HB ohne Filter vom 16. September 2016
Heute: Großer Automechanika-Rundgang mit AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat
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16.09.2016Heute: Großer Automechanika-Rundgang mit AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat.
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Automechanika 2016 - Die IAA für Zulieferer
Toll, 4.820 Aussteller aus 76 Ländern, sprich volle Auslastung und volle Kasse für die Messegesellschaft Frankfurt. Ein Meer an superlativen Ankündigungen ging dem Start der Branchenshow voraus: Festhalle Frankfurt – Hotspots for Innovations, Innovation Award – Visitor guide, Events, Car Wash City, Infotainment, Accessoire & Customizing, World of Asia, Turkey – Discover the potential. Korea – Your best partners. Taiwan Auto Parts – Taking you beyond limits, Repair & Maintenance. Und dann wird man am Dekra-Stand auf großer Plakatwand begrüßt mit:Service for Car Dealers and Repair Shops. Da weiß ein Schwarzwälder, dass er mit seinem international geprägten Herzen gemeint ist. Himmel, Herrgott, Sakrament!
Die Internationalität der IAA für Zulieferer kommt auch in der Sprache sehr deutlich zum Ausdruck.
Zielgruppenverengung
Die Automechanika verengt sich von Mal zu Mal für die Zielgruppe Deutsches Kfz-Gewerbe. Der ZDK in personam des bislang besten ZDK-Präsidenten in der Verbandsgeschichte, Fritz Haberl, war 1974 ff. der maßgebliche Macher für die Automechanika und ist seither auch finanziell überschaubar am Messegeschehen beteiligt. Eigentlich wäre der Zeitpunkt gekommen, an dem sich der ZDK von der Automechanika zurückzieht und eine eigenständige Messe mit Bundestagung, Kongress und Innovationen für die Mitglieder aufzieht. Doch wer hätte dort den Mut und die Kraft, eine solche Herausforderung zu stemmen?
Das Aus der Automobilhersteller
Seit sich die Automobilhersteller von der Automechanika zurückgezogen haben, um dem sichtbaren Wettbewerb mit den Lieferanten aus dem Wege zu gehen – man denke nur an den direkten Vergleich von Original- zu Identteilen –, liegt der Fokus der Messe auf der Welt der Zulieferer. Der weltgrößte, Bosch begrenzt sich ja längst nicht mehr nur auf Zündkerzen oder ZF auf Getriebe, sie präsentierten auf der Automechanika komplette Autosysteme, inkl. Conti oder Schaeffler. Sie repräsentieren – gleich der deutschen Automobilindustrie – auf der Automechanika ihren deutschen Ursprung und wissen, wie man sich international zu präsentieren hat. Großartig!
Hersteller wie Mercedes-Benz oder VW machen ihre eigenen Service-Messen, ebenso Wessels + Müller, Trost, Stahlgruber, pointS u.a. Und sie sprechen eben ihre Zielgruppe direkt an. Was nützen also 4.820 Aussteller auf der IAA für Zulieferer, wenn ich als Kfz-Unternehmer nur 200, aber die richtigen brauche?
Kontinuierliches Messesterben
Der Messeschmelz geht weiter. TÜV Nord, Dekra und GTÜ waren vertreten, TÜV Süd und TÜV Rheinland dagegen nicht mehr. Sämtliche freie Autobanken haben das Weite gesucht. Die BDK hat auf dem ZDK-Stand ein Vordach gefunden. Die DAT war präsent, Schwacke nicht. Die ganzen GW-Versicherer sind weg. Was waren das für Zeiten, als große Mineralöler wie Castrol, Mobil oder Veeol mit fürstlichen Oasen auf der Messeeinluden? Geblieben ist der Shell-Stand im Hessischen Hof. Eine Ausnahme. Liqui Moly-Chef und Inhaber Ernst Prost ist aufgrund seines internationalen Engagements nach wie vor ein glühender und engagierter Verfechter der Messe. Dieser Mann sitzt allerdings nicht hinten im Zimmer, sondern ist sichtbar auf dem Stand präsent, und zwar in lockerer, stets guter Laune. Anders wäre es nicht möglich, dass er den Herausgeber des österreichischen Fachmagazins "Auto & Wirtschaft", Gerhard Lustig, in den Schwitzkasten nimmt, damit endlich klar ist, wie man Umschläge bei der Briefwahl in Österreich zuzukleben hat! In der Tat, es gab noch ein paar wenige andere Ölanbieter wie Petronas und Bizol. Doch auf deren Ständen hatte man mehr den Eindruck totaler Friedhofsruhe.
Liqui Moli-Chef Ernst Prost (li) mit dem Herausgeber von A&W, Gerhard Lustig. Marketinggenie Prost lebt und liebt die Spontaneität.
"Tomorrow's Service & Mobility"
Wenn VW nun endlich mit einer E-Offensive kommt, BMW sein E-Mobility-Konzept als Antwort auf Tesla umbaut, hätte man sich gewünscht, dass auf der Messe einmal ein kompletter Arbeitsplatz für ein Elektroauto aufgebaut würde. Schaut man nun in der Festhalle der Messe, in der Daimler stets zur IAA "Das Beste oder nichts" präsentiert, unter der Rubrik "Tomorrow's Service & Mobility" den Werkstattstand der Zukunft an, dann steht dort auf einer "autop-stenhoj-Bühne" ein BMW i3. Man kann auf der Heckscheibe rechts noch das Schild erkennen, dass Fotografieren verboten ist. Auf meine Nachfrage hin, hat die Standdame das Verbotsschild beherzt entfernt. Als ich die Frage stellte, ob denn jede vorhandene Hebebühne für E-Autos geeignet sei, wurde ich auf den Hauptstand von autop-stenhoj in Halle 8, 1 km weiter, verwiesen.
Ein Blick in die Werkstatt der Zukunft
Immerhin stand gegenüber der "Streetscooter" der Deutschen Post. VW hat sich geweigert, für den Kurzstreckeneinsatz der Post spezielle Fahrzeuge zu bauen. Typisch! Zu kleine Serie. Rechnet sich nicht. Nun ja: Wer die Macht hat! Sie werden in Wolfsburg noch weiter eingetaucht werden müssen, bis sie bodenständig werden. Übrigens der Zulieferer Prevent, der neulich den Milliardenkonzern VW angreifbar gemacht hat, war auf der Messe auch nicht vertreten. Webasto auch nicht. Findige Köpfe der RWTH Aachen haben dann selber Hand angelegt und den Streetscooter entwickelt. Und das so gut, dass im Dezember 2014 die DHL, eine Tochtergesellschaft der Deutsche Post, das Unternehmen kaufte und jetzt den Streetscooter frei offeriert. Reichweite 80 Kilometer, Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Preis: 22.500 Euro! Sie machen vor, wie es geht! Ein weiterer automobiler Seiteneinsteiger.
Streetscooter der Deutsche Poster
Von besonderer Klasse war die Präsentationswand zum Innovation Award. Hier konnte sich der Messebesucher über einen zu steckenden "Klotz" seine gewünschte Innovation aussuchen und wurde dann visuell und mit vorbildlicher Darstellung informiert. Der ZF-Stand in der Festhallte gehörte auch zur gelungenen Präsentation, wenngleich man für Detailinformation an den Hauptstand des Konzerns geschickt wurde.
Werkstattausrüster
Der Ausstellungsbereich Werkstattausstatter, Werkzeuge war sehr gut vertreten. Den auffälligsten Stand präsentierte in der Wirkung die MAHA. Natürlich hätte einen interessiert, wie viele Hebebühnen denn Tesla, Apple oder Google bereits für 2025 bestellt haben? Selbstfahrendes Auto hin oder her, Softwareanpassungen per online – was man in einer Werkstatt immer brauchen wird, ist eine Hebebühne. Die Antwort auf meine Frage blieb aufgrund von Stillschweigeabkommen offen.
Different ways. One future!
Das war wohltuend am großflächigen Bosch-Stand. Man wählte im Gesamtauftritt den Slogan "Uns bewegen", eben Lösungen, Informationen, Digigtalisierung, Mobilität, Vernetzung u.a.. Man tut nicht so, als habe man die Lösung, man befindet sich auf dem Weg. Es gibt eben nicht nur einen Weg oder eine Zukunft. Viele Wege führen nach Rom! Bosch stellte sehr gut den digitalisierten Datentausch in der Werkstatt vor und wie Reparaturinformationen einfach zusammengefasst werden, also Augmented Reality, sprich alle wichtigen Informationen für den Mechatroniker auf einen Blick! Mit oder ohne VR-Brille.
Die Geräteaussteller hatten nicht zu klagen. Einige Händler müssen aufgrund der Service-Standards investieren. Bei VW in Nutzfahrzeughebebühnen, andere in neue Schweinwerfereinstellgeräte.
Echte Verbrauchswerte
Ein Meer von Diagnosegeräteanbieter war anzutreffen, aber nicht ein einziger hatte den Mut zu zeigen, wie man den Verbrauch von Automobilen realitätsnah misst. Wehe, da hätte sich einer zum Fenster hinausgelehnt, ob Gerätehersteller oder Prüforganisation, sie wären des Todes. Das zeigt, wie hierarchisch die ganze Automobilwirtschaft immer noch aufgebaut ist.
Der ZDK hätte das aber machen können. Man begrenzte sich dort auf dem Stand auf AU-Messung und präsentierte lieber jene Firmen, an denen man finanziell beteiligt ist, die also mehrmarkenfähige Diagnose offerieren und dafür sämtliche Daten der Hersteller benötigen. Wilhelm Hülsdonk, der Robin Hood der Freien Werkstätten und Bundesinnungsmeister, ist da in seinem ganz besonderen Element. Wie man hört, läuft er sich schon als nächster Verbandspräsident warm. Ansprechend gemacht war der ZDK-Stand zur Nachwuchsförderung. Der macht sicher auch in Zukunft auf dieser Messe Sinn.
Berufsorientierung – ZDK-Stand für Nachwuchs
Software-Lösungen
Wer aber Lösungen für die papierlose Dialogannahme suchte, für die dringend erforderliche Online-Terminvereinbarung oder wer wissen wollte, was sich bei den Servicebörsen tut, hat wenig gefunden. Früher waren 25 IT-Aussteller auf der Automechanika. Jetzt waren es noch vier und beim nächsten Mal vielleicht nur noch einer. Klar, da bezahlt ein kleinerer Aussteller allein für den Kühlschrank 300 Euro, für den Internetanschluss 600 Euro und hat dann für eine Standfläche von 100 Quadratmetern nach einer Woche inkl. Personal 60.000 Euro verbraten. Auch hier fragt sich jeder nach dem Nutzen. Die "AMI" grüßt von weitem.
Es ist vermessen vom großen Infotainment zu sprechen, wenn gerade mal Clarion da ist. Hören tut man da nichts. Bose und wie sie alle heißen, du siehst und hörst in der Halle 3.1 nichts. Wie kann man Car Wash City ankündigen, wenn in einem geräumigen Beduinenzelt gerade mal Christ vertreten ist. Das war keine City, sondern allenfalls ein Dörfle. Die frühere Freifläche wird gerade umgebaut. Diese englisch-übertriebene Marketingsprache auf der ganzen Messe mag wo immer auch glänzen, einen soliden Schwaben überzeugt das nicht.
Der schlichte Stand von Clarion
Ein Blick auf Car Wash City
Wie wohltuend war da einmal mehr die schönste Traditionsveranstaltung der Automechanika von Shell. Nach getaner Arbeit im Hessischen Hof. Keynote Speaker Ralf Goldschmidt zeigte sieben Lebensbereiche auf, die Lebenskunst ausmachen.Wir lassen seine letzte Empfehlung durch Casanova sprechen. Im Klartext: Bleib dir selber treu!
7 zu gestaltende Lebensbereiche!
Bleib dir treu!
Ich hätte ja gerne eine flammende Liebeserklärung zur Automechanika abgegeben. Das wäre schön für frühere Erinnerungen an große Automechanika-Messen gewesen. Die überschäumende Begeisterung hätte aber sicher den Verstand beleidigt. Wer bringt das Kunststück fertig, den Laden im Großen zusammenzuhalten und trotzdem im Detail erfolgreich weiterzuentwickeln? Es sind da für die Zukunft pragmatische Schritte angesagt!
Mit ganz besonderen Messegrüßen aus Frankfurt
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Gerhard Lustig