Ein Automobilhandelsvertreter oder Vertragshändler hat, wenn sein Vertrag mit dem Hersteller gekündigt worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB gegen seinen Hersteller/Importeur. Der Anspruch soll dem Gekündigten dafür entschädigen, dass er für den Kündigenden Kunden geworben hat, die voraussichtlich auch künftig Kunden des Herstellers/Importeurs bleiben werden, ohne dass der gekündigte Händler dafür die übliche Provision erhält.
Das Gesetz regelt in bestimmten Fällen nicht, wer neuer Kunde ist, der bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hierzu am 7. April 2016 ein wegweisendes Urteil gesprochen (Az.: C-315/14). Darauf wies am Mittwoch der Kölner Branchenanwalt Prof. Jürgen Creutzig in einer Mitteilung hin: "Neuer Kunde ist nach dem Urteil des EuGH ein Kunde auch dann, wenn er bereits früher eine Ware einer anderen Marke desselben Konzerns erworben hat. Das Urteil dürfte auch positive Auswirkungen auf die Automobilbranche haben."
Ergangen ist das Urteil zwar für eine andere Branche: Ein Handelsvertreter, der Brillengestelle der Marke A für den Konzern Z bei Optikern vertrieben hatte, verlangte den Ausgleichsanspruch. Ihm wurde nur die Hälfte mit der Begründung zugesprochen, die von ihm erbrachte Vermittlungstätigkeit sei dadurch erleichtert worden, die Neukunden, die er für Z geworben habe, hätten Z schon aus der Werbung anderer Handelsvertreter für die Marken B bis E des Konzerns Z gekannt.
Creutzig: "Der EuGH hat diese Betrachtung verworfen. Es kommt für die Frage, ob ein Kunde neu ist, auf die Ware an, die im Auftrag des Herstellers/Importeurs vermittelt wird. Entscheidend ist, ob für sie zusätzliche Vermittlungsbemühungen und gegebenenfalls eine besondere Verkaufsstrategie erforderlich sind. Ist dies der Fall, dann sind – so der EuGH – die von einem Handelsvertreter geworbenen Kunden auch dann neue Kunden im Sinne des § 89b HGB, wenn sie bereits wegen anderer Waren des Konzerns mit diesem eine Geschäftsverbindung unterhalten haben."
BGH muss entscheiden
Im Ergebnis hält Creutzig das Urteil auch auf den Automobilhandel anwendbar. "Bei Konzernmarken darf der Ausgleichsanspruch nicht gekürzt werden, wenn ein Kunde zuvor bereits ein Neufahrzeug einer anderen Marke des Konzerns gekauft hat. Mit Spannung wird nun das abschließende Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser Sache erwartet, an den der EuGH die Sache zur weiteren Entscheidung zurück verwiesen hat", so der Rechtsexperte. (AH)