Ausgabe 12/2014: Emotion zum Mitnehmen

Der Verkaufsprozess im Autohaus hat eine Lücke, und zwar eine entscheidende: Während der Probefahrt und danach werden die Kunden vom Händler oft alleine gelassen. In der Regel fährt der potenzielle Kunde das Auto ohne den Verkäufer Probe. Im Anschluss händigt der Autohaus-Mitarbeiter ihm zwar noch Informationsbroschüren über das Fahrzeug aus. Aber dann droht ein Emotionsbruch. Denn nach der Probefahrt ist der Kunde im Idealfall stark euphorisiert. Er hat das Fahrzeug gerochen, er hat es angefasst, er hat es gefahren. Aber zu Hause angekommen, bleibt ihm nur seine Erinnerung und das gedruckte Marketingmaterial des Herstellers. Dabei könnte die Emotion des Fahrerlebnisses weiter lebendig gehalten werden und so den potenziellen Kunden in seinem Kaufentschluss bestärken oder den Verkaufsvorgang sogar beschleunigen. Aber wie? Emotionen erhalten Die beiden Frankfurter IT-Unternehmer Alois Wollnik und Walter Scheuer waren selbst auf einer Probefahrt, erkannten das ungenutzte Potenzial und entwickelten eine App. "Unsere Probefahrt-App begleitet den potenziellen Kunden zunächst bei seinem Fahrerlebnis auditiv mit Musik und situativ gewählten Fahrzeuginformationen und macht ihm die Vorzüge des Fahrzeugs und seine Erfahrung anschließend als multimediale Erlebniswelt zur "Mitnahme" verfügbar", erklärt Walter Scheuer, Geschäftsführer des Softwareunternehmens 2VizCon. "Dadurch gibt es keinen Medienund Emotionsbruch, wenn der Kunde nach Hause geht, sondern das Probefahrterlebnis bleibt lebendig." Die App enthält zum Beispiel alle relevanten Fahrzeuginformation in Audio, Video, Textund Bildmaterial sowie charakteristische Highlights wie zum Beispiel das Motorengeräusch oder ein Videostatement des Designers. Nach der Probefahrt wieder beim Händler angekommen, kann der Interessent ein Foto mit dem Fahrzeug aufnehmen, das dann per Update zusammen mit der Wunschkonfiguration des Fahrzeugs in die dann personalisierte Probefahrt-App gepusht wird. "Es geht um das Anreichern der reinen Probefahrt mit verkaufsunterstützenden und emotionalisierenden Inhalten. Wir machen dem Probefahrenden die Entscheidung, das Fahrzeug doch nicht zu kaufen, so schwer wie möglich", sagt Scheuer. Technisches Rückgrat der App ist die Software 2VizCon, die seit 2012 von Unternehmen wie Deutsche Bank, Bombardier, Deutsche Telekom oder Fresenius Kabi als Basis für Vertriebsapplikationen und Geschäftspräsentationen eingesetzt wird. In der Praxis würde der Einsatz der App so aussehen: Der Kunde gelangt an die App, indem er sie entweder vor der Probefahrt auf seinem Smartphone oder Tablet installiert oder der Händler für ihn bereits ein vorkonfiguriertes Endgerät bereithält, das für den Testzeitraum genutzt werden kann. Das Softwareprogramm ist mit allen Betriebssystemen kompatibel. Das Endgerät verbindet sich via Bluetooth mit dem Fahrzeug, in der Regel mit der Lenkradsteuerung, und kann von dort aus während der Fahrt bedient werden. So muss der Kunde sein Smartphone nicht berühren. Bei Autos mit Touchscreens läuft die App auf dem Bildschirm. Ist sie mit dem Fahrzeug verbunden, startet die App mit Musik, die vom Hersteller individuell passend zu seinem Fahrzeug gewählt werden kann. Dabei kommt bereits die Audioklangqualität des Fahrzeugs zum Ausdruck. Der Kunde wird von einer sympathischen Stimme, die ebenfalls passend zum Fahrzeug gewählt werden kann, willkommen geheißen. Sie bietet ihm an, ihn auf seiner Probefahrt zu begleiten oder ihn mit guter Musik zu versorgen. "Natürlich kann der Fahrer die App auch ausschalten, wenn er für eine Weile den Motorengeräusche lauschen möchte und sie erst an geeigneter Stelle wieder einschalten", sagt Alois Wollnik, Gesellschafter bei 2VizCon. Vorzüge präsentieren Dann wird der Kunde zum Motorenstart angeleitet. Dank der GPS-Ortung erkennt die App, wo sich das Fahrzeug befindet. Fährt der Kunde im Stadtverkehr, macht ihn die Sprecherstimme mit den Vorzügen des Autos in dieser Situation bekannt, wie zum Beispiel der Einparkhilfe oder dem Abstandsmesser. Wenn das GPS in einem langen Tunnel mal nicht funktioniert, greift die App auf eine Fallback-Lösung zurück. Dann werden vorkonfektionierte Inhalte abgerufen. Auch das Wetter findet Berücksichtigung. Wollnik: "Wir hinterlegen wetterspezifische Fahrzeuginformationen. Die können dann passend zum Wetter am Tag der Probefahrt abgerufen werden. Dadurch bekommt der Kunde ein ganz neues Fahrgefühl." Ist die Probefahrt vorbei, nimmt der Kunde seine personalisierte App entweder auf seinem Smartphone mit nach Hause oder der Verkäufer schickt ihm anschließend den Link zu seiner Datei zu. "Der Kunde kann sein Erlebnis nach der Probefahrt auch mit seinen Freunden und seiner Familie teilen oder es auf Social-Media-Plattformen verlinken", erklärt Wollnik. "Informationen sollen spürbar werden." "Hersteller, die unsere App einführen möchten, wären Pioniere. Eine schnelle Individualisierung der App würde nur vier bis sechs Wochen dauern. Die Technologie ist seit zwei Jahren in anderen Branchen international im Einsatz, im Autohandel wäre sie ein Novum", sagt Scheuer. "Wir würden die App völlig individuell auf die Bedürfnisse des Auftraggebers anpassen, was Design, Stimme, Inhalt und Spezifikation des Systems anbelangt. Dabei arbeiten wir auch eng mit den Bestandsagenturen der Automobilherstellern zusammen." Visuelles Markenzeichen aller Entwicklungen auf Basis von 2VizCon ist das im Corporate Design gestaltete Zooming User Interface. App ins Autohaus Aber so eine App beträfe ja nicht nur die Hersteller. Auch die Händler müssten sich darauf einstellen. "Die Händler müssen für neue Technologien offen sein, weil die Kunden sie fordern. App-Nutzung ist heute keine Frage des Alters mehr", betont Wollnik. "Und wenn Geräte wie Smartphone und Tablet bei den Kunden beliebt sind, muss sich jeder Betrieb unternehmerisch fragen: Wie bekomme ich meine Informationen schnellstmöglich auf diese Geräte, um mehr Fahrzeuge zu verkaufen?"

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