Nur Mechanik und Hardware war vorgestern. In Zukunft zählt die Software zu den wichtigsten und wertvollsten Komponenten eines Autos. Automatisiertes Fahren, Elektrifizierung und die Erwartungen, welche die Besitzer an ihre Autos haben, sind die großen Treiber dieser Entwicklung. Speziell in E-Autos werden schon heute praktisch alle Funktionen digital gesteuert. Assistenzsysteme reden software-gesteuert miteinander, das Radio wird über die Software zum Infotainmentsystem, Fahrzeuge vernetzen sich und kommunizieren mit der Infrastruktur.
Das Auto ist Bestandteil unserer digitalen Welt. Dort können wir nahtlos die gleiche Musik wie zuhause streamen und übers Infotainment unser smart Home steuern. Außerdem lässt sich nicht erst das Auto von morgen wie ein Smartphone over the air updaten. So können die Hersteller über Nacht neue Funktionen aufspielen, ohne dass der Wagen eine Werkstatt ansteuern muss. Das Auto wird zum Software Defined Vehicle und schafft so die Grundlage fürs autonome Fahren.
Wer die Software beherrscht, ist erfolgreich
"Software wird die Automobilindustrie stärker umbrechen als jeder neue Antrieb", sagt Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Bosch. "Sie bildet die Grundlage für alle kommenden Technologien und gerade in der Mobilität ist das Entwicklungstempo besonders hoch." Tesla hat gezeigt: Wer die Software beherrscht, ist erfolgreich. VW dagegen muss sich solche Kompetenzen teuer aufbauen und stolpert teilweise noch immer unbeholfen durch die digitale Automobilwelt.
Experten gehen davon aus, dass sich der Softwareanteil im Auto in den nächsten sechs bis zehn Jahren verdreifacht. Auf 460 Milliarden US-Dollar schätzt McKinsey schätzt den globalen Markt für Automobilsoftware und -elektronik im Jahr 2030. ZF, Valeo, Schaeffler, an diesem Geschäft wollen alle großen Zulieferer teilhaben. Bosch etwa plant, bis zum Ende des Jahrzehnts mit Software Milliardenumsätze zu erwirtschaften.
Neu ist der Geschäftszweig für Bosch nicht. Schon 1979 lieferte das Unternehmen für den BMW 732i das erste in Großserie gefertigte Benzineinspritz- und Zündsystem mit gemeinsamem Steuergerät und damit den ersten Mikroprozessor im Automobil. Längst hat der Zulieferer seine Kompetenzen erweitert, schreibt Programme nicht nur für Fahrzeugsysteme, Fahrassistenten, Airbags oder die hauseigenen E-Bike-Motoren. 48.000 Ingenieure tüfteln weltweit an neuen Softwarelösungen für die Mobilität, aber auch für ganz andere Bereichen wie Industrietechnik oder Gebäudemanagement.
Hartungs Fokus liegt jedoch klar auf dem softwaregesteuerten Fahrzeug. Mit einem ambitionierten Ziel: "Wir wollen Anbieter Nummer Eins für die OEM werden", sagt der Bosch-Chef und preist die Kompetenzen seines Unternehmens. "Wir können Hard- und Software und beherrschen als eines der wenigen Unternehmen das Zusammenspiel von Automobilelektronik und Cloud."
Auch interessant:
- Zündkerzen: Unter Hochspannung
- Bosch erweitert Angebot um Klimakomponenten: Jetzt auch mit Ersatzteilen
- Fachkräftemangel: Wie man Azubis für das Kfz-Handwerk begeistert
Eine tragende Säule soll eine zentrale, auf KI basierende Fahrzeugsteuerung werden. Im Prinzip geht es dabei darum, über eine domänenübergreifende IT- und Elektronikarchitektur mit wenigen Computern und Sensoren Antrieb, Federung und Dämpfung, Bremse und Fahrassistenten zu kontrollieren. "Heute besitzt ein Oberklassefahrzeug 100 oder mehr Steuergeräte. Mit Hilfe einer zentralen Steuerung werden kaum mehr als zehn benötigt. Die Fusion von Infotainment und Fahrassistenz spart bis zu 30 Prozent der Kosten", rechnet Markus Heyn vor, der Leiter der Mobilitätsparte von Bosch.
Kombinierbar mit anderen Zulieferern
Als Open-Source-Systeme lässt sich ein solcher Zentralrechner mit der Technik anderer Zulieferer kombinieren. Trotzdem müssen sich Hersteller bei der Fahrzeugentwicklung nicht zwingend auf Bosch-Technologie festlegen. Zusätzlich verkürzt eine zentrale Steuerung die Abstimmungsprozesse der einzelnen Systeme und senkt so die Entwicklungskosten.
Flankiert werden die Entwicklungen von By-Wire-Lösungen, die mechanische Bauteile ersetzen. Eine elektronisch gesteuerte Lenkung etwa reagiert schneller auf Lenkbefehle und kann den Fahrer in kritischen Situationen zudem mit eigenen Lenkimpulsen unterstützen. By-Wire-Bremssysteme lassen sich besser dosieren und die Bremskraft präziser verteilen. Oder, wie im Falle Bosch, mit Pads im Fußraum kombinieren, die das klassische Brems- und Gaspedal ersetzen. Sie sparen Platz und Gewicht, zwei gerade für die Architektur neuer E-Autos wichtige Argumente. Für die neue Bremse hat Bosch bereits einen Kunden, der sie ab 2026 in einem neuen Modell einsetzen will. Bis die zentrale Fahrzeugsteuerung in einem Serienmodell eingesetzt wird, kann es dagegen noch etwas länger dauern.