Ausgabe 10/2008: .Druck und Chancen

Reifengeschäft / Dr. Pedro Navarro-Both, Leiter Ersatzgeschäft Autohaus Pirelli Deutschland, im Gespräch über die Bilanz 2007, Internetverkauf und den neuen Pirelli Cinturato..Druck und Chancenvon Thomas SeidenstückerDer fehlende Winter und ein schwacher Fahrzeugmarkt haben die Reifenbilanz 2007 auf weiter Flur eher vermiest. Die Läger liegen noch voll und der Handel plant eher verhalten. Wir sprachen mit Dr. Pedro Navarro-Both, Leiter Ersatzgeschäft Autohaus Pirelli Deutschland GmbH, zur Lage des Reifengeschäfts aus Sicht von Pirelli. AH: Herr Dr. Navarro-Both, das Reifengeschäft 2007 war für die Branche eher rückläufig. Wie sah es bei Pirelli aus?Dr. Navarro-Both: Insgesamt war das Jahr 2007 für die Pirelli Deutschland GmbH ein erfolgreiches Jahr. In unseren traditionell starken Segmenten W, Y, Z (UHP-Reifen) und SUV konnten wir schneller wachsen als der Markt. Das Winterreifengeschäft ließ sich aufgrund der negativen Marktentwicklung (-20%) nicht steigern. Auch das Ersatzgeschäft im Autohaus war insgesamt sehr erfolgreich. Bis auf das Wintersegment ließen sich im Autohaus in allen anderen Segmenten hohe Wachstumsraten verzeichnen. Pirelli ist im Autohaus etabliert und durch hervorragende Produkte und kundenorientierte Betreuung sehr angesehen.20 Prozent RückgangAH: Wer hatte die stärkeren Einbußen zu verzeichnen? Reifenfachhandel oder Autohaus und Werkstatt? Dr. Navarro-Both: Die Einbußen im Wintergeschäft waren gleichermaßen stark im Autohaus wie im Reifenhandel zu spüren. Die rückgängige Endkundennachfrage wirkte sich auf beide Vertriebskanäle aus. Im Autohaus kam zudem der Zusammenbruch des Privatkundengeschäfts in der Neuwagenvermarktung hinzu, was negative Auswirkungen auf die Vermarktung von M+S-Kompletträdern nach sich zog. 400.000 Zulassungen weniger bedeuten bei 50-prozentiger Umrüstquote einen Verlust von 800.000 Winterreifen! Das haben die Autohäuser stark zu spüren bekommen.AH: Was passiert mit den nicht verkauften Reifen? Bleiben die beim Händler oder nehmen Sie die Reifen zurück?Dr. Navarro-Both: Fakt ist, dass es noch nie so hohe Lagerbestände mit Winterreifen gegeben hat wie in 2008. Der Markt ist im letzten Winter um 20 Prozent zurückgegangen. Derzeit gehen die Schätzungen auf bundesweite Lagerbestände von acht bis neun Millionen Reifen, die sich in den letzten zwei Jahren in den Lägern gesammelt haben. Pirelli bietet den Partnern individuelle Lösungen, um die Situation logistisch zu entspannen. Zudem sprechen wir mit einer Sicherheitskampagne den Endverbraucher an, der bei Umrüstung bis zu 52 Euro von Pirelli erstattet bekommt. Bedingung ist der Kauf von PZero-Produkten und Einhaltung einer Sicherheitsprofiltiefe. AH: Die hohen Lagerbestände belasten auch das aktuelle Geschäft. Zudem lassen sich die "alten Reifen" doch nur mit Nachlässen verkaufen? Dr. Navarro-Both: Sie sprechen einen der wunden Punkte bzw. kritischen Themen an. Zum einen besteht ein großer Handelsdruck – dieser kann als Konsequenz zu Preisdruck und Preisverfall führen. Der Automobilhandel hat im letzten Jahr genau unter diesem Phänomen stark gelitten und Erträge verbrannt – eine Aktion folgte der anderen –, die Rabattschlacht half aber keinem. Wenn die Endkundennachfrage nachlässt, dann hilft keine Rabattschlacht mehr. Der Einfluss der Reifenindustrie auf die Handelspartner ist nicht gegeben – wir können lediglich Empfehlungen aussprechen, die auf seriösen Panelanalysen und Preisabfragen beruhen. Pirelli verfolgt eine Premiumstrategie und wird alles tun, um den Markenwert zu erhalten – auch in schwierigen Marktsituationen. Das schafft Vertrauen und Preissicherheit des Autohauses in der Vermarktung unserer Produkte.Umweltreifen CinturatoAH: Die CO2-Debatte macht auch vorm Reifen nicht Halt. Zum einen das Thema mehr Laufleistung, zum Zweiten weniger Rollwiderstand. Wie reagiert Pirelli? Dr. Navarro-Both: Pirelli ist derzeit – neben einem französischen Reifenhersteller – der einzige Reifenproduzent mit einer klaren und umfassenden Antwort auf das Thema Umweltschonung und CO2-Minimierung. Die Antwort bei uns heißt CINTURATO, unser neuer "Umweltreifen". Cinturato steht für geringeren Rollwiderstand und somit eine CO2-Emissions-Senkung, 30 Prozent längere Laufleistung und bessere Performance (Testsieger im ADAC!). Die Cinturato-Mischungstechnologie wird verstärkt in der Erstausrüstung Anwendung finden. Im Rahmen der Frühjahrskampagnen werden wir das Thema offensiv kommunizieren. Denn wir glauben, dass der Endverbraucher immer umweltbewusster wird, und sehen uns hier in der Verpflichtung, unseren Beitrag zur Umweltschonung zu leisten.AH: Wie lassen sich UHP-Segment, also Sport- und Breitreifen, und die Erwartungen bezüglich Umweltschutz-Reifen miteinander vereinbaren? Dr. Navarro-Both: Auch wenn es zunächst verwundert, stammt die Cinturato-Technologie aus unseren Innovationen im Bereich PZero. Unser erster Umweltreifen ist der PZero! Gleichzeitig spielt hier Performance eine sehr große Rolle. PZero-Reifen müssen in der Lage sein, Extrembedingungen in Bezug auf Antriebs-, Brems- und Querkräfte aufzunehmen, und Höchstgeschwindigkeiten über 350 km/h problemlos aushalten. Die Innovationen hinsichtlich leichterer, besserer Materialien für den Reifenbau und effizientere Karkass-Strukturen sind auf die Cinturato-Produkte übertragen worden. Das Ergebnis: Umwelttechnologie mit besserer Performance! Das UHP-Segment wird deshalb aus meiner Sicht weiterhin ein Wachstumsmotor bleiben. Aber Umwelttechnologien werden die größte Auswirkung auf das Automobil haben. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten.AH: Wie schätzen Sie die Bedeutung des Internets beim Reifenverkauf ein? Sollte ein Autohaus hier mitgehen oder eher ablehnend agieren?Dr. Navarro-Both: Das Internet hat in den letzten Jahren zu starker Vernetzung und Transparenz geführt. Leider ist im Reifenbereich, aber das trifft auf alle Produktfelder zu, die Transparenz meist auf den Preis reduziert. Es haben sich diverse Plattformen etabliert, die sowohl im Autohaus als auch im Reifenhandel präsent sind. Dieser Faktor hat zu Preisverfall geführt, weil aus der logistischen Vernetzung von Lägern der Großhändler Reifen mit geringeren Abschlägen verkauft werden als in der Vergangenheit. Das Internet liegt im Trend und B2B wird zunehmen. Am Ende bietet das Internet einen neuen Absatzkanal, der sich unterschiedlich gut nutzen lässt. Fakt ist: Wer das Internet nur nutzt, um günstige Preise abzugeben, wird mittelfristig ein finanzielles Problem haben, weil oft die Personal-, Lager-, Verpackungs- und Logistikkosten im Angebot nicht einkalkuliert werden. Und was nutzt Umsatz ohne Ertrag?AH: Herr Navarro-Both, herzlichen Dank für das Gespräch!

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