HB ohne Filter: IAA +++ Vertrauensschadenversicherung +++ Meisterpflicht +++ Bernhard Enning
Unabhängig, scharfsinnig, auf den Punkt: der aktuelle Wochenkommentar von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat!
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13.09.2019Die 69. IAA muss kommen! In Frankfurt! +++ Vertrauensschadenversicherung – Kontrollieren! +++ Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken +++ ZDK-Ehrenpräsident Bernhard Enning zum 80. Geburtstag
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Die 69. IAA muss kommen! In Frankfurt!
Ein kreatives Messeplakat mit "Da"-Motiven, das machte ersten positiven Eindruck! (siehe Abbildung 1). Die 68. IAA läuft noch bis zum 22. September 2019. Und dann soll Schluss sein mit der IAA? Die CEBiT, einst größte IT-Messe, schloss 2018 auch ihre Pforten in Hannover. Die IAA hatte mal über eine Million Autofans. Wie viele werden es 2019 werden? 600.000? Bei der IAA 2017 fehltenschon elf Automobilhersteller, jetzt blieben 30 der Messe fern. Die Folge: Die 68. Automesse in Frankfurt ist eine Rumpf-IAA! Aber nicht nur wegen der Weggebliebenen, auch die übrigen präsentieren sich in auffällig smarterer Form. Bis auf den Volkswagen-Konzern. Der gibt Gas, viele andere stehen beharrend auf der Bremse und fahren auch noch weiter mit angezogener Handbremse. Das fällt dann sichtbar unterschiedlich gut aus.
BMW hat bei der IAA 2019 Budget und Fläche um zwei Drittel gekürzt. Da sieht beispielsweise auf dem Stand in Halle 11 so aus, dass im Schatten von anderen Marken im hinteren Hallenbereich einzelne Modelle üppig präsentiert werden (siehe Abbildung 2). Wenn man als Journalist links davon zum Infoschalter geht und eine Presseinformation will, bekommt man einen "Fresszettel" hingehalten (siehe Abbildung 3), der einem die virtuelle Verbindung verrät. BMW, eine "quandt'sche Engführung". Von "Driving tomorrow" ist da arg wenig zu sehen.
Besser fällt das bei Mercedes-Benz aus. Dort wird ab den Fachbesuchertagen im Forum die Produkte und in der Festhalle das Mercedes-Benz-Exhibitionforum in einer Experience-Show präsentiert. Die Besucher werden systematisch hochgeführt zu Stationen über Energie, Intuitive, Responsible, Excite und bei "Big Picture" - zehn Meter hoch und 30 Meter breit - läuft ein automobiles Faszinosum u.a. über "Driving Tomorrow" ab. Wenn selbst grandiose Bilder oder Reden versagen, spielt Musik. Eine einmalige Inszenierung. Da bleiben alle vor Erstaunen stehen und werden mobil berührt, ja fasziniert (siehe Abbildung 4).
Oder man schaue sich die "Lausigkeit" an, wie Renault meint, eine Weltpremiere, den Captur, inszenieren zu können. Man besorge sich im Daimler-Areal - Halle 2 - den Raum "Panorama" und lade dort zum "New Captur Talk" mit dem Vorstandsvorsitzenden Thierry Bolloré ein. Eine Dame weist dann auffällig den "Daimler-Passanten" den Weg (siehe Abbildung 5). Mit dem Vorstandsvorsitzenden arrangiert man zeitgleich zur Messe im "Handelsblatt" ein zweiseitiges Interview und tut mit allem so, als sei Renault auf der IAA mit einem eigenen Stand vertreten. Diesen findet man dann im Freigelände (siehe Abbildung 6). Fragt man die Standhostesse, was diese Wand hier bedeute, erhält man zur Antwort: "Wir zeigen, was geht." Die wusste nicht einmal, dass es sich um eine Weltpremiere handeln soll. Ein erbärmliches Bild, das hier Renault zeichnet. Französische Präsenz! Wir sprachen bis hierher von der Präsentation der Fahrzeuge durch die Hersteller. Und das ist 2019 so nicht einmal etwas Halbes. Anders, das Ganze sollte wieder her.
Was seit 1951 in Frankfurt stattfindet, sollte in Frankfurt bleiben. Der VDA als Veranstalter hat insgesamt 600 Mitglieder, eben auch viele Zulieferer. Und das ist ein wichtiger zweiter Teil der Messe, der eben auch stark international bestückt ist. Und wer aus Korea oder China oder aus Japan in Frankfurt Messeaussteller ist, landet nun mal direkt in Frankfurt.
Man mag es nicht wahrhaben, dass es primär die Kosten sein sollen, dass da einige zum IAA-Rückzug blasen. Wer Milliardengewinne erwirtschaftet, wird für den Messebereich das Budget haben. Die Frage ist, ob für jede Messe weltweit andere Standkonzepte entwickelt werden müssen? Aber alle zwei Jahre wäre eine ganzheitliche Präsentation der Mobilitätswelt für die deutschen Hersteller ein Muss. Die Automobilindustrie ist in Deutschland mit 800.000 Arbeitsplätzen der wichtigste Industrieteil. Es geht um die internationale Präsentation von Deutschland. Aktuell ist in Frankfurt die Leitmesse für Mobilität thematisch ansprechend erweitert. Im Konferenzbereich waren Hochkaräter vertreten. Das ist doch ein Erlebnis, Daimler-Chef Ola Källenius im Gespräch mit Grünen-Chef Robert Habeck zu erleben? Oder was entwickeln die Experten in Sachen Mobilität? 72 Fahrzeuge stehen zur Probefahrt? E-Fahrzeuge, Wasserstofffahrzeuge, sogar Teslas. Ein Geländewagenparcour erregt Schwindelgefühle usw.
Nicht zuletzt konnte man am Donnerstag die mächtigste Frau der Welt, Bundeskanzlerin Angela Merkel erleben, bei der offiziellen Messeeröffnung oder beim eineinhalbstündigen Messerundgang. Sie zeigte in ihrer Rede den "roten Faden" ihrer politischen Überlegungen auf. Auch VDA-Präsident Bernhard Mattes hielt eine glänzende Rede. Man kann diese hier anhören oder ausdrucken.
Nun platzte abends um 17:30 Uhr die Nachricht durch den Ticker, dass Bernhard Mattes zurücktreten werde. Diese Mitteilung hatte wohl den höchsten Verbreitungsgrad seiner Amtszeit. Wer morgens noch mit der Kanzlerin auftritt und schon weiß, dass er abends geht, muss da innerlich wohl im voraus an Vergeltung gedacht haben. Und das mag, wie in vielen anderen Verbänden oder Vereinen die eigentliche Ursache für ein denkbares Scheitern auch der IAA sein: fehlende Solidarität. Jeder kocht am liebsten seine Suppe und führt neue Produkte in eigener Regie ein. Auch medial. Bricht nach der AMI die IAA weg, ist die AutoShow in Freiburg als Regionalmesse künftig Deutschlands größte Automesse. Das kann und darf es nicht sein. Auch wenn Günther Öttinger der neue VDA-Präsident werden sollte, dann hat er wie Ex-VDA-Präsident Matthias Wissmann ohne Frage den direkteren Draht zu den politischen Entscheidungsträgern. Man wollte aber mit Bernhard Mattes bewusst einen Industriemann haben. Der VDA ist in sich eine Veranstaltung, die voller Interessensgegensätze steckt. Hier die Automobilindustrie, dort die gedrückten Zulieferer!
IAA-Messeplakat 2019
IAA 2019: BMW-Messestand
IAA 2019: BMW-"Fresszettel" für Journalisten
IAA 2019: Mercedes-Benz
IAA 2019: "New Captur-Talk"
IAA 2019: sparsamer Renault Captur-Blick
Vertrauensschadenversicherung – Kontrollieren!
Haben sie diese Versicherungsart schon einmal gehört? Die VSV (Vertrauensschadenversicherung) schützt Unternehmen vor Vermögensschäden aus unerlaubten Handlungen, die von Betriebsangehörigen oder sonstigen Vertrauenspersonen des Unternehmens begangen werden. Eine sehr häufige Variante dabei ist der Verkauf von Waren auf eigene Rechnung an einen Komplizen. So hat eine männliche Mitarbeiterarmada in einem Autohaus in Süddeutschland über Jahre einen - so hört man - Millionenschaden inszeniert. Im Service, markant über den Teilebereich. Fünf Mitarbeiter wurden nach Aufdeckung sofort fristlos entlassen. Der Kopf der Aktion, ein langjähriger Mitarbeiter, für den der Chef die Hand ins Feuer gelegt hätte, war angeblich der Drahtzieher. Er "genoss" sein blindes Vertrauen, das ihm entgegen gebracht wurde.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) registrierte für 2018 sage und schreibe 2.500 derartiger Fälle. Der Sprecher des GDV: „Angesichts unserer Erfahrungen müssen wir davon ausgehen, dass jedes Jahr fünf bis zehn Prozent der deutschen Unternehmen von eigenen Mitarbeitern betrogen wird.“ Die Täter seien in der Regel männlich, schon länger bei den Firmen angestellt und oft in Führungspositionen tätig. Da arbeiten diese Beschäftigte auch gerne mit Kollegen und Kunden zusammen. Die Beute wird in Folge stets brüderlich geteilt. Im Schnitt, so der GDV, bringen kriminelle Kollegen ihre Arbeitgeber um knapp 115.000 Euro, ehe sie aufgedeckt werden. Es herrsche eine extreme Dunkelziffer. Die Prognosen gehen insgesamt in die Milliarden.
Auch diese Art von Informationen wird in den Medien gerne unter der Decke gehalten. Man muss doch Mitarbeiter vertrauen. Vertrauen ist schließlich ein hohes Gut. Ohne Vertrauen wächst nichts. Ohne Misstrauen - und das stimmt eben auch - würden die Menschen aber ganz gezielt hinters Licht geführt. Wie oft müssen wir heute erfahren, dass Morgen genau das Gegenteil gilt? Der legendäre Otto Hahn, ehemaliger ZDK-Vizepräsident und langjähriger Sprecher des deutschen Automobilhandels, hat das in seinem einmaligen schwäbischen Humor die goldene Mitte so umschrieben: "Vertraue Allah, aber binde dein Kamel an!" Welch kluger Rat. Wir wollen jetzt ja nicht analysieren, in welchen Fällen dann die Vertrauensschadenversicherung überhaupt bezahlt und wie hoch die Prämien dafür ausfallen.
Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier und die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD im Bundestag, Carsten Linnemann und Sören Bartol haben sich darauf geeinigt, in zwölf weiteren Gewerken zur Meisterpflicht bei einer Betriebsgründung zurückkehren zu wollen. Das ist grundsätzlich gut so!
Die Sicht des Handwerks klingt dann beim Kommentator im 'Handelsblatt' am 10. September 2019 so: Rückkehr des Zukunftswesens. Wörtlich: "Die Handwerkslobby hat sich durchgesetzt. Die Zeche zahlen die Verbraucher.“ Es fehlen die Handwerker am Bau und das wird dadurch noch schlimmer. Lupenreine Marktzugangsbeschränkung. Weiter: "Die Befürworter der Meisterpflicht verweisen immer darauf, dass dieser Titel für besondere Qualität stehe. Den Beweis konnte noch niemand empirisch erbringen.“ Man hofft, dass das durch das Bundesverfassungsgericht sowie durch die EU-Kommission verhindert wird und die Dienstleistungsfreiheit betont wird. Wie lange hat es gedauert, dass eine gute Meisterprüfung einem Fachabitur in der Qualifizierung gleichgestellt ist, sprich ein Teil der Diskriminierung des Handwerks endlich politisch beseitig wurde? Und die Meisterprüfung hat wirklich nichts mit mangelndem Nachwuchs im Handwerk zu tun. Im Gegenteil: Meisterbetriebe bilden mehr aus, als "freie Betriebe". Bedauerlich, dass es für Journalisten keine "Meister-Hürden" gibt. Richard Wagner schrieb aus gutem Grunde in seinem Werk "Die Meistersinger von Nürnberg": Ihr Deutschen, ehret eure Meister. Meister auf allen Ebenen! Das ist Ehr und standesgemäß Verpflichtung.
ZDK-Ehrenpräsident Bernhard Enning zum 80. Geburtstag
Der Jubilar, ein Idealist! Es hat jeder von uns in seinem Leben seine eigenen Aufgaben zu bewältigen. Jeder hat sein eigenes Schicksal Gerecht? Bernhard Enning, Automobilunternehmer aus Recklinghausen, aufgewachsen im elterlichen Autohaus als VW-Großhändler, als Porsche-Händler hat eine auffällige Vergangenheit hinter sich. Trennen wir bei ihm heute das unternehmerische Schicksal eines Autohausinhabers von all seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten. Hier das unternehmerische Aufgabenpaket, dort das ehrenamtliche, gesellschaftliche Engagement. Er gehört zu jenen, die dem Hersteller zu arg vertraut haben. Oder biblisch formuliert: Selig sind die, die Misstrauen, denn sie haben viel Unheil abgewendet. Trotz allem, und das ist ein besonderes Prädikat von Bernhard Enning, er ist bis heute durch und durch Automobilist geblieben. Er lebt intensiv mit, er ist mit ganzem Herzen automobilistisch dabei. Jetzt hat er auch noch die glückliche Besonderheit, dass sein Geburtstag, am 14. September, Jahr für Jahr während der IAA oder der Automechanika stattfindet. Und dazu hatten wir vor allem im Hessischen Hof in Frankfurt unvergessliche Begegnungen. Er war auch diese Woche auf der IAA in Frankfurt anzutreffen.
Aufgefallen ist er in jüngeren Jahren durch sein Engagement im Landesverband Nordrhein-Westfalen. Er fungierte dort von 1982 bis 1990 als Präsident des Landesverbandes. Das war sein Sprungbrett für die Spitze an den ZDK. Von 1990 bis 1996 wirkte er für zwei Perioden als ZDK-Präsident. In seine Ära fiel die Wiedervereinigung und damit die Integration der Verbände aus den Neuen Bundesländern. Und dabei war er vor Ort unermüdlich aktiv im Einsatz. Wie viele Kilometer war dieser Mann auch des Nachts für den gemeinsamen Verbund ZDK unterwegs! Ich habe ihn oft bewundert, wo er überall auftauchte. Er hält sicher unter den ZDK-Präsidenten den selbstgefahrenen Kilometerrekord. Das schafft nur ein Idealist.
Er trägt für sein ehrenamtliches Engagement das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zu recht am Revers. Das Kfz-Gewerbe zeichnete ihn mit der Goldenen Ehrennadel des ZDK aus. Nochmals, seine Präsenz war atemberaubend. Zu Lasten von wem? Zu Lasten von was? Bernhard Enning, er war einfach da. Man mochte ihn. Warum? Bernhard Enning ist ein Herzensmensch. Immer offen, immer ansprechbar, liebenswürdig, gütig. Bernhard Enning saß auch im Präsidium und Verwaltungsrat der DAT, im DEKRA-Beirat, im VdTÜV-Kuratorium. Eine sehr persönliche wichtige Anmerkung sei noch zu seiner Charakteristik erlaubt. Wie Bernhard Enning sich seit Jahren um die Pflege seiner erkrankten Frau Elfi kümmert, unterstreicht seine persönliche, seine menschliche Größe. Seine Heimatstadt Recklinghausen richtet für ihn am 24. September 2019 im Großen Sitzungssaal des Recklinghäuser Rathauses einen Geburtstagsempfang aus. Wie zu hören ist, wird auch Prof. Dr. Carl Horst Hahn (93), ehem. Vorstandsvorsitzender von Volkswagen daran teilnehmen.
Bernhard Enning, die Branche dankt Ihnen für Ihr großartiges menschliches Wirken. Sie haben viele Brücken gebaut und Ost und West in der Branche wirkungsvoll zusammengeführt. Respekt und Dank! Sie haben damit auch einen ganz wichtigen Beitrag für unsere Demokratie geleistet!
Bernhard Enning
Spruch der Woche
"Mobilität bewegt nicht nur Menschen und Güter,
Mobilität bewegt auch Gemüter."
VDA-Präsident Bernhard Mattes anlässlich der Messeeröffnung.
Mit meinen besten Grüßen – auf ein baldiges Wiedersehen auf der IAA!
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de
Der nächste HB ohne Filter erscheint am 20. September 2019!