HB ohne Filter vom 20. April 2012
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20.04.2012Heute mit den Themen: Zukunft Elektroauto, VW-Porsche-Patriarch Ferdinand Piëch zum 75. Ehrentag, strategische Wandlungen bei Liqui Moly, unfaire Handelspraktiken, Marktbeobachtung – Tageszulassungen.
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16. April – Montag
Zukunft Elektroauto
Ich staune immer wieder, wie diverse Magazine, u.a. die "Automobilwoche", das Elektroauto runterschreiben. Als Aufhänger dienen dann die augenblicklich schwachen Absatzzahlen für das reine Elektroauto. Sei es beim Chevrolet Volt oder beim Opel Ampera oder beim Peugeot iOn. Dann wird die negative Klimabilanz der E-Autos hervorgeholt. Auch vom ADAC. Ganz klein geschrieben folgt dann der Zusatz, positiv sei das E-Auto nur dann, wenn zusätzliche Kapazitäten erneuerbarer Energien in den Strommarkt gebracht würden.
Stellen wir die zentrale Frage: Ist die komplette Umstellung auf erneuerbare Energie in Deutschland grundsätzlich machbar? Ja! Also, gehen wir das an. Wir müssen ohnehin umstellen. Die Frage zwei wird dann lauten: Bis wann wird das gelingen? Antwort: Je mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, desto schneller geht das. Die Windkraft über die bereits vorhandenen "Spargelspitzen" deckt heute schon mehr als zehn Prozent des deutschen Stromverbrauchs ab. Honda bietet in Deutschland im Verbund mit Vaillant Mini-Kraftwerke für das Einfamilienhaus an. Auch Volkswagen ist in Hannover mit stationären Verbrennungsmotoren unterwegs. Der Tag kommt, da wird jeder sein eigenes Heimkraftwerk haben. Spricht, der einzelne wird sein eigener Stromproduzent. Auch für sein Auto. Das versucht natürlich die Stromlobby zu behindern. Dennoch, das kommt. Allerdings müssen für die Umsetzung die richtigen Speichersysteme gefunden werden – und intelligente Netze, um die Stromnachfrage (smart grids) mit dem unsteten Stromangebot auszutarieren.
VW-Chef Martin Winterkorn aktuell: Schon in drei Jahren könne Volkswagen E-Fahrzeuge bauen, die günstiger sind als herkömmliche Autos. VW-Elektroauto-Chef Rudolf Krebs: "Wir rechnen damit, dass die Kosten pro Kilowattstunde Kapazität beim Lithium-Ionen-Akku schnell auf eine Größenordnung von etwa 100 Euro sinken und dass diese Grenze 2015 oder spätestens kurz danach erreicht wird." Fazit: Anfangen! Mehr Offenheit in den eigenen Reihen! Mehr Kundenaufklärung! Steter Tropfen höhlt den Stein!
17. April – Dienstag
Dem VW-Porsche-Patriarchen Ferdinand Piëch zum 75. Ehrentag
Bei außergewöhnlichen Menschen schauen wir zu gerne hinter deren Lebensgeheimnisse, im Wirtschaftsleben nach einer möglichen Vorbildfunktion für ihren Erfolg. Das Beispiel Ferdinand Piëch zeigt, es gibt nicht den einen Erfolgsweg. Er sieht bei jedem Manager anders aus. Wer vereint wie der Jubilar die genialen Gaben des Technikers mit denen des genialen Strategen, obendrauf mit dem Blick für das Globale in der automobilen Welt, und kann immer wieder höchst kenntnisreich und verinnerlicht über die gesamte automobile Markenwelt blicken? Auch in ihren historischen Bezügen?
Wo sich andere längst zur Ruhe setzen, läuft Ferdinand Piëch auf seine dritte Amtsperiode als VW-Aufsichtsratsvorsitzender zu. Ihm zur Seite – einmalig in deutscher Unternehmensgeschichte – wird dort seine "Erbin", seine Frau Ursula, nun einen weiteren Aufsichtsratsposten besetzen. Heißt es doch im Kodex für gute Unternehmensführung: „Im Aufsichtsrat sollte eine ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder sitzen.“ Nun ja, man schaue sich das Gremium in Summe an. Dann erkennt man die Grenzen. Der "Alte" – wie er konzernintern mit Respekt tituliert wird – bastelt über Stiftungen an der Zukunft des Familienerbes. Die differenten Familienmitglieder Porsche-Piëch halten über eine Holding 51 Prozent der VW-Stimmen und sind damit bei VW bestimmender Großaktionär. Piëch hält davon persönlich schätzungsweise ganze sieben Prozent, ist aber der eigentliche Gutsherr. Zwölf Kinder aus dem eigenen "Stall" zuzüglich der gesamten Familienbande stellen eine weitere Herausforderung für den Patriarchen dar. Großvater Ferdinand Porsche hat den Käfer entwickelt. Seine Mutter, Kommerzialrätin Luise Piëch, hat in Salzburg das größte europäische Automobilhandelshaus aufgebaut. Das Vermächtnis des Patriarchen ist es, aus dem VW-Konzern ein Familienunternehmen zu machen, wie es bei Fiat, Peugeot, Toyota gleichermaßen gegeben ist. In der Umsetzung sieht er dazu die bis heute erfolgreiche Bosch-Stiftung als Vorbild. Ja, Ferdinand Piëch hat in seinem Lebenswerk eigene unternehmerische Gesetzlichkeiten aufgestellt. Authentizität ist eine ganz besondere Größe in seiner Persönlichkeit. Die Leitlinie: Ich bin, der ich bin und der ich immer sein werde. Schließlich hat jeder von uns auf dieser Erde seine eigenen Hausaufgaben zu machen. Und Piëch hat hier viel Ausgefallenes oder auch Neues unternommen und auf diesem Wege "das Überflüssige weggehauen". In der Tat, wir mögen Menschen, die echt sind. Und Eigensinn macht stark!
Wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. Wie ist es Ferdinand Piëch ab 1992 gelungen, als er VW-Vorstandsvorsitzender wurde, den Niedersächsischen IG-Metall-Konzern auf seine Linie zu bringen? Man erinnere sich an die IG-Metall-Lustreisen, von denen er angeblich nie etwas gewusst hat. Er machte beispielsweise gegen den Willen der Kapitalseite im Aufsichtsrat den IG-Metall-Funktionär Horst Neumann 2005 zum Personalvorstand! Winterkorns Bezüge wurden für 2011 mit 18,3 Millionen Euro bekanntgegeben. Derartige Dimensionen werden vom Aufsichtsrat freigegeben bzw. bestimmt. Wo liegt – bei aller Tarifpartnerschaft – im VW-Konzern noch die Kontrollfunktion der Aufsichtsräte, wenn beispielsweise IG-Metall-Chef Berthold Huber als stellv. Aufsichtsratsvorsitzender mit jährlich 589.000 Euro bedacht wird, der Betriebsratsvorsitzende Osterloh mit 371.000 Euro? Klar, Volkswagen hat jedem Werker für 2011 eine Einmalprämie von 7.500 Euro zugesprochen. Da gibt eine Zahlung der anderen die Hand! Zudem, ohne IG-Metallvotum wird in Wolfsburg keiner Vorstand. Das ist ein gefährliches Geben und Nehmen.
Man erinnere sich, wie Ferdinand Piëch den Mann, der Audi eigentlich dort hinbrachte, wo die Marke heute steht, Herbert Demel über Brasilien ins Konzern-Aus steuerte. Man erinnere sich an die Milliardenzahlung des VW-Konzerns an GM im Falle des fragwürdigen Einkaufsweltmeister Lopez. Wie und über welche Wechselwege hat Ferdinand Piëch Dr. W.P. Schmidt, der 27 Jahre als Konzernvertriebsvorstand wirkte, abgehalftert? Daniel Goudevert! Später Bernd Pischetsrieder, den er selbst holte und selbst fallen ließ. 1.100 Führungskräfte im Konzern unterschrieben einen Aufruf für den Verbleib von Wolfgang Bernhard, der einst von Daimler-Chrysler nach Wolfsburg kam. Piëch schob das Führungskräfteanliegen mit der "Linken" zur Seite. Eben, Gutsherrenart. Wie hat Ferdinand Piëch den früheren BMW-Vorstandsvorsitzenden Joachim Milberg aus dem MAN-Aufsichtsrat "befördert"? Dem ehemaligen MAN-Vorstandsvorsitzenden Hakan Samuelson schickte er wegen der MAN-Korruptionsaffäre eine Rechnung über 237.000 Millionen Euro. Darüber liest man dann nichts mehr. Das wird aber hinter den Kulissen aufmerksam vollstreckt.
Werfen wir noch einen Blick in die Jahre zwischen 2005 und 2009, Porsches Übernahmeschlacht. Nach außen könnte man meinen, der "Alte" hätte über die höchst fragwürdigen Finanzierungsgeschäfte von Porsche-Ex-Vorstandschef Wendeling Wiedeking und seinem Finanzvorstand Holger Härter nie etwas gewusst. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden und wirft nun Ferdinand Piëch als Mitglied des Porsche Aufsichtsrats "schwerwiegende Pflichtverletzung" vor. Einzelne Aktionäre stellen sich daher auf den Standpunkt, dass Piëch unmittelbar zu belangen sei. Da stehen noch mehrere Milliarden Schadenersatzforderungen gegen Porsche und Volkswagen im Raum.
Das Lager der Feinde von Ferdinand Piëch hat eine eigene Dimension und wird sicherlich am Tage X noch aus- und aufgearbeitet werden, wenn er seine Weichen über seine Top-Juristen nicht mehr persönlich stellen wird. Es bleibt abschließend die zentrale Frage: Kann man in dieser Höhen- und Größenklasse eines Ferdinand Piëchs und bei globalen internationalen Konzernverflechtungen überhaupt noch "anständig" Geschäfte betreiben? In seiner „Auto Biographie“ schreibt F.P.: "Ich hatte das Gefühl, überall bestehen zu können, und für meine lieben Verwandten war ich mir da nicht so sicher." Der Jubilar hatte bis heute stets das letzte Wort. Ja, er hat überall bestehen können. Auch im Falle Wiedeking! Sein historisches Vermächtnis: Großvater – Mutter – Sohn! Ein historisches Familienband. Da gibt es Fluch wie Segen. Die Ausrichtung auf eine einzige Person ist jedoch für jedes Unternehmen gefährlich. Das ändert aber nichts daran: Ferdinand Piëch, der Jubilar, hat bis heute an seinem 75. Geburtstag schon eine sehr große und verdammt farbige Automobilgeschichte geschrieben!
Weitere Bilder zu Ferdinand Piëch finden Sie unter: http://www.autohaus.de/75-geburtstag-ferdinand-piech-schlitzohr-machtmensch-autonarr-1109408.html
18. April – Mittwoch
Strategische Wandlungen bei Liqui Moly
Ernst Prost, Inhaber von Liqui Moly, Marketing-Genie, engagierter Mittelständler und höchst origineller Darsteller von markanten Botschaften hat die entstandene Lücke für sein Haus längst erkannt. Nicht nur über die Welt der Erotikkalender. Welcher Lust-Charme ging dabei einst vom Castrol-Kalender aus? Über einen aktiven Außendienst hat Prost Zug um Zug die freien Werkstätten, aber auch die Teilegroßhändler mit Systematik und Personality betreut. Prost hat sein Unternehmen internationalisiert und erwirtschaftete 2011 einen Umsatz von über 340 Millionen Euro. 2011 hatte der Firmenchef auch den Mut, seine langjährige Geschäftsbeziehung zu ATU zu beenden. Er wehrte sich gegen die Schiene des preispolitischen Verrammschen.
Jetzt plant er als neue Attacke den Weg zum First Filler bei den Herstellern und in Folge den Verkauf über die markengebundenen Werkstätten. Eine markante strategische Wandlung. Ob Ernst Prost mit Liqui Moly dabei seine Unabhängigkeit behalten wird? Ob er sich damit nicht übernimmt? Umgekehrt habe ich den 55-jährigen Bilderbuchunternehmer über all seine Stationen – zuvor bei Sonax und seit 1998 bei Liqui Moly – so erleben dürfen, dass er neue Herausforderungen mit seiner angestammten Kreativität immer neu zu ebnen wusste. Gelingt ihm das im Zusammenwirken mit "Konzernen", dann wird das Ölgeschäft in der Branche weiterhin Freude bereiten. Das wird gewisse kein Spaziergang und bedarf ganz besonderer Schmiermittelqualitäten.
19. April – Donnerstag
Unfaire Handelspraktiken
Die EU-Kommission hat 2011 eine Initiative zur Ermittlung unfairer Handelspraktiken ergriffen. Diese wurden im Rahmen des European Business Test Panels (EBTB) erhoben. Bis Ende 2012 will die EU-Kommission nun eine Mitteilung verabschieden, damit Diskussionsmöglichkeiten eröffnen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Aus ganz Europa haben auch Automobilhändler aus der Beziehungswelt mit ihren Herstellern bzw. Importeuren unfaire Handelspraktiken aufgezeigt. Im Einzelnen wurden hierbei genannt:
Ausnutzung der Verhandlungsmacht (Druckausübung – nichts mit gegenseitiger Rücksichtnahme)
Einseitige Festlegung von unrealistischen Vertriebszielen
Einseitige und wiederholte Änderung von Vertragsklauseln, auch rückwirkender Art
Einseitige Auferlegung von Vertriebs- und IT-Standards
Einseitige Margenkürzungen
Unfaire Preisgestaltung
Sehr lange Zeiträume für die Zahlungsvergütung (gezielte Zahlungsverzögerungen)
Auferlegung inakzeptabler Anforderungen im Bereich Garantie (vor allem Vergütung und überzogener Formalismus, Vorgehensweise bei Revisionen)
Einseitige Änderungen am Preis von Gütern (besonders im Teilebereich)
Unfaire Vertragskündigungen
Übertragung des Geschäftsrisikos auf die andere Vertragspartei
Die EU-Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube an die politisch wirkungsvolle Tat.
20. April – Freitag
Marktbeobachtung – Tageszulassungen
Wer derzeit die Printmedienlandschaft beobachtet, stellt dort quer über verschiedene Marken – bitte selbst Porsche – markante Auftritte in Sachen Tageszulassungen fest. Opel, Ford, MB, Smart. Man staune, in auffälligen Großformaten. Man ist versucht zu sagen, dass die Tageszeitungen derzeit auf Großanzeigen mächtige Sonderkonditionen offerieren. Im Klartext heißt das aber etwas ganz anderes: Es liegt offensichtlich Vertriebsdruck auf dem Kessel. Geschmierte Absätze laufen anders, als über eine hochsubventionierte Vertriebsachse. Offensichtlich sind aufwändige Sonderverkaufsaktionen erforderlich. Der Hammer liegt darin, dass die vereinbarte Jahreszielvereinbarung das eine ist. Das andere ist die Tageszulassungsprämie pro Fahrzeug. Diese müssen aber zusätzlich zur Jahreszielvereinbarung verkauft werden. Also werden –je nach Marke – derzeit die Händlerläger vollgepumpt. Machen wir uns die Besonderheit des Neuwagen-Vertriebsweges mit Tages- bzw. Kurzzulassung und 0 km bewusst: Der "Neuwagen" fällt über diese Schiene für den Kunden 20 Prozent billiger aus. Gut, Maßanzüge waren immer schon teurer, sprich eine Neuwagenselektion nach individuellem Gusto. Über das Maß an Kundenzufriedenheit in dieser doppelzüngigen Vertriebsachse wird aber wohlweislich geschwiegen!
Pölderl R.
Michael Kühn
Nikolaus Klar
Bruno Heil
Mirko Müller
Analytiker
René Artois
René Artois