Von Norbert Irsfeld/Prudentes Management
Die Nerven liegen blank bei den Geschäftsführern einer größeren Autohausgruppe. Die gegenwärtige Corona-Krise ist für zahlreiche Geschäftsführer und Unternehmer nicht nur eine Liquiditätskrise, sondern auch ein Insolvenzrisiko. Der "Shutdown" zehrt erkennbar an den ehemals auskömmlichen Liquiditätsreserven. Die magere Eigenkapitalausstattung ist durch die drohenden Verluste gefährdeter denn je. Zum ersten Mal geistert der stigmatisierte Begriff der "Insolvenz" durch die Geschäftsführerrunde.
Erleichtert nehmen die Unternehmensvertreter zur Kenntnis, dass der Gesetzgeber vergangene Woche das Insolvenz-, Gesellschafts- und Wirtschaftsstrafrecht zugunsten der haftenden Organe und Gesellschafter erleichtert hat. Welche Auswirkungen haben die Gesetzesänderungen für die Autohandelsunternehmen?
1. Insolvenzantragspflicht ausgesetzt
Rückwirkend zum 1. März 2020 setzt der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht und Zahlungsverbote in der Krise aus. Geschäftsführer, deren Unternehmen am 31. Dezember 2019 zahlungsfähig war, müssen keinen Insolvenzantrag stellen, sofern ihre Gesellschaft aufgrund der Covid-19-Pandemie bis zum 30. September 2020 zahlungsunfähig wird. Dieses Privileg können die Gesellschaftsorgane nur in Anspruch nehmen, sofern eine reale Aussicht besteht, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Zum Hintergrund: Gemäß § 15a Insolvenzordnung (InsO) hat die Geschäftsführung den Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das eigene Unternehmen zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist. Bei einer juristischen Person ist zudem der Tatbestand der Überschuldung ein Eröffnungsgrund. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen die Zahlungen eingestellt oder nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsfähigkeit basiert auf eine stichtagsbezogene Betrachtung und nicht auf längere Zeiträume wie eine Fortführungsprognose. Zahlungsunfähigkeit wird daher durch eine Gegenüberstellung von Zahlungsmitteln und -verpflichtungen ermittelt. Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen. Versäumt es die Geschäftsführung, den Insolvenzantrag nach Eintritt der Insolvenzreife innerhalb von drei Wochen zu stellen, macht sie sich strafbar.
Neben dem Eigenantrag werden auch Fremdanträge durch Gläubiger einer Quarantäne unterzogen. Gläubiger dürfen einen Insolvenzantrag gegen das Unternehmen lediglich stellen, sofern der Eröffnungsgrund vor dem 1. März 2020 lag. Diese Ausnahmeregelung ist bis zum 30. Mai 2020 befristet. Danach sind Insolvenzanträge durch Gläubiger wieder möglich.
2. Geschäftsführerhaftung eingeschränkt
Im Fall des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes sind Zahlungen auch bei Zahlungsunfähigkeit legalisiert, sofern sie der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen. Das entspricht einer eingeschränkten Geschäftsführerhaftung und steht im Gegensatz zur bis dato geübten Praxis immer schärferer Regeln. Die Geschäftsführung darf üblicherweise in der Insolvenzreife keine Zahlungen leisten. Es liegt ein Zahlungsverbot vor (§§ 64 GmbH-Gesetz, 92 Aktiengesetz, 130a Handelsgesetzbuch). Bei Zuwiderhandlungen haftet die Geschäftsführung gesamtschuldnerisch.
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3. Gesellschafterdarlehen rückführbar
Gewähren Kreditgeber oder Gesellschafter in der Corona-Krise Kredite oder werden Absicherungen zugunsten eben dieser Kredite ausgereicht, stellen diese Sanierungsbeiträge keine Gläubigerbenachteiligung bzw. keinen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung dar. Im Falle eines Scheiterns der außergerichtlichen Sanierungsbemühungen sind diese Gläubigerforderungen nicht durch den Insolvenzverwalter anfechtbar. Gesellschafterdarlehen dürfen bis zum 30. September 2023 zurückgeführt werden, ohne Insolvenzanfechtungen befürchten zu müssen.
4. Was bedeutet das für Autohausgeschäftsführer?
Die guten Nachrichten lauten:
- Autohausgeschäftsführer werden in der kritischen Phase des "Shutdown" mit weniger persönlich-wirtschaftlichen Risiken konfrontiert.
- Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verschafft den Unternehmenslenkern die Zeit, um eine außergerichtliche, finanzwirtschaftliche Sanierung mit den Gläubigern zu erarbeiten und umzusetzen.
- Die Gesetzesnovelle erleichtert es den finanzierenden Kreditinstituten, Sanierungskredite auszureichen, ohne sich einem Anfechtungsrisiko auszusetzen.
- Gesellschafterdarlehen unterliegen nicht einem üblichen Nachrang und dürfen auch überbrückungsweise ausgereicht werden.
Die schlechten Nachrichten lauten:
- Was hilft es, nicht insolvenzantragspflichtig zu sein, wenn das Autohaus zahlungsunfähig ist und bleibt? Immerhin ist das gerichtliche Mahnverfahren einschließlich der Zwangsvollstreckung weiterhin möglich.
- Waren die Finanzierungs- und Sanierungsbemühungen nicht zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit geeignet, sind sämtliche damit verbundenen Handlungen wie Sanierungs- und Gesellschafterkredite im späteren Insolvenzverfahren anfechtbar.
- Im Zweifel verliert man wertvolle Zeit, um alternative gerichtliche Sanierungswege wie ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung einzuschlagen. Dieses Verfahren ist nur möglich, wenn dem Autohaus eine Zahlungsunfähigkeit droht oder der Betrieb überschuldet ist.
- Geschäftsführer dürfen nur Geschäfte abschließen, die sie auch einhalten können. Nimmt die Geschäftsführung für ihre Gesellschaft Kredite entgegen oder schließt sie Verträge ab, obwohl die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, machen sich die Unternehmensvertreter dem Eingehungsbetrug schuldig. Spätestens mit dem Insolvenzantrag sieht sich die Geschäftsführung erheblichen straf- und zivilrechtlichen Risiken ausgesetzt.
5. Empfehlungen an die Autohausgeschäftsführer
Springen Sie nicht zu kurz, wenn Sie das Sanierungskonzept erarbeiten! Reduzieren Sie Ihr und das Risiko Ihrer Bankpartner, in dem Sie sich der Unterstützung eines branchenerfahrenen Beraters versichern.
Im nächsten Irsfeld Impulse-Beitrag nimmt der Autor Stellung zu den Möglichkeiten und Grenzen gerichtlicher Sanierungsstrategien wie das Schutzschirmverfahren.
Zum Autor: Norbert Irsfeld ist geschäftsführender Gesellschafter der Prudentes Management GmbH. Das Prudentes-Team unterstützt Autohäuser bei der Entwicklung und Umsetzung von Autohausstrategien, berät Autohäuser, die ihr Unternehmen verkaufen oder extern wachsen wollen, setzt interimistisch Autohausgeschäftsführer, Vertriebs- oder Aftersalesleiter ein und unterstützt Automobilunternehmen in Schieflagen. Irsfeld ist zudem Lehrbeauftragter für Autohausstrategien an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen.Weitere Informationen unter: http://www.prudentes.de
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