Ausgabe 22/2007: Ein Gesicht geben

Vertriebspolitik / Wie entwickelt sich der (Mehr-)Markenhandel weiter? Wie wird mit den CI-Vorgaben umgegangen? – Zentrale Fragen beim Händlernetz-Symposium in der AUTOHAUS-Redaktion.Ein Gesicht gebenVon Stephanie NeumeierVor wenigen Jahren war es noch undenkbar, dass ein Markenhändler eine andere Marke in seinen Betrieb hinzunimmt. Was damals einer Todsünde gleichkam, ist heute gängige Praxis. Vor einigen Jahren hat die GVO hier für großen Wirbel gesorgt. Durch sie ist viel Bewegung in das Händlernetz gekommen. Viele Betriebe sind seitdem zu Mehrmarkenbetrieben geworden. Wie hat sich die Einführung der GVO auf das Händlernetz ausgewirkt? Wie wird es mit dem Mehrmarkenhandel weitergehen? Wie entwickeln sich künftig die CI-Vorgaben? – Diese zentralen Fragen diskutierten in unserer Redaktion AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat, AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel, Jörg Felske (Leiter Vertrieb Deutschland, Audi AG), Joachim Getz (Leiter Händlernetzentwicklung, Daihatsu Deutschland GmbH), Jürgen E. Zorr (Leiter Händlernetzentwicklung, Hyundai Motor Deutschland GmbH), Udo Kirk (Direktor Netzstrategie, Fiat Group Automobiles Germany AG), Dirk Horstmann (Direktor Händlerentwicklung und Neue Vertriebsstrukturen, Adam Opel GmbH), Wolfgang Booms (Direktor Verkauf, Ford-Werke-GmbH) und Ferry M. M. Franz (Manager Händlernetzentwicklung, Toyota Deutschland GmbH).Grundsätzlich bestätigten alle Teilnehmer den Trend zum Mehrmarkenhandel. Kleinere Marken werden oft als Zweit- oder Drittmarke in einen bestehenden Betrieb integriert. Bei den größeren Herstellern spielt sich der Mehrmarkenhandel oft innerhalb des eigenen Konzerns ab. Wolfgang Booms beschrieb diese Entwicklung für Ford. Er befürwortete, "den Mehrmarkenhandel gezielt in Richtung der Konzernmarken zu steuern". Nicht lauter Gleiches im ShowroomWichtig sei, dass sich die Marken nicht gegenseitig substituieren, sondern dass das Angebot für den Kunden erweitert werde. "Die große Herausforderung im Mehrmarkenhandel ist, mit der Positionierung der Einzelmarken fertig zu werden", betonte Booms. So hätten sich auch die Gruppen – abhängig vom Engagement für die Zweit- bzw. für die Drittmarke – unterschiedlich entwickelt. Die Händler, die als zweites Standbein eine zweite Marke hinzugenommen und in Verkauf und Service voll investiert haben, bezeichnete Booms als "die Gewinner des Mehrmarkenmodells." Diejenigen, die sich nur wegen der Werkstattauslastung für die Zweitmarke entschieden hätten, seien die Verlierer.Die klare Positionierung der Marke im Handel – darin waren sich die Teilnehmer einig – entscheidet über ihren Erfolg. Dazu gehört die Geschäftsplanung genauso wie die Positionierung der Fahrzeuge im Showroom oder die Personalpolitik im Handel. Dass Toyota sein Händlernetz von allen Herstellern am besten im Griff hat, erklärte Ferry M. M. Franz mit dem großen Vertrauen, das viele Händler in Toyota hätten. "Sie stehen hinter den Strategien des Herstellers" und investieren deshalb viel in Toyota. "Der Fairplay-Katalog ist bei uns gelebte Tradition. Wir spielen auf allen Seiten mit offenen Karten." Genau das erzeuge Zufriedenheit auf Seiten der Händler und Gruppenhändler. Der Kombination von guter Marke mit Konstanz auf Händlerseite und Zentrale schreibt Franz den Erfolg des japanischen Importeurs zu. Das zweistufige Vertriebsnetz von Toyota, das europaweit in Deutschland einmalig ist, schaffe "größtmögliche Transparenz".Mit dem Verkaufsnetz von Audi zeigte sich Jörg Felske sehr zufrieden. Er sprach von einem "freundschaftlichen Mehrmarkenhandel mit den Marken des eigenen Konzerns". Felske sprach sich für die Exklusivität einer Marke aus. Exklusivität koste zwar Geld, allerdings verdienten exklusive Audi-Markenhändler mehr als Händler, die sich eine Zweit- oder Drittmarke anschaffen. "Exklusivität ist für eine Marke wie Audi die Zukunft", war Felske überzeugt. Mit der GVO seien die Servicepartner auf 1.200 angewachsen; damit ist mit der Muttermarke VW bundesweit das dichteste Service-Netz geschaffen worden. Natürlich gebe es auch suboptimale Fälle, wenn beispielsweise auf gegenüberliegenden Straßenseiten beide Marken, Audi und VW, mit einem Servicebetrieb vertreten seien und damit unnötige Kosten generierten – für Lagerhaltung, Schulung und Spezialwerkzeug.Umdenken bei CI-VorgabenAuf die Frage, warum mancher bislang freie Anbieter von Serviceleistungen von den durch die GVO erleichterten Zugangsbedingungen zum markengebundenen Servicenetz Gebrauch mache, antwortete Dirk Horstmann von Opel, dass sich die Servicepartner mit dem Logo der Marke als Teil der Hersteller-Serviceorganisation auf dem Markt präsentieren wollen. Der Partner möchte dann zum Netz gehören, wenn es diesem gelinge, ihm "ein lukratives Geschäftsmodell zu bieten", sagte Horstmann. Die Standards sollten mit Augenmaß definiert werden und den praktischen Bedürfnissen des Partners mit Blick auf die Kundenerwartungen angepasst sein. Es genügten die "signifikanten Standards, die für die Marke essentiell sind". Bei der neuen CI habe Opel inzwischen das Konzept des den Betrieb umfassenden Gelben Bandes zugunsten einer Group Brand CI aufgegeben, sagte Horstmann. Heute werden Clips der Konzernmarken an den Betriebsgebäuden angebracht, zudem werden sie auf bestimmten Elementen, wie z. B. dem Pylon, gemeinsam dargestellt. Nach diesen Vorgaben sollen alle 8.000 Betriebe in Europa umgestellt werden – in Deutschland bis Ende 2009. Auch bei Audi ist man innovativ: Die prägnanten Audi hangars, weltweit hundertfach umgesetzt, werden künftig durch ein neues handelsarchitektonisches Konzept, den Audi terminal, ergänzt. "Diese neue Bauweise ist flexibler, rückbaubar und senkt die Betriebskosten", begründete Felske das Umdenken.Bei Fiat wird ein ausgeprägter Mehrmarkenhandel schon lange praktiziert, da man im Konzern traditionsmäßig auf andere Marken zugreifen könne, sagte Udo Kirk. Durch die GVO seien aber in mehreren Betrieben konzernfremde Marken hinzugekommen. Für einen Großteil der Branche sei es fast unmöglich, neue exklusive Händler zu akquirieren, deshalb müsse man oft bei größeren unterschlüpfen. Früher habe z. B. ein Renault-Händler die Renault-Signalisation ab- und die von Fiat angeschraubt. Dies sei heute unmöglich: "Neuimplementierungen gibt es kaum, die Händler müssen sich auf mehrere Marken konzentrieren." Der Mehrmarkenhandel sei aber nur effektiv, wenn "die Marke vor Ort gelebt wird", sagte Kirk. Fiat habe einige schwierige Jahre hinter sich, was natürlich auch Auswirkungen auf die Qualität des Händlernetzes gehabt hat. Der Konzern habe sich nun aber insgesamt stabilisiert und stehe so gut da, wie schon lange nicht mehr."Fast wie einen Lottogewinn" bezeichnete Jürgen E. Zorr den Mehrmarkenhandel für eine kleine Marke wie Hyundai, um das Händlernetz auszubauen. 1991 hatte Hyundai erstmals in Deutschland auf der IAA seine Modelle ausgestellt, mittlerweile umfasst das Netz 440 Händler mit 100 Filialbetrieben. Das zum Zeitpunkt der Einführung der GVO bestehende Netz bestimmte weitestgehend die im Händlervertrag festgelegten Standards. Dies habe es möglich gemacht, dass die neuen Händler nicht so viele Vorleistungen erbringen mussten. "Mehrmarkenhandel funktioniert nur, wenn der Händler auch den Willen hat, die Zweitmarke zum Erfolg zu führen", bestätigte Zorr. Nicht der Mitnahmeeffekt sei entscheidend für einen dauerhaften Erfolg, sondern die Motivation. Hyundai-Fahrzeuge müssen in einem separaten Ausstellungsraum beim Händler stehen. Auch ein spezieller Hyundai-Verkäufer sorgt dafür, dass der Kunde markengerecht bedient wird. "Eine Zweitmarke darf nie das fünfte Rad am Wagen sein, sondern muss ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten." In den vergangenen Jahren habe man das Händlernetz von Hyundai umgekrempelt; es gebe nur noch 150 Händler von der ersten Stunde. Zorr ist überzeugt, dass sich der Trend zu weniger Unternehmen, aber mit mehreren Standorten, in Zukunft fortsetzen wird. Joachim Getz von Daihatsu, der sich selbst als "großen Verfechter des Mehrmarkenhandels" bezeichnete, stimmte Zorr in dessen Aussagen zu. Es sei oft "hartes Brot", in bestehende Betriebe eine zweite Marke zu implementieren. Deshalb fahre er auch zu Betriebsversammlungen, um den Mitarbeitern vor Ort die Marke zu präsentieren und sie dafür zu motivieren. Die Standards der kleinen Marken seinen niedriger angesetzt. Das ziehe die Problematik mit sich, dass "kleine Importeure selektierte Ausscheider von hinten wieder reinbekommen".Zweite Marke nie Retter der ersten "Es geht nicht um große oder kleine, Mehrmarken- oder Exklusivhändler – es gibt nur erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Händler." – Dieser Satz von Felske gibt den Tenor des Symposiums wieder. Ein erfolgreicher Händler muss sich mit den (Minimum-)Standards und CI-Vorgaben in seinem Vertrag gar nicht lang auseinandersetzen, denn er weiß von selbst, worauf es ankommt. Fange man an, im Vertrag nachzulesen, sei die Partnerschaft meist schon am Ende. Felske verglich dies mit einem Ehevetrag, den man auch nicht jeden Tag lese. Es kommt auf das an, wie der Händler mit der Marke umgeht und wie er sich auf sie einlässt. Oder von Felske anders ausgedrückt:"Mehrmarkenhandel funktioniert nur dann, wenn ich mit der ersten Marke erfolgreich bin. Die zweite Marke ist nicht der Retter der ersten Marke." Felske nannte die Beziehung Hersteller – Händler eine "Leistungspartnerschaft auf beiden Seiten": "Die Hersteller, die in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen sich attraktiv für die Händler und Händlergruppen machen und umgekehrt müssen sich die Händler(-gruppen) für die stärkste Herstellerorganisation empfehlen." Ziel der Partnerschaft ist, dass die Händler gut verdienen und die Hersteller mit ihren Partnern wachsen.

Ausgabe 22/2007: Ein Gesicht geben

Ein Gesicht geben

MEISTGELESEN

Dacia Bigster: Mit Gas und Strom

VW Tayron und Skoda Kodiaq im Vergleich: Zwei aus einem Stahl

Mercedes-Entwicklungschef Schäfer: "Kein Anlass für einen Diesel"

STELLENANGEBOTE

BMW Verkaufsleitung (m/w/d)

Student (m/w/d) Duales Studium Maschinenbau

Werkstattleiter (m/w/d)

Strategischer Einkäufer Freizeitfahrzeuge / Caravaning (m/w/d)

Volvo Gebrauchtwagenverkäufer (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER