Weniger Autos, höhere Steuern, keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr ab 2025 - das sind zentrale Punkte von Greenpeace für eine radikale Wende in der Verkehrspolitik. Nur dann könnten die Klimaschutzziele erreicht werden, heißt es in einer Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag des Umweltverbandes für ein "Mobilitäts-Szenario 2035". Es sei möglich, bis 2035 beim Verkehr in Deutschland ohne Öl auszukommen. Dies würde einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz und für bessere Luft leisten.
Laut der Studie ist es möglich, über eine "umfassende Transformation" von Mobilität und Verkehr zum Ziel beizutragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Nach dem Pariser Klimaabkommen soll die Erderwärmung auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Vertragsstaaten sollten sich aber anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.
Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland könnten von 166 Millionen Tonnen im Jahr 2016 bis 2035 auf Null gesenkt werden, heißt es in der Studie. Im Verkehrsbereich müsse dafür der Verkehrsaufwand soweit wie möglich reduziert werden und eine Verlagerung auf klimafreundliche Verkehrsmittel erfolgen.
Zahl der Autos soll bis 2035 massiv sinken
Das Szenario der Studie sieht vor, dass die Zahl der Autos bis 2035 massiv sinkt, und zwar auf 200 private Pkw pro 1.000 Einwohner - im Jahr 2015 waren es 548 pro 1.000 Einwohner. Außerdem seien höhere Kosten für Anschaffung und Besitz eines privaten Pkw von "grundlegender Bedeutung". Denkbar seien Zulassungs- und höhere Umlaufsteuern für Pkw. Im Jahr 2035 sollten die Bewohner der Städte "erhebliche finanzielle Vorteile" genießen, wenn sie autofrei leben.
Außerdem solle nach 2025 ein Verbot von Neuzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotoren erwirkt werden, heißt es weiter. In der öffentlichen Debatte um einen Ausstieg aus dem Benzin- und Dieselmotor spielt bisher vor allem das Jahr 2030 eine Rolle. Das ist das Ziel der Grünen. Laut Szenario in der Studie soll bis 2035 die Pkw-Flotte fast vollständig auf Elektroantriebe umgestellt sein. Um dies zu erreichen, wären etwa Mindestquoten für E-Autos möglich.
Ein zentraler Ansatz der Studie: Die Abhängigkeit von einem eigenen Auto soll verringert werden. Gelingen könne dies zum Beispiel durch neue Mobilitätsdienstleistungen und eine bessere Vernetzung von Verkehrsangeboten. Ein Verbund aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Rad- und Fußverkehr und Angeboten wie Carsharing soll so attraktiv gestaltet werden, dass ein großer Teil der Menschen in Deutschland auf den Besitz privater Pkw verzichtet oder das Auto seltener nutzt.
Alternativen attraktiver machen
"Wir wollen den Leuten das Auto nicht wegnehmen", sagte Co-Studienautor Thorsten Koska der Deutschen Presse-Agentur. "Es geht darum, Alternativen attraktiver zu machen." Ziel sei eine intelligente Verkehrssteuerung. "Bis 2035 kann es eine Halbierung der Autoflotte geben, aber keine Halbierung des Verkehrs. "Die Studie helfe mit ihrem Szenario, den "Optionenraum für die politischen Abwägungsprozesse" zu erweitern.
Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan sagte: "Wir wollen weniger Autos und weniger Verkehr, aber nicht weniger Mobilität." Weiter forderte er: "Es muss ein politisches Signal geben: Wir steigen 2025 aus dem Verbrennungsmotor aus." Koska sagte, die Fahrzeughersteller hätten bereits damit begonnen, neue Elektromodelle zu entwickeln. "Acht Jahre reichen aus, um diesen Prozess abzuschließen und die Modellpalette umzustellen."
Das Image des Diesels ist durch den Abgasskandal sowie drohende Fahrverbote in Innenstädten schwer belastet. Die Autoindustrie kämpft gegen ein Ende des Diesels, sie verweist darauf, dass die neuesten Motoren umweltfreundlicher seien. Die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm, dass von 2030 an keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr neu zugelassen werden dürfen.
Unions-Wirtschaftsflügel gegen Verbot des Verbrennungsmotors
Der Wirtschaftsflügel der Union lehnt ein verordnetes Ende für neue Autos mit Verbrennungsmotoren strikt ab. Ein solches Verbot wäre "nicht nur planwirtschaftliche Willkür, sondern auch eine umweltpolitische Dummheit", sagte der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, der Deutschen Presse-Agentur. Aufgabe der Politik sei, Klimaziele vorzugeben - nicht aber, wie sie zu erreichen seien. "Ansonsten läuft man Gefahr, sich die bestmöglichen Wege zu verbauen." Synthetische Kraftstoffe hätten ein großes Potenzial und könnten einer dieser Wege sein.
"Allein die Debatte über ein Diesel-Verbot ist schädlich", warnte Linnemann. Denn dies führe zu hohen Wertverlusten der Fahrzeuge. "Es kann nicht sein, dass der Dieselfahrer die Zeche für das Management-Versagen in der Autoindustrie zahlen muss." Linnemann, der für die CDU im Bundestag sitzt, stellt sich beim Mittelstandstag seiner Organisation an diesem Freitag und Samstag in Nürnberg zur Wiederwahl als Vorsitzender. (dpa)
hwb