Ein zentrales psychisches Motiv ist unser Streben nach Verbindlichkeit. Sobald wir uns für oder gegen etwas entschieden haben, entsteht in uns eine Kraft, die uns zwingt, diese Entscheidung aufrecht zu erhalten. Besonders in Verhandlungen kann man diese Eigenschaft nutzen. Dazu bedarf es natürlich einer guten Verhandlungsstrategie, die vor allem aus Zuhören besteht. Nur dann erkennt man die Entscheidungsmotive des Verhandlungspartners. Das gilt für Verkaufsgespräche ebenso wie bei Gehaltsverhandlungen und Konfliktgesprächen. Das Streben nach innerer Konsistenz, innerer Verbindlichkeit ist für uns wichtig. Denn andernfalls müssten wir uns jeden Tag aufs Neue fragen, ob wir den richtigen Job, die richtige Frau beziehungsweise den richtigen Mann oder das richtige Leben haben. Wir treffen ein Commitment mit uns selbst und weichen nur selten davon ab. Irrationale Automobilkäufer Wir können dieses Phänomen bei Autokäufern sehr gut beobachten. Es ist bekannt, dass die meisten von ihnen nach dem Kauf Testberichte des Fahrzeugs lesen. Wird das gekaufte Auto darin als gut beschrieben, bezeichnen sie auch das Magazin als objektiv und seriös. Wenn hingegen das Fahrzeug als minderwertig und fehlerhaft wegkommt, dann beschreiben sie das Magazin als tendenziös und unsachlich. Hersteller von Luxuskarossen machen sich dieses Prinzip zu eigen. Was viel kostet, muss auch viel wert sein. Würde ich einem Kunden ein Auto verkaufen wollen, welches nur zwei Sitze hat, sehr laut ist, viel zu viel Benzin verbraucht, so gut wie keinen Kofferraum besitzt und trotzdem an die 100.000 EUR und mehr kostet, würde dieser mich, bei nüchterner und rein rationaler Betrachtung der genannten Eigenschaften, wahrscheinlich für verrückt halten. Dennoch verkaufen sich Porsche, Ferrari und Co. sehr gut. Wenn ein Kunde sich eines dieser Sportfahrzeuge leisten kann, kauft er kein Auto. Er kauft ein Lebensgefühl. Das mag irrational sein, aber Sie sollten einmal versuchen, einen Porsche 911-Fahrer nach den rationalen Gründen seines Kaufs zu fragen. Er wird diesen mit allerhand guten Gründen rechtfertigen. Druck erzeugt Gegendruck Deutlich wird dieses Phänomen, wenn wir uns Versicherungsverkäufer ansehen. Die Versicherer haben herausgefunden, dass es zu einer deutlichen Senkung der Stornoquote kommt, wenn der Kunde seinen Antrag selbst ausfüllt. Das schriftliche Commitment hat einen höheren Verbindlichkeitsgrad als das gesprochene Wort. Vielleicht verstehen Sie jetzt auch, warum es so schwierig ist, einen Verhandlungspartner von seiner bisherigen Automarke abzuwerben. Selbst wenn Ihr potenzieller Kunde an seiner bisherigen Automarke etwas auszusetzen hat, wird er ihr dennoch die Treue halten. Wenn Sie mit Druck argumentieren, zweifeln Sie seine Entscheidung an und erzeugen damit Gegendruck. Und dieser trägt wiederum dazu bei, Ihre Position zu schwächen. Erfolgreiche Verkäufer nutzen dieses psychologische Prinzip in Verhandlungen, indem sie allgemeine Regeln für die Verhandlung aufstellen. Schon frühzeitig definieren sie so mit dem Verhandlungspartner Vorgehens- und Verhaltensmuster, die für beide gelten. Ist der Verhandlungspartner mit diesen Regeln einverstanden und stimmt ihnen zu, garantiert der verhandlungssichere Verkäufer ihm, sich daran zu halten, solange er darauf vertrauen kann, dass der Verhandlungspartner sich genauso verhalten wird. Nur so kann es in einer Verhandlung zu einer „Win-Win-Situation“ kommen. Eine Art gegenseitige Verpflichtung Ich bitte meinen Kunden beispielsweise, meine Preisstrategie zu akzeptieren. Sie besagt, dass ich kein zweites Preisangebot unterbreiten werde, wenn er die Leistung für optimal erachtet. Mein Argument dabei ist, dass ich ihn nicht für dumm verkaufen möchte und keine zu hohe Forderung stelle – nur damit er mich dann herunterhandeln kann und ein Erfolgserlebnis dabei hat. Das ist nicht mein Stil. Und auch meine Klienten haben in der Regel nicht viel Spaß dabei, am Preis zu feilschen. Diese Verhandlungsregel stelle ich dem Kunden dar, um ihm zu zeigen, dass ich ihn ernst nehme und ich von ihm wiederum erwarte, dass auch er mich ernst nimmt. Es entsteht eine Art gegenseitige Verpflichtung, da wir beide etwas beschlossen haben, das für unsere Verhandlung Gesetz ist. Auf diese Weise geben wir beide ein Commitment zu einem bestimmten Verhaltenskodex für die später stattfindende Verhandlung ab. Unabhängig davon, ob Sie ein Auto verkaufen wollen oder mit einem Vorgesetzten, Mitarbeiter, Kollegen oder Lieferanten verhandeln: Durch diese Erkenntnis können Sie auf jeden Fall schneller und konfliktfreier zu einem Verhandlungsergebnis kommen. Handeln Sie... pro-aktiv! Klicken Sie auf Thomas Ebrahim, um mehr über den Autor zu erfahren.
Zuhören ist das Wichtigste

Kolumne von Thomas Ebrahim in GW-trends