Die Zeiten, als Autofahrer für jede Bedienfunktion eine separate Taste drücken, einen Regler drehen oder einen Hebel umlegen konnten, sind vorbei. "Denn moderne Fahrzeuge bieten viel zu viele Funktionen, die sich in dieser Menge nicht mehr durch einzelne Tasten ein- und ausschalten lassen – schon gar nicht in guter Erreichbarkeit für den Fahrer und optisch ansprechend im Cockpit gruppiert", analysiert der ADAC.
Tesla mistete das Cockpit rigoros aus
Den Trend zur Lösung des Problems hat Tesla ausgelöst. Die softwaregetriebene Company aus dem Silicon Valley wagte es als erster Autohersteller, so gut wie jeden Knopf aus der Fahrerzentrale zu eliminieren. Bis auf die Taste für den Warnblinker am Dachhimmel wurden fast sämtliche Funktionen in den zentralen Bildschirm verlegt, der wie ein großes Tablet auf der Mittelkonsole thront.
Seitdem experimentieren immer mehr Hersteller mit displayorientierten Lösungen. Das vom ADAC ausgemachte Hauptproblem: Bedienfunktionen, die nicht intuitiv, ohne hinzugucken – mit einem Tastendruck oder Reglerdreh – ausgeführt werden können, führen zwangsläufig dazu, dass der Fahrer das Verkehrsgeschehen aus dem Blick verliert. Das Suchen und Finden von Funktionen in Digital-Menüs und Untermenüs führe deshalb nicht selten zu gefährlich langer Ablenkung. Der ADAC hält dies aktuell als Erkenntnis aus einem Test mit sechs verschiedenen Fahrzeugen fest.
24 Probanden checkten sechs Autos
Am Test, der gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Augsburg entwickelt und durchgeführt wurde, nahmen 24 Probanden teil, die mit den Fahrzeugen nicht schon im Vorfeld vertraut waren. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase musste jeder Proband zwei Testfahrzeuge durch einen Parcours auf dem ADAC Testgelände fahren und währenddessen – bei einer konstanten Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h – verschiedene Bedienfunktionen ausführen. Die Tests konzentrierten sich auf alltägliche, häufig gebrauchte oder sicherheitsrelevante Bedienaufgaben, wie zum Beispiel das Abblendlicht einschalten, die Innentemperatur einstellen oder ein Navigationsziel eingeben.
Touchscreen- oder Regler-Bedienung?
Konkret wurden sechs populäre Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse – drei mit berührungssensitivem Bildschirm (Touchscreen), zwei mit Dreh-Drück-Steller (Controller) und eines mit Touchpad – auf das Ablenkungspotenzial der Bedienung hin verglichen:
• Controller: BMW 1er, Mazda 3, Mercedes A-Klasse
• Touchscreen: Dacia Duster, Tesla Model 3, VW Golf
BMW (Dreh-Drück-Steller) und Mercedes (Touchpad) bieten laut ADAC zwar zusätzlich die Möglichkeit, das Infotainmentsystem über das berührungsempfindliche Zentraldisplay zu steuern, für den Bedientest sei diese Option allerdings nicht verwendet worden.
Die eigentlichen Testaufgaben wurden in drei Bereiche unterteilt, die mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung in die Bewertung eingingen:
• sicherheitsrelevante Funktionen wurden am stärksten gewichtet (50 %),
• Aufgaben zur Klimatisierung gingen mit 30 % und
• Aufgaben zum Infotainment mit 20 % ein.
Sprach- oder Gestensteuerung sollten die Probanden nicht verwenden.
Unerwartete Ergebnisse
An Überraschungen im Ergebnis mangelte es nicht: Mazda 3 Testsieger, Tesla Model 3 Letzter, Dacia Duster besser als die Mercedes A-Klasse – wer hätte das erwartet?", fragt selbst der Münchner Autoclub. Und auch der BMW 1er überraschte: "Top bei der Bedienung sicherheitsrelevanter Funktionen, doch bei der Bedienung des Infotainments schneidet er miserabel ab."
Trotz einzelner gravierender Schwächen überzeugen Mazda 3, BMW 1er, VW Golf und Dacia Duster die Tester "mit einer weitgehend ablenkungsarmen Bedienung" und bekamen im Gesamtergebnis deshalb ein "gut" als Note. Für die Mercedes A-Klasse ("befriedigend") und das Tesla Model 3 ("ausreichend") ist die jeweilige Gesamtbewertung "alles andere als ein Ruhmesblatt", heißt es in der offiziellen Pressemeldung wörtlich.
Das Tesla Model 3 landete abgeschlagen auf dem letzten Platz, weil die Bedienung – gerade auch sicherheitsrelevanter Fahrfunktionen – zu den längsten Bedien- und Ablenkungszeiten führe (Note "mangelhaft"). Hinsichtlich der Bedienung der Klimatisierung schlug sich das Tesla Model 3 offensichtlich ebenfalls eher schlecht ("ausreichend"), da "viele Einstellungen über das Klimamenü vorgenommen werden müssen, das sich in einer Unterebene befindet". Immerhin lasse sich das Infotainment ("sehr gut") bestens bedienen.
Tasten oder Touchscreen: Der Mix macht's
Die grundsätzlichen Erkenntnisse, die im Rahmen dieses Tests für die optimale Gestaltung eines Cockpits gewonnen werden konnten, fasste der ADAC folgendermaßen zusammen:
1. Für häufig genutzte (z.B. Sitzheizung, Temperatureinstellung) sowie sicherheitsrelevante Fahrzeugfunktionen (z.B. Scheibenwischer und Fahrlicht) sollten für eine ablenkungsarme Bedienung separate Tasten verbaut sein.
2. Nur eine weitgehend standardisierte Bedienung elementarer Funktionen (wie die Positionierung des Warnblinkers mittig auf dem Armaturenbrett oder des Scheibenwischers am rechten Lenkstockhebel) stellt sicher, dass auch Nutzer, die mit dem Fahrzeug nicht oder wenig vertraut sind, dieses jederzeit sicher bedienen können.
3. Bei den Infotainmentfunktionen (u. a. Medien, Navigation, Kommunikation) hat sich der Touchscreen gegenüber Controllern (Dreh-Drück-Steller/Touchpad) als das Eingabemedium mit deutlich geringeren Ablenkungszeiten herausgestellt. Touchflächen können auf direktem Weg per Finger angesteuert werden. Beim Controller muss die Funktion umständlich durch langwieriges Anwählen und anschließendes Bestätigen mit dem Controller ausgewählt werden. Gleichwohl bietet ein Dreh-Drück-Steller den Vorteil, dass Eingaben auch bei unebener Fahrbahn zielsicher möglich sind, während man beim Touchscreen – besonders bei kleinen Touchflächen – schon mal danebentippt.
Intuitive Bedienung als Ziel
"Moderne Autos sind Hightech-Geräte mit unzähligen Funktionen und Einstellmöglichkeiten. Die Fahrzeugentwickler stehen vor der Herausforderung, die vielen Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsfunktionen des Infotainmentsystems im Fahrzeugbediensystem zu bündeln und dieses gleichzeitig so übersichtlich und ergonomisch zu gestalten, um den Fahrer möglichst wenig vom Verkehrsgeschehen abzulenken", hält der ADAC als Grundproblematik fest. Lediglich eine intuitive Bedienung mit geringem Ablenkungspotenzial ermögliche es deshalb dem Fahrer, den Funktionsumfang des Fahrzeugs auszuschöpfen, ohne dabei zum Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer zu werden.
Die Sprachsteuerung sei allenfalls als Ergänzung zu sehen und "keinesfalls als Ersatz für ein gut verständliches Bediensystem – selbst wenn sie in einigen Fahrzeugen inzwischen recht gut funktioniert", so das abschließende Fazit. (wkp)