Ausgabe 11/2014: Gestaltungsspielraum

Der Fachkräftemangel hat auch den Automobilhandel erreicht - aber nicht jedes Unternehmen in gleichem Maße. Das ist ein Fazit des 3. AUTOHAUS-Personalkongresses, der am 13. Mai zahlreiche Personalexperten der Branche nach Bad Homburg lockte. Namhafte Referenten aus Praxis und Wissenschaft stellten den Zuhörern dort wichtige Trends und Lösungsansätze im automobilen Personalmanagement vor. Nicht jedes Autohaus habe aber Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, unterstrich Moderator Professor Ralf Mertens von der Fachhochschule Stralsund gleich zu Beginn der Veranstaltung. Wie gut es gelinge, geeignete Kräfte zu finden, liege vor allem auch in der Verantwortung der einzelnen Unternehmensführer. Mertens meinte: "Es ist ein hausgemachtes Problem." Insgesamt seien im deutschen Mittelstand aufgrund des Fachkräftemangels derzeit 326.000 Stellen unbesetzt, zitierte Mertens eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young. Damit entgingen den Mittelständlern in Deutschland Umsätze in Höhe von 31 Milliarden Euro pro Jahr. Nach technischen Berufen in der Produktion sei der Bereich Marketing, Vertrieb und Kundendienst, also die klassische Domäne des Autohandels, besonders vom Fachkräftemangel betroffen. Mertens zog vor diesem Hintergrund Parallelen zwischen Personal- und Produktmarketing und appellierte an den Handel: "Sie müssen Arbeitsplätze verkaufen!" Arbeitgebermarke leben Wie das gelingen kann, erklärte Jörg von Steinaecker, Inhaber von Steinaecker Consulting. Voraussetzung, Stellen auch heute noch erfolgreich besetzen zu können, sei der Aufbau einer Arbeitgebermarke als Kernelement des Personalmarketings, so von Steinaecker. Das müsse aber nicht einmal im Rahmen einer bewussten Strategie erfolgen: "Viele Autohäuser haben eine Arbeitgebermarke, sie nennen sie nur nicht so." Beispielsweise, indem sie vor Ort besonders gut vernetzt seien oder durch überdurchschnittliche Personalorientierung auffielen. Für die Suche nach neuen Mitarbeitern empfahl von Steinaecker vor allem mit Blick auf jüngere Zielgruppen eine Social-Media-Präsenz: "Derzeit gibt es kein Medium, das besser wirbt als Facebook." Dass soziale Netze nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich bringen, verdeutlichte Rechtsanwalt Rainer Bopp von der Kanzlei G. Haug und Partner in seinem Vortrag. Er erläuterte arbeitsrechtliche Fallstricke, die sich aus Social-Media-Auftritten ergeben können. Bopp wies unter anderem darauf hin, dass nicht jede beleidigende Äußerung, die ein Arbeitnehmer in einem sozialen Netzwerk mit Bezug auf seinen Arbeitgeber tätigt, sofort eine fristlose Kündigung begründet. Ältere Menschen ansprechen Dass bei der Mitarbeitersuche auch ältere Menschen im Fokus stehen sollten, betonte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Schließlich könne man vor dem Hintergrund des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs in Deutschland kaum noch auf bestimmte Arbeitnehmergruppen verzichten. Für das Jahr 2050 prognostizierte Klingholz für Deutschland einen Bevölkerungsrückgang von derzeit rund 82 auf nur noch rund 74 Millionen Einwohner. Damit einhergehend reduziere sich auch die Zahl der Menschen im Erwerbsalter von jetzt etwa 50 Millionen auf 39 bis 43 Millionen - abhängig vom Renteneintrittsalter. Eine Stellschraube gegen den mit Blick auf diese Prognose immer stärkeren Fachkräftemangel ist laut Klingholz daher die Ausweitung der Lebensarbeitszeit. Klingholz sagte in Bad Homburg: "Wenn wir gesünder und fitter älter werden, sollte es auch klappen mit längeren Erwerbszeiten." Am anderen Ende der Altersskala, nämlich direkt nach dem Schulabschluss, setzt dagegen Hans Medele, Obermeister der Kfz-Innung für München-Oberbayern, in seinem Kampf gegen den Bewerbernotstand an. Medele initiierte gemeinsam mit der zuständigen Handwerkskammer sowie der Berufsschule Landsberg am Lech das Projekt "Abi und Auto". Indem sie ihnen eine auf zweieinhalb Jahre verkürzte Ausbildung anbieten, versuchen die teilnehmenden Betriebe, Abiturienten für den Beruf des Kfz-Mechatronikers zu gewinnen. Mit dem neuen Ausbildungsweg möchte Medele jungen Abiturienten auch die möglichen Karrieren im Kfz-Gewerbe aufzeigen und so im Fachkräftewettbewerb mit der Industrie bestehen. So sind die Teile III und IV der Meisterprüfung bereits in der Ausbildung enthalten, die Absolventen sieht Medele mittelfristig als Serviceberater, Serviceleiter oder wenn gewünscht auch als Verkäufer: "Die tauschen keine Bremsbeläge mehr aus." Mitarbeiterstimmung einfangen Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, aber auch der hohen Fluktuationskosten gilt es auch, qualifizierte Mitarbeiter zu binden. Ein Instrument dafür stellte Robert Grgic, Leiter Personal bei Procar Automobile in Köln, vor. Grgic und sein Team messen die Mitarbeiterzufriedenheit seit 2009 im Rahmen einer Stimmungsbarometer genannten jährlichen Mitarbeiterbefragung. Die jährliche Befragung umfasst zehn Fragen und wird seit 2012 online durchgeführt. Zu wissen, was die Mitarbeiter bewegt, und ihre Einstellungen zu ihrem Arbeitgeber zu kennen, ist aus Grgics Sicht eine Grundvoraussetzung für ihre Bindung an das Unternehmen - und gleichzeitig für den Unternehmenserfolg. Er sagte: "Wenn ich will, dass sich meine Organisation mit dem Markt und mit den Kunden entwickelt, erreiche ich das nur mit der Bereitschaft und der Fähigkeit meiner Mitarbeiter." Sowohl die Motivation als auch die Qualifikation der Mitarbeiter lassen sich durch Weiterbildungen erzielen. Dieses Themenfeld stand im Mittelpunkt der Vorträge von Michael Zülch (Zülch Consulting) und Stefan Hoy (Nissan Center Europe). Zülch konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die einzelnen E-Learning-Varianten, zu denen neben animierten und mit Sprache und Bild unterlegten Präsentationen auch Webinare und Webcasts gehören. Aus seiner Sicht können E-Learnings klassische Präsenztrainings jedoch nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen - zum Beispiel zur Voroder Nachbereitung der vor Ort geschulten Inhalte. Stefan Hoy konzentrierte sich in seiner Funktion als Geschäftsführer der Gütegemeinschaft "Geprüfte/r Automobilverkäufer/in" auf eben dieses Qualifizierungsangebot. Seit Start der Verkäuferausbildung im Jahr 1998 wurden bereits etwa 30.000 Automobilverkäufer nach den bestehenden Regeln zertifiziert, derzeit gehören 36 Marken der Gütegemeinschaft an. Seit 2013 besteht zudem die zusätzliche Spezialisierung des "Geprüften Automobilverkäufers Gebrauchtwagen". Die Einführung dieses Ausbildungsweges ist der gestiegenen Komplexität im Gebrauchtwagengeschäft, der zunehmenden Spezialisierung im Autohaus sowie den im Vergleich zum Neuwagenverkauf differenzierten Anforderungen an die Verkäufer geschuldet. Kurzfassung 1. Der Fachkräftemangel betriff t auch den Autohandel - wie stark das einzelne Autohaus leidet, hängt aber von der individuellen Personalstrategie ab.2. Der Aufbau einer Arbeitgebermarke und die Art der Ansprache - auch neuer - Bewerberzielgruppen sind ein Erfolgsfaktor professionellen Personalmanagements.3. Mitarbeiterbefragungen können Stimmungen im Betrieb einfangen und so zu wesentlichen Prozessverbesserungen und mehr Unternehmenserfolg führen.

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