In seinem Fachbeitrag, den wir nachfolgend wiedergeben, spricht er die Brandthemen, die ihn, Werkstätten und Kfz-Sachverständige, aber auch die Versicherungsnehmer selbst bewegen, deutlich an. Leistungen würden ganz einfach gekürzt – auch wenn dies zumeist rechtswidrig ist. Ein wirksames Gegenmittel sei in der Regel nur die anwaltliche Begleitung und das Einklagen aller willkürlich gekürzter Positionen. Hier der Beitrag im Original-Wortlaut:
Mittlerweile bieten fast alle großen Versicherer auch langfristige Baufinanzierungen an. Teilweise sogar ohne Eigenkapital und das oft sogar zu besseren Konditionen als die eigene Hausbank. Spätestens jetzt weiß man, dass die Versicherungsbranche nicht davon ausgeht, langfristig am Kapitalmarkt größere Erträge erwirtschaften zu können!
Nun werden Sie sich fragen: Was hat das jetzt mit (m)einem Verkehrsunfall zu tun? Die Verbindung liegt auf der Hand: Konnten die Versicherer früher die Prämien am Kapitalmarkt anlegen und hierdurch Gewinne erwirtschaften, so gelingt ihnen dies heute nur noch in geringem Umfang. Wenn es aber nichts mehr zu verdienen gibt, muss zur Erhaltung der Rendite Geld gespart werden. Und das wiederum geht am einfachsten mit demjenigen, der sich nicht darüber vertragsgefährdend beschweren kann: Beim Unfallopfer oder bei der für ihn tätigen Werkstatt. Beide zahlen dem Versicherer keine Prämie, so dass man sie auch unzufrieden zurücklassen kann, ohne eine Kündigung und damit den Verlust von Prämienzahlungen zu riskieren.
Das Kürzungsregister wird breiter
Wie sich sich dieses Sparen in der Praxis auswirkt, weiß jede Werkstatt nur zu gut: Vom Einwand eines Mitverschuldens bis zur systematischen Kürzung einzelner Schadenspositionen werden alle Register gezogen, um die Zahlungspflicht so gering wie möglich zu halten.
Früher beschränkten sich die Kürzungen auf einzelne Schadenspositionen wie Stundenverrechnungssätze, Ersatzteilaufschläge oder Verbringungskosten. Dies war schon ärgerlich genug. Mittlerweile gehen viele Versicherer aber auch – natürlich zusätzlich – dazu über, mit Hilfe externer Dienstleister auch konkrete Rechnungspositionen zu streichen, selbst wenn sie nur wenige Cent ausmachen wie beispielsweise die Kosten einer Gummidichtung an einer Heckklappe (AG Fürstenwalde/Spree, Urteil vom 09. Juli 2014, 26 C 299/13).
Selbstverständlich weiß die Versicherungswirtschaft, dass ein solches Vorgehen rechtswidrig ist. Es kommt – schadensersatzrechtlich – überhaupt nicht darauf an, ob die Werkstatt ordnungsgemäß gearbeitet hat oder ob die Arbeiten erforderlich waren (LG Köln, Urteil vom 29.03.2016, 36 O 65/15). Selbst dann, wenn die Werkstatt Arbeiten berechnet, die überhaupt nicht ausgeführt wurden, hat der Geschädigte einen Anspruch auf volle Zahlung der Reparaturkosten gemäß Rechnung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015, 14 U 63/15).
Dennoch kürzen die Versicherer mit Hilfe von Prüfberichten unberechtigt auch alle weiter berechneten Positionen (Standgeld, Mietwagenkosten, Kosten für einen Reparaturablaufplan, Reinigungskosten, Abschleppkosten, Kosten einer Probefahrt).
Der Einfallsreichtum (oder die Not?) geht sogar so weit, dass der Wert von Altteilen in Abzug gebracht wird. Ein solches Vorgehen kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn der Versicherer – wie beim Restwert im Totalschadensfall – einen Restwertkäufer benennt und der Geschädigte mit nur einem Anruf und ohne Risiko an diesen verkaufen und den Wert erzielen kann.
Assekuranz-Kampf "um jeden Cent"
Bei solchem Vorgehen der Versicherer verwundert es nicht, wenn das AG Eisenach mit Urteil vom 17.11.2016, 57 C 175/16, ausführt, dass "angesichts der mittlerweile herrschenden Regulierungs- respektive Nichtregulierungspraxis der Automobilversicherungswirtschaft, bei der sich die den Beklagten in Deutschland vertretende Versicherung amtsbekannt in besonderem Maße hervortut, sich die Frage stellt, ob es überhaupt noch einfach gelagerte Verkehrsunfälle gibt… Es legt den Anschein nahe, dass um jeden Cent gekämpft wird" (ähnlich – mit Streit zur Schadenshöhe ist immer zu rechnen – äußerten sich das AG Freiburg im Breisgau, Urteil vom 28.06.2016, 5 C 643/16; das LG Hamburg, Urteil vom 11.03.2016, 306 S 85/15, und das AG Magdeburg, Urteil vom 05.12.2016, 20 C 6406/16).
Versicherer kennen Verhalten jeder Werkstatt
Zur Durchsetzung aller Schadenspositionen können Sie natürlich einmal – vermutlich aber mehrmals – beim Versicherer anrufen und um Zahlung bitten oder ihm hinterherschreiben. Insbesondere Versicherer, die ihre Schadensregulierer nach Regionen aufteilen, wissen aber, welcher Betrieb nur anruft und droht und welcher Betrieb die Differenz zur Not auch einklagt. Hierzu ist die Hinzuziehung eines Anwalts am Sitz der Werkstatt zu empfehlen, denn er kennt auch die regionalen Besonderheiten der örtlichen Rechtsprechung des Gerichts. Er kümmert sich um die Beitreibung offener Posten und wird dafür – im Gegensatz zu Ihnen – auch für seinen Aufwand bezahlt, und zwar im Falle eines unverschuldeten Unfalls sogar vom Versicherer des Schädigers. Denn der Unfallverursacher muss die Kosten des vom Geschädigten beauftragten Rechtsanwalts – wie auch alle anderen Schadenspositionen – zahlen, wenn die Hinzuziehung eines Anwalts erforderlich ist.
Den "einfach gelagerten" Fall gibt es kaum noch
Unter Berücksichtigung der heutigen Regulierungspraxis der Versicherer kann kaum noch angenommen werden, dass eine Regulierung der Höhe nach ohne Abzug erfolgen wird, weshalb Rechtsanwaltskosten grundsätzlich erstattungsfähig sind (AG Mitte, Urteil vom 2. Juni 2015, 102 C 3305/14). Aufgrund der Ausdifferenziertheit der Rechtsprechung ist ein einfach gelagerter Fall kaum denkbar (LG Kassel, Beschluss vom 28.01.2016, 1 S 309/15).
Auch Firmen, die in wirtschaftlichen Dingen geübt sind, können die Rechtsanwaltskosten als erforderliche Kosten der Durchsetzung des Schadens erstattet verlangen, es sei denn, sie verfügen über eine mit der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden befasste Rechtsabteilung. Denn die Geschäftserfahrung einer juristischen Person erstreckt sich gemeinhin nicht auf die Regulierung von Unfällen (AG Köln, Urteil vom 23.03.2015, 274 C 209/14; AG Esslingen, Urteil vom 10.01.2018, 1 C 661/17; AG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018, 50 C 208/17).
Selbst bei Mitschuld unbedingt den Anwalt beiziehen
Auch für den Fall eines etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten sollte ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Denn dieser wird nur die berechtigten Ansprüche des Geschädigten durchsetzen, so dass die hierfür anfallenden Anwaltskosten vom Schädiger zu übernehmen sind.
Darüber hinaus kann der Rechtsanwalt für den Fall eines Mitverschuldens und einer etwaig bestehenden Vollkaskoversicherung exakt ausrechnen, welche Vorgehensweise für den Geschädigten die bestmögliche Regulierung darstellt.
Klage beschleunigt die Zahlung
Des Weiteren kennt Ihr regionaler Anwalt die von den Gerichten üblicher Weise angenommenen Regulierungsfristen. Lässt sich ein Versicherer mit dem Ausgleich Ihrer Rechnung über Gebühr Zeit, kann der Anwalt ohne Kostenrisiko insoweit Klage erheben und Sie kommen zügig an Ihr Geld, da häufig schon bei Klagzustellung anerkannt und gezahlt wird.
Schmerzensgeld und sonstige Positionen nicht vergessen!
Darüber hinaus kann der Anwalt für Ihren Kunden auch alle weitere Schadenspositionen geltend machen, deren Durchsetzung Sie in Konflikt mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz bringt wie beispielsweise ein Schmerzensgeld. Hierzu ist oftmals eine persönliche Besprechung mit dem Anwalt erforderlich, um die Verletzungen und deren Folgen im Einzelnen beschreiben zu können. Auch wegen des unter Umständen erforderlichen persönlichen Gesprächs sollte ein Anwalt am Firmensitz beauftragt werden.
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass Sie bestimmte Rechtsanwälte empfehlen. Es ist es üblich, dass Werkstätten mit bestimmten Rechtsanwälten ständig zusammenarbeiten und die entsprechenden Vollmachtsformulare vorhalten. Die Zeiten, in denen Mandanten im Wartezimmer auf einen Besprechungstermin warten mussten, sind vorbei. Ihrem Partner-Anwalt können Sie unkompliziert alle Unterlagen elektronisch zukommen lassen. Er wird sich mit Ihrem Kunden in Verbindung setzen. (RA Jens Dötsch, Andernach)