsrechtliche Voraussetzungen klären, Arbeitsausfall der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen.4. Nun werden der niedrigere Lohn und das Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Außerdem muss der Arbeitgeber die sozialversicherungsrechtliche Seite mit Zusatzbeiträgen absichern. Letztere sowie das Kurzarbeitergeld werden zu 50 % erstattet, ab 6 Monaten Kurzarbeit zu 100 %. Ausnahme: Wenn der Arbeitgeber Qualifizierungsmaßnah-men belegen kann, erfolgt die Erstattung der Zusatzbeiträge zur Sozialversicherung ab dem ersten Tag der Kurzarbeit zu 100 %.

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