Von Benjamin Bessinger/SP-X
"Der Genesis G70, na klar, der steht da drüben." Was jeden europäischen Parkwächter vor eine schier unlösbare Aufgabe stellen würde, ist für die Jungs vom Valet Service im Fünf-Sterne-Hotel in Florida eine leichte Übung. Denn für sie gehört die koreanische Mittelklasse-Limousine schon seit zwei Jahren zum Straßenbild und die Marke sogar schon etwas länger.
Doch wenn es nach Manfred Fitzgerald geht, sollten sich auch die Servicemitarbeiter deutscher Hotels genau wie die Fuhrpark-Verantwortlichen und die Dienstwagenfahrer bei uns schon mal so langsam an das geflügelte Logo über dem Kühlergrill gewöhnen. Denn Fitzgerald ist der Chef der noblen Hyundai-Tochter und will seine Autos in nicht einmal zwei Jahren auch in Europa verkaufen. Dass die Übermacht der deutschen Premium-Hersteller hier besonders groß ist, stört ihn genauso wenig wie die Leiden von Lexus, die bei uns seit 20 Jahren auf keinen grünen Zweig kommen. Und auch der kapitulierende Rückzug der Nissan-Schwester Infiniti lässt ihn kalt:
"Bereits seit einigen Jahren ist die Marke im koreanischen Heimatmarkt erfolgreich. Gegenwärtig erschließt Genesis systematisch den US-Markt. Europa mit seinen anspruchsvollen nationalen Märkten ist der nächste Schritt in der konsequenten Erschließung des Weltmarktes", sagt der Markenchef und lässt sich nicht Bange machen: "Für jede Marke mit weltweiter Strategie ist die Erschließung Europas ein Muss. Genesis hat daher grundsätzlich für sich entschieden, in den nächsten Jahren in den europäischen Markt für Luxusfahrzeuge einzutreten."
SUV läutet Offensive ein
Beginnen soll die Offensive zwar mit einem nagelneuen SUV in der Klasse von Jaguar F-Pace. Doch weil seine Premiere im Herbst erst noch zu feiern hat, muss der G70 als Vorbote dienen. Die Einstiegslimousine der Koreaner wurde vor zwei Jahren enthüllt, ist aktuell das frischste Auto der Koreaner und im Rest der Welt bereits mehr oder minder erfolgreich gegen Autos wie den Audi A4, den BMW Dreier und die Mercedes C-Klasse unterwegs.
Dabei besticht der Genesis auf den ersten Blick vor allem durch sein Design. Nicht nur, weil es flott und frisch aussieht, nicht so barock ist wie bei Infiniti und nicht so überzeichnet wie bei Lexus. Sondern vor allem – und das ist dann doch eine Parallele zu den anderen Nobelmarken aus Fernost – weil es aus dem deutschen Einerlei heraussticht und man sich damit vom Heer der anderen Dienstwagenfahrer absetzen kann.
Genesis G70
BildergalerieAnaloge Instrumente, kleiner Touchscreen
Während der G70 außen frisch wirkt und mit seinen 4,69 Metern gut in die Klasse passt, sieht die Sache innen ein bisschen anders aus. An den mäßigen Platzverhältnissen im Fond darf man sich nicht stören, das ist bei den deutschen Platzhirschen nicht anders. Doch dass ausgerechnet aus der Heimat von Samsung & Co noch ein Luxusmodell mit analogen Instrumenten und einem, vergleichsweise kleinen Touchscreen samt antiquiertem Drehregler auf dem Mitteltunnel kommt, ist dann doch überraschend. Erst recht, weil Genesis sonst bei der Elektronik nicht knausert und den G70 mit allen Assistenten bestückt, die der Großkonzern so zu bieten hat.
Den Antrieb übernehmen in Korea und den USA ein 3,3 Liter großen V6-Benziner mit 271 kW / 370 PS und mit einem Spitzentempo von 270 km/h oder ein 2,0-Liter-Vierzylinder, der es auf 187 kW / 255 PS bringt. Außerdem gibt es noch einen Diesel mit 2,2 Litern Hubraum und 148 kW / 202 PS, zu dessen Zukunft im Export aber niemand eine Prognose wagt.
Wer mit dem kleinen Benziner unterwegs ist, der ist einmal mehr überrascht von dem Außenseiter im feinen Zwirn. Der Vierzylinder klingt zwar ein wenig angestrengt, fährt aber bei der ersten Ausfahrt auf Augenhöhe mit Audi & Co. Er ist mit seinen maximal 360 Nm ausreichend antrittsstark und beschleunigt die rund 1,7 Tonnen schwere Sportlimousine in kaum sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h. Beim Überholen reicht ein Kickdown, schon ist man am Vordermann vorbei, und viel fehlen dürfte bis zu den üblichen 250 Sachen in dieser Klasse nichts.
Fahrdynamik: BMW lässt grüßen
Natürlich wird der Erfolg von Genesis neben der Markenbildung und dem Vertrieb vor allem am Preis hängen, über den man aktuell noch nicht einmal spekulieren kann. Doch wenn es den Koreanern gelingt, Wechselwillige erst einmal hinter das Steuer zu bekommen, sind sie schon ein gutes Stück weiter. Denn in Sachen Fahrdynamik ist der G70 besser als all die anderen Emporkömmlinge in der gehobenen Mittelklasse: Eine neue Heckantriebsplattform mit der Option auf Allrad, eine präzise Lenkung, ein strammes Fahrwerk, eine sauber abgestimmte Achtgang-Automatik und drei Fahrprofile mit einem jeweils sehr ausgeprägten Charakter – so macht der G70 auch abseits der Autobahnen Spaß und fühlt sich fast ein bisschen nach BMW an. Kein Wunder, schließlich zeichnet für die Abstimmung niemand geringeres verantwortlich, als der ehemalige Entwicklungschef der BMW M GmbH. Und damit sind die Koreaner so zufrieden, dass sie ihn mittlerweile sogar zum Vorstand gemacht und damit zumindest in einem Einzelfall beweisen haben, dass der Aufstieg mit Genesis sehr wohl gelingen kann.
K. Karrer