Von Holger Holzer/SP-X
Der SUV-Boom fordert neue Opfer: Mit Ford hat nun auch der letzte große US-Hersteller die klassische Kompaktlimousine in der Heimat aufgegeben. Wie zuvor schon General Motors (GM) und Chrysler überlässt der Konzern einen schrumpfenden, aber immer noch beträchtlichen Markt den japanischen und koreanischen Herstellern.
Dass der in Deutschland ungebrochen beliebte Ford Focus in den USA keine große Zukunft mehr haben wird, war spätestens im Frühjahr 2018 klar. Damals kündigte der Autohersteller an, in absehbarer Zeit auf seinem Heimatmarkt nur noch SUV und Pick-ups verkaufen zu wollen. Klassische "Cars" wie die Fiesta-Limousine, der Mondeo-Ableger Fusion und eben der kompakte Focus sollten auf Sicht aus dem Portfolio verschwinden. Einzige Ausnahme von dem radikalen Streichprogramm waren der Sportwagenklassiker Mustang und der Focus Active, eine Crossover-Variante des fünftürigen Modells.
Doch selbst das Active-Modell ist in Nordamerika aktuell nicht mehr zu haben. Den normalen Focus gibt es schon gar nicht. Der Hauptgrund für das vorgezogene Aus: der Handelsstreit mit China. Denn eingedenk des erwartbar geringeren Absatzvolumens hatte man die Produktion des Focus bereits von Michigan ins Reich der Mitte verlegt. Doch die dort gebauten Focus-Modelle können aufgrund der hohen Zölle nicht mehr zu konkurrenzfähigen Preisen importiert werden. In der Folge kann man in den USA einen neuen Focus nur kaufen, wenn beim örtlichen Händler noch ein Restexemplar auf dem Hof steht.
Auch wenn das Ende des Modells bereits geplant war – gefallen kann diese Entwicklung Ford nicht. Immerhin macht das Kompakt-Segment in den USA noch mehr als ein Zehntel des gesamten Markts aus. Noch 2018 kam der Focus auf über 100.000 Neuzulassungen, zu den besten Zeiten Anfang des Jahrzehnts waren es sogar bis zu 300.000 Einheiten jährlich. Innerhalb seiner Klasse zählte der Focus immer zu den zehn, wenn nicht sogar fünf bestverkauften Autos. Aktuell liegt er nur noch auf Rang 18.
Der kompakte Ford ist allerdings nicht allein. Bereits Anfang des Jahres hat Konkurrent GM die Produktion des Kompaktwagens Chevrolet Cruze für den US-Markt eingestellt. Eine Zukunft hat der zwischenzeitlich auch in Deutschland angebotene Technikbruder des Opel Astra nur noch in Südamerika und anderen Auslandsmärkten, wo er als günstiges Einstiegsauto vermarktet wird. In Nordamerika hingegen sollen künftig wie bei Ford SUV das Geschäft bestimmen.
Asiatische Fahrzeuge schließen die Lücke
Weil der dritte große US-Hersteller Fiat-Chrysler seine Kompaktmodelle Dodge Dart und Chrysler 200 bereits 2017 gestrichen hat, ist der Markt nun fest in asiatischer Hand. Honda Civic und Toyota Corolla thronen ungestört am oberen Ende der Bestsellerliste, Modelle wie Nissan Sentra, Hyundai Elantra und Kia Forte rücken auf und schließen die Lücke, die Ford und Co. hinterlassen haben.
Und auch der VW Jetta könnte profitieren. Der kürzlich gestarteten siebten Generation der Stufenhecklimousine dürfte es auf dem bereinigten Markt nun leichter fallen, VW wieder auf den Weg zur US-Volumenmarke zu bringen. Denn mit insgesamt über drei Millionen Zulassungen seit der Premiere 1978 steht der Jetta in Amerika für rund ein Drittel aller VW-Verkäufe.