Ausgabe 10/2013: Kraftprobe

KraftprobeKfz-GVO – Ab 1. Juni gilt die branchenübergreifende GVO auch im Kfz-Vertrieb. Lesen Sie, was das für das Hersteller-Händler-Verhältnis bedeutet. von Doris PlateKritiker behaupten, dass es keine Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) eigens für die Kfz-Branche brauche. Allein das Kräfteverhältnis Hersteller-Händler entscheide über die Ausgestaltung der Vertriebsverträge. Am 31. Mai 2013 endet mit der Geltungsdauer der Kfz-GVO tatsächlich die seit 1985 bestehende branchenspezifische Regelung. Ab 1. Juni gilt dann die branchenübergreifende bzw. Schirm-GVO auch im Kfz-Vertrieb. Was bedeutet das für die Ausgestaltung der Vertriebsverträge? Das ist von Marke zu Marke verschieden – je nach (Kräfte-)Verhältnis zwischen Hersteller und Handel. Denn im Prinzip mussten die Hersteller aufgrund der Neuregelung gar nichts ändern. Die alten Verträge hätten unverändert weiter gegolten. Die neue EU-Vorgabe eröffnete den Herstellern aber mehr Möglichkeiten: Rückkehr zur Markentrennung, Einführung von geänderten Regeln zur Übertragung des Händlervertrages auf Markenkollegen, keine Mindestkündigungsfristen und keine Verpflichtung zum Schlichtungsverfahren. Gelegenheiten, die sich die wenigsten entgehen ließen. Die meisten vermieden dabei aber flächendeckende Kündigungen. Die Angst, dass viele Partner diese Chance zum Beenden ihrer Tätigkeit mit Ausgleichsanspruch nutzen konnten, war wohl doch zu groß. Stattdessen versuchten die meisten eine einvernehmliche Einführung von neuen Verträgen.Nur die Marken des Volkswagen-Konzerns sowie Subaru und Mitsubishi verzichteten auf Änderungen. Die Wolfsburger und ihre Ableger trugen damit der Tatsache Rechnung, dass die neue GVO nur bis zu einem Marktanteil (kumuliert über alle Konzernmarken) von 30 Prozent gilt. Volkswagen hätte also, wenn zum Beispiel Exklusivität eingefordert worden wäre, in Zukunft möglicherweise sein gesamtes Vertriebssystem in Frage gestellt. Praktisch spielt das Thema aber für die meisten Volkswagen-Partner ohnehin keine Rolle: Mit über 20 Prozent Marktanteil kann man auch ohne Zweitmarke gut überleben, und die meisten praktizieren ohnehin die Markentrennung.Papiertiger oder bessere PositionNicht alle Fabrikate, die Änderungen vornahmen, nutzten aber alle Möglichkeiten aus. Die Mindestkündigungsfrist packte keiner an – schließlich hatte eine freiwillige Selbstverpflichtung der europäischen Hersteller dies zugesagt. Trotzdem ist die Regelung wichtig: Sie verbessert nämlich die Verhandlungsposition des Handels. Klar argumentieren viele, dass das ein reiner Papiertiger sei: Wenn sich ein Hersteller von einem Händler trennen will, tut er dies per Garantieaudit, fristloser Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung und wartet nicht zwei Jahre. Aber: „Kürzere oder gar keine Kündigungsfristen hätten eine Schlechterstellung des Händlers bedeutet, weil er dann auf seinen Ausgleichsanspruch oder Rückgabe von Ersatzteilen verzichten muss. Wenn der Händler argumentieren kann, dass er eigentlich noch zwei Jahre für die Marke arbeiten kann, erhöht das seine Chancen auf einen vernünftigen Betrag“, erklärt ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann.Auch beim Schlichtungsverfahren gab es Marken, die dies beibehielten (Mercedes-Benz, Kia). Die Möglichkeit zur Übertragung des Händlervertrages ohne Zustimmung des Herstellers wurde bei den meisten abgeschafft, bei manchen ganz (Kia), bei anderen darf der Hersteller seine Zustimmung nur mit guten Gründen verweigern (Hyundai, Nissan).Beim Mehrmarkenvertrieb zeigte sich aber deutlich, wie wichtig ein starker Händlerverband zur Vertretung der Händlerinteressen ist. Überraschend hat z. B. Toyota entgegen der Ankündigung von Geschäftsführer Ulrich Selzer bei der Mauer, die die Japaner künftig von anderen Marken trennen soll, kein Pardon gekannt. Nach Aussage von Händlernetzentwickler Ferry Franz wurden 23 Mehrmarkenhändler, die auch Toyota führen, angeschrieben. 18 davon haben die Trennung bereits vollzogen, drei weitere ihre diesbezügliche Absicht bekundet. Die Kosten dafür halten sich laut Franz in Grenzen. Trotzdem war die Durchsetzung der Trennung wohl nur möglich, weil es für den Händlerverband nicht wirklich ein Thema war – auch hier praktizieren die meisten Partner ohnehin die Markentrennung. Sonst wäre der Aufschrei angesichts der derzeitigen Ertragslage im Handel dieses Fabrikats sicherlich größer geworden. Starke Händlervertretung hilftEin Beispiel dafür, was eine starke Händlervertretung und die Hilfe eines guten Anwalts bewirken kann, lieferte Nissan. Hier wurde über ein Gesamtpaket aus neuer Marge und neuem Vertrag verhandelt. Der Importeur wollte dies einvernehmlich einführen – ohne Kündigung. Bei der Markentrennung kam es zu einer praktischen Lösung ohne große Mauern, die neue Marge ermöglicht den Händlern Planungssicherheit. Viele andere Fabrikate nutzten aber den neu eröffneten gesetzlichen Rahmen, um noch viel mehr zu ändern als das, was durch die Gruppenfreistellungsverordnung geregelt ist. „Bei vielen Fabrikaten wurden weitere Änderungen vorgenommen, die nichts mit der GVO zu tun haben, z. B. neue Margen oder Standards“, erklärt ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann. Dabei sind ein paar große Trends zu erkennen: Die Fabrikate, die bereits frühzeitig nach der Veröffentlichung der neuen Regeln im Mai 2010 aktiv wurden, haben die Neuerungen im wirtschaftlich guten Jahr 2011 schon weitgehend umgesetzt. Ob verbindliche Direktannahme bei Peugeot oder neue Marken-CI bei Citroen – der frühe Vogel fing den Wurm.Wo der Widerstand der Händler wegen solcher geplanten Vorgaben groß war, haben sich die Hersteller entweder mit langen Übergangsfristen geholfen oder eingelenkt. So können sich die Opel-Partner für das „Cladding“ und das neue Eingangsportal bis Ende 2016 Zeit lassen, außerdem wurde die Investition gedeckelt.Auch die Renault-Händler haben eine Fristverlängerung für die Umsetzung der neuen CI mit den schwarzen Fliesen bis 2016 erreicht. Bei Honda ist die Frist sogar noch länger. Und alle hoffen darauf, dass, wenn der wirtschaftliche Druck durch den schlechten Markt und die fallenden Transaktionspreise so groß bleibt, die Hersteller doch noch ein Einsehen haben und auf nicht notwendige Investitionen verzichten. Europäische VerhandlungenBei allen Vertragsverhandlungen wurde aber deutlich, dass die europäischen Zentralen der Hersteller bei den Entwürfen eine immer größere Rolle spielten. Das erschwerte die Verhandlungen enorm, denn den deutschen Händlerverbänden standen oftmals deutsche Verhandlungspartner bei den Importeuren gegenüber, die zwar Verständnis für die Argumente zeigten, aber – vermeintlich oder wirklich – keinen Handlungsspielraum hatten. Auf der anderen Seite waren die europäischen Händlerverbände zu schwach, nicht so gut organisiert und/oder die deutschen Verbände wollten sich nicht von diesen vertreten lassen (Renault). „Zukünftig wird es wichtig sein, dass europäische Verbände mit den Europazentralen der Hersteller sprechen“, mahnt deshalb Antje Woltermann. „Das ist der Weg der Zukunft.“ Sie fügt hinzu: „Wenn jeder meint, es besser zu können, ist das nicht effizient und ermöglicht den Herstellern das Teilen und Herrschen.“ Muster Mercedes-Benz Gelungen ist die deutsch/europäische Zusammenarbeit offenbar schon beim Fabrikat Mercedes-Benz. Hier wurden die Vertriebs- und Serviceverträge bereits Ende 2011 mit den Verbänden auf europäischer und nationaler Ebene verhandelt und einvernehmlich über Änderungsverträge Anfang 2012 angepasst. Die Änderungen treten zum 1. Juni 2013 in Kraft. Dabei wurden zwar Standards zur Markentrennung aufgenommen und die Vorgaben für CI-Elemente geändert. Ganz wichtig ist aber – und das steht nicht im Händlervertrag –, dass Mercedes-Benz für alle Partner Ausgleichszahlungen vorsieht, wenn der Rohertrag über das Jahr gesehen für die Händler nicht ausreicht. Mit dieser Vereinbarung möchte die Mercedes-Benz Vertriebsorganisation sicherstellen, dass notwendige Investitionen für die Umsetzung der Volumenstrategie 2020 ohne Verzögerung in Angriff genommen werden. Harte Zeiten erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen. Auch bei Mercedes-Benz gibt es lange Übergangsfristen für die Umsetzung bis zum 31. Mai 2016. Das Vorgehen macht aber deutlich, dass man durchaus positiv über neue CI-Vorgaben verhandeln kann, wenn man den Händlern die Möglichkeit gibt, die dafür notwendigen Investitionen auch zu verdienen. Drei Fabrikate noch offenBei BMW und Mini wird derzeit noch verhandelt. Die Marken hatten befristete Händlerverträge, die im September auslaufen. Befürchtet wird hier eine drastische Erhöhung der Standards. Auch Volvo ist derzeit noch im Prozess. Wie zu hören ist, ist zum Beispiel geplant, künftig geätzte Scheiben an den Ausstellungsräumen vorzusehen, so dass von außen nur einzelne Modelle sichtbar sind. Da kann man nur hoffen, dass das noch abgewendet werden kann, denn die Marke spielt in Deutschland nicht die Rolle, dass sie kleine Ausstellungsräume in Fußgängerzonen hält, wo das vielleicht Sinn machen könnte.Recht ist nicht allesIm Großen und Ganzen sind mit dem Geltungszeitraum der GVO bis Ende Mai 2023 und den Verträgen, die überwiegend unbefristet sind, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Handel hierzulande festgezurrt. Und damit werden auch schon die Grenzen der Bedeutung aufgezeigt: Auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Modellpolitik der einzelnen Fabrikate und den Umgang der Hersteller mit ihren Händlern – also wie der Vertrag gelebt wird – hat das so gut wie keinen Einfluss. ■KurzfassungDie meisten Fabrikate haben zum 1. Juni 2013 Änderungen in ihren Vertriebsverträgen vorgenommen – viele davon gingen weit über den geänderten gesetzlichen Rahmen hinaus. Drei Mega-Trends sind aber sichtbar: Die europäischen Zentralen gewinnen immer mehr an Einfluss. Die deutschen Händlerverbände müssen sich darauf einstellen. Und: Wer frühzeitig Änderungen vorgenommen hat, hat diese im wirtschaftlich guten Jahr 2011 noch umgesetzt. Die anderen mussten mit steigendem Widerstand und langen Übergangsfristen vorliebnehmen – oder überzeugende Verdienstmöglichkeiten gegenüberstellen.

Ausgabe 10/2013: Kraftprobe

Kraftprobe

MEISTGELESEN

Mercedes-Entwicklungschef Schäfer: "Kein Anlass für einen Diesel"

Weltpremiere: Darum ist der neue CLA für Mercedes so wichtig

Glinicke feiert Richtfest: Porsche Zentrum Minden nimmt Gestalt an

STELLENANGEBOTE

Großkunden/Fleet-Verkäufer (m/w/d)

BMW Serviceleiter (m/w/d)

Neu- und Gebrauchtwagenverkäufer (m/w/d)

Volkswagen Serviceberater (m/w/d)

Werkstattleiter (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER