Das hessische Kfz-Gewerbe hat das krisenbelastete Jahr 2022 überraschend stabil überstanden. Mit einem kleinen Plus bei den Pkw-Neuzulassungen, einem starken Hochlauf der E-Mobilität und vor allem mit einer auf 3,1 Prozent gestiegenen Umsatzrendite sehe die automobile Welt vorübergehend zuversichtlicher aus, sagte Landesverbandspräsident Jürgen Karpinski am Montag in Wiesbaden. Man habe "endlich schwarze Zahlen" geschrieben, quantitativ sei 2022 aber ein schwaches Autojahr gewesen.
Laut Verband setzten die Autohäuser und Werkstätten im vergangenen Jahr mit dem Verkauf neuer und gebrauchter Pkw und Lkw sowie dem Service 24,7 Milliarden Euro um. 2021 waren es 22,5 Milliarden. Grund waren deutlich gestiegene Fahrzeugpreise aufgrund der Mangellage, Neuwagen kosteten im Schnitt 43.110 Euro, nach 37.940 Euro im Jahr davor. Bei den Gebrauchten gab es einen Anstieg um rund 3.300 Euro auf 19.130 Euro.
Insgesamt wurden in Hessen 719.110 Pkw-Käufe (Vorjahr: 795.160) bilanziert, davon 279.749 (276.989) Neuzulassungen. Verlierer war der Gebrauchtwagen, hier gab der Markt um 15,2 Prozent auf 439.361 Besitzumschreibungen nach. Positiv: Das Servicegeschäft legte um 192,8 Millionen Euro z auf 2,01 Milliarden Euro zu.
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Entwarnung gab Karpinski aber nicht. Die hessische Branche mit ihren 4.300 Betrieben sehe viele Fragezeichen in Handel und Service. Er verwies auf steigende Listenpreise, unverändert lange Lieferzeiten sowie massiv gestiegene Energiekosten. Dies löse eine Kaufzurückhaltung aus, die sich zum Jahresstart auch in einer hohen zweistelligen Minusquote für den Auftragseingang gezeigt habe. Noch lebe der Automobilhandel von einem hohen Auftragsbestand.
Karpinski: "Wir fahren auch in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres nicht in der Normalspur." Man schaue gespannt auf das Frühjahrsgeschäft, das erste Hinweise darauf geben könnte, ob der Markt in Schwung kommen könne. Umfragen in der Branche zeigten "höchst gegenläufige Erwartungen".
Skeptisch äußerte sich der Verbandsvertreter bezüglich der Elektromobilität. Die Stunden der Wahrheit hätten begonnen, denn der stark gekürzte staatliche Umweltbonus sei ein Abschied von dreistelligen Zuwachsraten. Damit gerate auch das Ziel der Mobilitätswende in Gefahr. Wörtlich sagte Karpinski: "Mit der bisher gekannten Dynamik sollte es vorbei sein." Die Politik müsse reagieren und das System der Förderung neugestalten.
Für das laufende Jahr erwartet der hessische Kfz-Verband bei den Neuwagen ein kleines Plus um etwa vier Prozent auf 280.000 Neuzulassungen. Im Gebrauchtwagenmarkt müsse wieder mehr Ware ankommen, hieß es. Zum Jahresstart sei dies mit Zuwächsen um drei Prozent gelungen. Insgesamt rechne man mit 455.000 Pkw-Besitzumschreibungen. Dies seien "vorsichtige Prognosen mit einem Schuss Zuversicht".
Neue Vertriebsmodelle sorgen für Verunsicherung
Karpinski ging auch auf die angekündigten Neuregelungen der Vertriebsformen ein und bezog sich damit vor allem auf das von einigen Autoherstellern forcierte Agentursystem. Mit Agenturmodellen rüttelten die Hersteller am Fundament des klassischen Automobilvertriebs zu Lasten des stationären Handels, unterstrich er. Die geplanten Zugriffe der Hersteller reichten bis in das Gebrauchtwagengeschäft und den Kundendienst. Hersteller versuchten mit einem "fragwürdigen Datenzugriff" im Service in eine weitere Domäne des Kfz-Gewerbes zu gelangen. Das erzeuge Unruhe in einer Marktphase, die alle Kräfte fordere. Die Branche stelle sich deshalb auf eine Gratwanderung in den nächsten Jahren ein, denn der Automobilmarkt werde neu aufgeteilt.
Auch das "emotionale Umfeld der individuellen Mobilität" spiele eine große Rolle, so der Kfz-Unternehmer aus Frankfurt. Der Verkehrsraum dürfe nicht einseitig zu Lasten des Automobils eingeschränkt werden, es müsse unverändert eine Partnerschaft der Verkehrsträger und -systeme geben. "Ein Anteil von nahezu 75 Prozent für den motorisierten Individualverkehr belegt, dass das Automobil unangefochten die Nummer eins im Ranking der Mobilitätswünsche ist."
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Bilanz 2022: Das Autojahr in Hessen
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