Der Weg zu deutlich mehr Klimaschutz im Verkehr in Deutschland ist trotz stundenlanger Expertenberatungen vorerst weiter ungewiss. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission konnte sich nicht auf Maßnahmen einigen, das Klimaziel für 2030 vollständig zu erreichen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, gab es in einer 17-stündigen Sitzung bis Dienstagmorgen zwar Verständigungen für mehr Elektro-Pkw und massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr und die Digitalisierung. Strittig blieb aber etwa eine verbindliche Quote für E-Autos. SPD und Opposition griffen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an. Die Industrie sprach von wichtigen Fortschritten.
Die Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Umweltverbänden, der Branche und aus Kommunen soll Vorschläge machen, wie der Treibhausgas-Ausstoß im Verkehr von derzeit knapp 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) auf unter 100 Millionen Tonnen im Jahr 2030 gedrückt werden kann. Mit den nun erzielten Kompromissen bliebe nach Teilnehmerangaben aber immer noch eine Lücke von 16 Millionen bis 26 Millionen Tonnen CO2.
Bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030
Die Experten einigten sich auf das Ziel von bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030. Die Regierung solle prüfen, dem CO2-Ausstoß im Verkehr und anderen Bereichen einen Preis zu geben. Es geht um alle Sektoren, die nicht vom Emissionshandel der EU abgedeckt sind. Das beträfe auch Gebäude, Landwirtschaft und Teile der Industrie. Ein CO2-Preis würde Autos mit hohem Spritverbrauch teurer machen. Die Arbeitsgruppe betonte aber eine sozialverträgliche Gestaltung. Zudem sollten Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Vorgeschlagen wird, die Maßnahmen 2021, 2023, 2026 und 2029 auf Wirksamkeit zu prüfen.
Keine Einigung gab es dagegen unter anderem auch bei einem möglichen generellen Tempolimit auf Autobahnen oder Bonus-Malus-Systemen als Anreiz für den Kauf klimafreundlicher Autos. Strittig blieb zudem, ob man voll auf den Ausbau der E-Mobilität setzen solle, oder etwa auch Biosprit aus Pflanzen eine Rolle spielen sollten. Damit könnten Verbrennungsmotoren weiter betrieben werden.
Der Koalitionspartner SPD nahm den Verkehrsminister ins Visier. Statt die Lösungsfindung in der Kommission nach Kräften zu unterstützen, habe er Denkverbote erteilt, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. Nun gebe es anders als beim Kohleausstieg keinen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss, auf den die Politik aufbauen könne. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte, Scheuer müsse nun selbst liefern und eigene Vorschläge machen. "Die Verantwortung wird ihm niemand abnehmen."
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, die Arbeit der Verkehrskommission sei noch nicht beendet. "Allen Beteiligten ist klar, dass am Ende ein Maßnahmenpaket für eine wirkungsvolle Klimaschutzstrategie im Verkehr vorliegen muss."
Der CSU-Politiker hatte Gedankenspielen etwa zu höheren Steuern und einem Tempolimit auf Autobahnen vorab eine Absage erteilt - und betont, die Mobilität von morgen müsse effizient, digital, bezahlbar und klimafreundlich sein. Das Ministerium äußerte sich am Dienstag auf Anfrage nicht zu den Kommissionsberatungen und verwies auf einen vorgesehenen Bericht. Die Vorschläge sollen in den Zwischenbericht der Gesamt-Kommission "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" einfließen, die sechs Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen hat.
"Die Zeit des Hinausschiebens mutiger Entscheidungen ist vorbei"
Von der Opposition kam Kritik. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, die Bundesregierung sei gefragt. "Die Zeit des Hinausschiebens mutiger Entscheidungen ist vorbei." Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: "Mit einem Minister auf dem Standstreifen kommt Deutschland bei der Zukunft der Mobilität nicht ans Ziel." Ingrid Remmers (Linke) nannte es eine Hiobsbotschaft, dass die Kommission keine umfassende Lösung gefunden habe.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnte, nur auf einen Kraftstoffwechsel zu setzen, sei kurzsichtig und schaffe mehr Probleme, als es löse. Der Autofahrerclub ADAC erklärte, die Empfehlungen zu mehr Innovation, Investition und Digitalisierung könnten ein wichtiger Schritt sein. Offene Fragen könnten in den nächsten Monaten geklärt werden. Mobilität dürfe aber nicht eingeschränkt werden und müsse für alle bezahlbar bleiben.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem wichtigen Schritt nach vorne. «Wir wissen nun sehr viel präziser, wie die Mobilität der Zukunft aussehen muss.» Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betonte, es sei aufgezeigt worden, welche «Technologiehochläufe» möglich seien. Kurzfristig habe hier die Elektromobilität eine Schlüsselfunktion. Statt auf Verboten und Verteuerungen sollte der Schwerpunkt auf Maßnahmen liegen, die Innovationen vorantreiben. (dpa)