Von Jörg Schwieder
Wer benötigt eigentlich Werkstätten, wenn Kunden bald nur noch mit wartungsarmen E-Fahrzeugen durch die Gegend fahren? Die Frage mag überspitzt sein, aber die Stimmung trifft sie in manchem Betrieb ziemlich gut. Bei genauerem Hinsehen erkennt man freilich schnell, dass Zukunftsängste kaum begründet sind. Weder kommt die Zeitenwende überfallartig – noch wird dadurch das Hauptstandbein "Service" obsolet In jüngeren Umfragen zeigt sich auch schon eine leicht veränderte Einstellung im deutschen Handel (markenübergreifend): Der AUTOHAUS pulsSchlag fragte Händler im September 2020, welchen Stellenwert das Thema Elektromobilität für sie habe. Eine Mehrheit von 45 Prozent gab an, das Thema aktiv voranzutreiben, "weil es strategische Bedeutung hat". Ein Jahr zuvor waren noch 39 Prozent der Meinung, es sei besser, abzuwarten, bis das Thema mehr Fahrt aufnimmt. Inzwischen äußern 56 Prozent der Händler: "Ja, die Elektromobilität bringt neue Geschäftsfelder, und unser Betrieb wird dabei nach wie vor eine wichtige Rolle spielen." Noch 2019 stimmten dem lediglich 38 Prozent der Befragten zu.
Knackpunkt Wettbewerbsfähigkeit
Ein Problem sieht der deutsche Markenhandel eher bei der Wettbewerbsfähigkeit seiner E-Modelle: Nur 44 Prozent glauben aktuell, das Angebot ihres Herstellers bzw. Importeurs sei "technologisch ausreichend konkurrenzfähig", 51 Prozent haben eher Zweifel. Eine Studie vom Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) zum Thema "Elektromobilität 2025" hat ermittelt, wie sich das reale Wartungsaufkommen verändern wird, wenn andere Antriebstechnologien zum Einsatz kommen. Verglichen wurden die Arbeitswerte (Große Wartung) für konventionelle Verbrenner, Hybridfahrzeuge und reine Elektrofahrzeuge (BEV). Das markenübergreifende Ergebnis: Bei den Hybriden steigt (!) das Wartungsaufkommen um 12,6 Prozent, bei BEV sinkt es im Mittel um 29,2 Prozent, jeweils im Vergleich zum Verbrenner. Ebenfalls wahr ist aber, dass die Elektrifizierung den Teileumsatz bei der Wartung reduziert, von 260 Euro beim Verbrenner auf 203 Euro beim Hybrid und 61 Euro beim BEV (Durchschnittswerte aus dem Jahr 2018).
"E" als Kundenbindungsmagnet
Die Autoren der ZDK-Studie haben ermittelt, dass die neuen Hybrid und BEV auch positiven Einfluss auf die Kundenbindung im Markenservice haben werden: 95 Prozent der Hybridkunden würden eine große Wartung im Markenhandel durchführen lassen, bei reinen E-Fahrzeugen sollen es sogar 99 Prozent sein. Zum Vergleich: Bei Verbrennern liegt die Service-Markentreue aktuell bei rund 60 Prozent. Die Studie führt aus, dass sich "durch die für viele Kunden neuartige Technologie und den damit verbundenen hohen Beratungsaufwand eine hohe Markentreue ergibt". Ob ein Kundenbindungseffekt durch neue Technologien für die kommenden Jahre tatsächlich aufrechtzuerhalten ist, ist allerdings umstritten.
Hyundai Deutschland hat daher als Mittel zur Förderung seines BEV-Absatzes ein Instrument gewählt, das gleichzeitig auch die Kundenbindung stärkt: Acht Jahre Garantie (Fünf Jahre Neuwagengarantie, drei Jahre Neuwagen-Anschlussgarantie, Batterie bis 160.000 km) für alle Hyundai Kona Elektro ab dem Modelljahr 2020 auf das gesamte Fahrzeug (nicht nur den Akku) sowie optional ein Servicepaket für fünf Wartungen in fünf Jahren. Bezüglich beider Pakete ist Real Garant der Kooperationspartner. Die darin enthaltene dreijährige Neuwagen-Anschlussgarantie ergänzt die fünfjährige Herstellergarantie, sie kommt ohne Zusatzkosten für Kunden oder den Handel.
"Einerseits dient diese Maßnahme der Absatzförderung, damit Hyundai seine CO2-Flottenziele erreicht. Andererseits wissen wir aber auch, dass lange Garantielaufzeiten einen positiven Effekt auf die Kundenbindung im Service haben", erläutert Hyundai-Servicechef Karl Hell. Welche Effekte wird die Elektromobilität generell auf das Servicegeschäft von Hyundai-Partnern haben, und was wird jetzt wichtig? Darum ging es im Interview mit dem Direktor Aftersales der Marke.
Herr Hell, wie sehen Sie Hyundai aufgestellt?
Karl Hell: Wir und unsere Händler freuen uns über eine gute Verfügbarkeit und kurze Lieferfristen der rein elektrischen Modelle, die zu den beliebtesten am Markt zählen. Das Servicepersonal in den Werkstätten ist gut durchgeschult, die Betriebe können ihren Kunden eine praktikable Ladeinfrastruktur anbieten – und wir haben auch Ladetechnik für die Kunden im Angebot, die zu Hause installiert werden kann. Hervorheben möchte ich auch unsere Acht-Jahres-Garantie für den Hyundai Kona Elektro, ein Alleinstellungsmerkmal unter den Anbietern von Elektrofahrzeugen.
Laut Studien bedeutet die Elektromobilität zumindest in den Bereichen Wartung und Teile gewisse Umsatzverluste.
K. Hell: Rein elektrisch betriebene Pkw benötigen weniger Wartung und weniger Verschleißteile, das führt pro Fahrzeug zu weniger Werkstattumsatz. Das ist Fakt. Es besteht allerdings kein Grund zur Panik, denn der Wandel in den Antriebsformen kommt – jedoch nicht über Nacht. Gerade die Autohäuser werden noch sehr lange Millionen von Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren handeln und warten, daran ändert sich auch dann so schnell nichts, wenn wir nun pro Jahr zehn bis 20 Prozent Elektrofahrzeuge verkaufen. Am Karosserie- und Lackgeschäft ändert die E-Mobilität ebenfalls nichts, der Reifenverschleiß dieser Fahrzeuge ist wegen des hohen Drehmoments sogar höher. Es zeigt sich bereits jetzt, dass Zubehör wie Ladekabel oder eine Wallbox durchaus über neues Umsatzpotenzial verfügt. Und: Betrieben, die ihren elektrobegeisterten Kunden einen guten Rundum-Service sowie eine gute Beratung offerieren, bieten sich aktuell sehr gute Wachstumschancen bei starker Loyalität.
Was tut Hyundai Deutschland, um die Folgen des Wandels abzumildern – und was kann jeder einzelne Betrieb tun?
K. Hell: Die Einführung der Acht-Jahres-Garantie für den Kona Elektro ist ein gutes Beispiel für eine strategisch mehrfach wirksame Maßnahme: Zum einen wirkt sie absatzfördernd, was mit Blick auf die CO2-Grenzwerte nötig ist. Zum anderen fördert eine lange Garantie die Bindung an unsere Markenwerkstätten. Damit schaffen wir gute Voraussetzungen, dass die Serviceumsätze zumindest mittelfristig relativ stabil bleiben. Gleichzeitig müssen wir in die neue Technologie investieren – Stichworte: Weiterbildung, Ausrüstung, Ladestationen –, und wir müssen uns fachlich damit auseinandersetzen, um für die Kunden im Bereich individuelle Mobilität die Ansprechpartner Nummer eins zu bleiben. Eine hohe Begegnungsqualität bleibt auch mit Elektrofahrzeugen entscheidend für unseren Erfolg in den Werkstätten. Tatsächlich verlieren wir heute schon viele Kunden an den freien Wettbewerb, weil die Kundenkommunikation nicht optimal ist. Daran sollten wir vorrangig arbeiten.
Haben Sie einen Tipp, wie man Sales und Service gleichermaßen für das Thema E-Mobilität begeistern kann?
K. Hell: Das gelingt am besten, wenn der Chef sich für das Thema selbst begeistert, denn am Ende ist das eine Führungsfrage. Natürlich sollte jeder Mitarbeiter Gelegenheit bekommen, E-Fahrzeuge selbst zu erleben. Denn erst jemand, der einmal privat längere Strecken mit einem E-Auto zurückgelegt hat, weiß, was Käufern auf den Nägeln brennt. Diese Erfahrung ist wichtig, um gegenüber Kunden authentisch agieren zu können. Und den Technikern sei gesagt: Unterschätzt die Komplexität der Technologie in E-Fahrzeugen nicht! Der E-Motor mag eine vergleichsweise simple Konstruktion sein, das Batteriemanagement und der Akku sind es nicht. Hier lohnt es sich, Know-how für die Zukunft aufzubauen – das könnte sich gegenüber dem freien Wettbewerb als Vorteil erweisen.
E-Fahrzeuge benötigen weniger Service – gefährdet das wegen der geringeren Kontaktfrequenz den Wiederkaufzyklus?
K. Hell: Es gibt weniger Automatismus für Kundenkontakte, das ist richtig. Diese Tendenz gibt es aber schon seit Jahren, da die Fahrzeuge zuverlässiger werden und die Serviceintervalle länger. Daher ist es nicht nur wegen des Aufkommens der Elektromobilität wichtig, aktiv neue Kundenkontaktpunkte zu schaffen. Eine gute Möglichkeit bieten Social-Media-Kanäle. Um diese erfolgreich zu bespielen, braucht es kaum Geld, aber etwas Know-how. Das Thema wollen wir zusammen mit dem Handel vorantreiben. Mittelfristig wird man auch nicht um die "Akkupflege" umhinkommen, da es sich um ein kostenintensives Bauteil handelt, das mit geeigneten Maßnahmen repariert bzw. regeneriert werden kann. Ein neuer Geschäftszweig, der noch in den Kinderschuhen steckt.
Eröffnet die E-Mobilität auch neue Geschäftsfelder?
K. Hell: Unsere Partner haben bereits Wallboxen für über eine Million Euro verkauft, mit der neuen Förderung und neuen Geräten der Marke Wallbox Chargers könnte sich das weiter steigern. Eine "Anhänger"-Kupplung zur Nachrüstung und nur für die Montage eines Fahrradträgers an unsere E-Autos ist gut angekommen. Im Zubehörbereich sind wir damit sogar im Plus.
Manfred
Dieter M. Hölzel
Elektriker