Ausgefallene Termine, unzählige Anträge und ständige Unterbrechungen: Im ersten großen Betrugsprozess zur Dieselaffäre bei Volkswagen sind die Pläne des Gerichts zur Verfahrensbeschleunigung am Donnerstag durchkreuzt worden. Mit mehreren Anträgen wehrten sich Verteidiger im Braunschweiger Landgericht unter anderem gegen die geplante Vernehmung von Staatsanwälten als Zeugen. Die Anwältin eines angeklagten Ex-Topmanagers warf den Strafverfolgern zudem eine "inakzeptable" Vorgehensweise vor. "Zeugen sind unangemessen unter Druck gesetzt worden", sagte sie.
Der Vorsitzende Richter Christian Schütz räumte zu Beginn ein, dass sich seine geplante Fortsetzung damit vorerst erledigt habe. "Was soll ich dazu sagen?", fragte er die Beteiligten in der Braunschweiger Stadthalle, in die das Verfahren wegen seiner Größe ausgelagert wurde. Da mittlerweile 34 von 38 maßgeblichen Zeugen von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten, wollte das Gericht am Morgen eigentlich damit beginnen, bestimmte Beamte der Staatsanwaltschaft vernehmen, die jene Zeugen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zuvor befragt hatten.
Etliche der bisher geladenen Zeugen sind nämlich in Folgeverfahren zur Aufarbeitung der VW-Dieselaffäre selbst angeklagt. Sie müssen in der Hauptverhandlung mit vier angeklagten Ex-Führungskräften also nicht als Zeugen auftreten. Diese Hängepartie wollte die Strafkammer mit dem Ansatz auflösen, einzelne Strafverfolger aus wichtigen eigenen Zeugenvernehmungen berichten zu lassen. Die dafür am Donnerstag eingeplante Oberstaatsanwältin musste aber erst mehrere Stunden vor der Tür warten.
Ständige Verfahrenspausen – Richter verägert
Zuvor zogen sich Anträge und Stellungnahmen fast über den kompletten Verhandlungstag. Seinen Unmut über die ständigen Verfahrenspausen machte Richter Schütz auch deutlich. Zum einen Antrag auf Unterbrechung sagte er: "Das war doch klar, dass das heute kommt. Wir müssen doch vorwärtskommen in diesem Verfahren." Schütz hatte schon zum Prozessbeginn im September durch die Abtrennung des Verfahrensteils gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn eigentlich eine Beschleunigung erreichen wollen.
Stattdessen standen am Donnerstag zunächst Vorwürfe der Verteidigung gegen die Staatsanwaltschaft im Zentrum. Eine Verteidigerin warf den Anklägern "hektische Bemühungen" vor, die möglichen Zeugen doch zu einer Aussage zu bewegen. Einigen sei dafür die Einstellung des eigenen Verfahrens gegen eine Geldbuße in Aussicht gestellt worden. Die Anwältin regte an, Vertreter der Staatsanwaltschaft vom Verfahren abzuziehen. Ein Kollege sagte, er wolle wissen, welchen Zeugen unter welchen Bedingungen eine Einstellung in Aussicht gestellt worden sei. Die Staatsanwaltschaft widersprach dem Vorwurf, sich Zeugen erkaufen zu wollen. Es gebe kein Fehlverhalten.
Richter Schütz stellte klar, dass die Kammer über Gespräche zu möglichen Verfahrenseinstellungen informiert werden will, weil die Betroffenen dann wieder als Zeugen in Betracht kommen. Anschließend rief er die Oberstaatsanwältin doch noch als Zeugin auf und ließ sie mit einem Bericht über eine Vernehmung während der Ermittlungen beginnen. Mit solchen Aussagen soll der Prozess nun auch fortgesetzt werden.
Klar wurde am Donnerstag aber auch, dass die bisherige Planung bis Mitte 2023 nicht ausreicht. Richter Schütz kündigte weitere Termine bis in den Januar 2024 an.