Spionage-Vorwürfe auf der einen, Kopfschütteln auf der anderen Seite: Der erbitterte Streit zwischen dem Autozulieferer Prevent und Volkswagen findet auch nach der Kündigung von Verträgen kein Ende. Die "Bild am Sonntag" berichtete über angeblich bespitzelte Prevent-Mitarbeitern im Auftrag von VW. Der Konzern wies das mit Nachdruck zurück. Man habe Auskünfte im Rahmen des rechtlich Zulässigen einholen lassen. Prevent reagierte mit scharfer Kritik.
In dem Konflikt geht es um die Nachwehen eines Lieferstopps 2016. Dieser hatte hohe Schäden und Risiken für die Wolfsburger zur Folge. Nach Informationen der Zeitung sollte eine Firma aus Berlin Informationen zu mehreren "Zielpersonen" bei Prevent zusammentragen. Dabei seien sogar Privatadressen von Mitgliedern der Eigentümer-Familie und aus dem Management ins Visier genommen worden.
VW erklärte, man habe in einer Ausnahmesituation "Recherchen über die (Prevent-)Gruppe in Auftrag gegeben, insbesondere um mehr Transparenz über deren Strukturen und Netzwerk zu bekommen". Nach allem, was man derzeit wisse, seien das jedoch "stets im Rahmen der rechtlichen Vorschriften" geschehen. "Dies erfolgte, um unserer Verantwortung für Volkswagen und seine Mitarbeiter gerecht zu werden."
Gesetzliche Regelungen seien einzuhalten
Aus der Kanzlei Hogan Lovells, die VW in dem Fall berät, hieß es, der beauftragte Dienstleister "sollte zu jeder Zeit möglichst offen auftreten und sämtliche Rechercheschritte schriftlich dokumentieren". "In Krisensituationen gehört das zu den Kernaufgaben anwaltlicher Tätigkeit, ist üblich, legal und legitim", sagte ein Vertreter des Düsseldorfer Anwaltsbüros der Deutschen Presse-Agentur. Dabei habe man stets betont: Alle gesetzlichen Regeln seien einzuhalten.
Prevent forderte den neuen Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess auf, die Vorwürfe rasch zu untersuchen. "Im Sinne unserer Mitarbeiter und Partner müssen die Verantwortlichen umgehend und abschließend Klarheit schaffen", ließ das Unternehmen am Sonntag erklären. "Das Vorgehen von VW hat uns zutiefst schockiert, vor allem, weil offenbar auch das Privatleben von Mitarbeitern ausgeforscht wurde."
Solche Praktiken künftig unterlassen
Man habe jahrzehntelang eng mit dem Autobauer zusammengearbeitet, betonte Prevent. Nun hoffe man, dass die neue Führung im Fall einer Bestätigung der umstrittenen Schritte "die Verantwortlichen benennt, Konsequenzen zieht und solche Praktiken künftig unterlässt". Hinter Prevent steht die bosnische Investorenfamilie Hastor, die mit der gescheiterten Machtübernahme beim Autozulieferer Grammer und ihrer Beteiligung am inzwischen insolventen Küchenhersteller Alno für Schlagzeilen gesorgt hatte. Sie betreibt ein weit verzweigtes, internationales Geflecht von Beteiligungen an verschiedenen Firmen.
Ein Lieferstopp bei zwei Prevent-Unternehmen nach einem gekündigten Auftrag hatte im August 2016 in mehreren VW-Fabriken die Bänder still stehen lassen, etwa in der Golf-Produktion des Stammwerks Wolfsburg - trotz einstweiliger Verfügungen des Landgerichts Braunschweig, die zur Wiederaufnahme der Belieferung verpflichten sollten.
Kündigungen und Kurzarbeit angekündigt
Im März hatte Prevent nun Kündigungen und Kurzarbeit an seinen eigenen Standorten Schönheide, Plauen und Stendal angekündigt, weil VW Verträge fristlos beendet habe. Der Autobauer hatte dazu erklärt: "Volkswagen ist auf eine jederzeit planbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten angewiesen." Daher würden bestehende Geschäftsbeziehungen regelmäßig überprüft.
Bezogen auf die Aussetzung der Belieferung 2016 bekräftigte VW am Wochenende, es habe sich damals um eine "unrechtmäßige" Aktion von Prevent gehandelt, die den Hersteller in eine Zwangslage gebracht habe. Auch Hogan Lovells stellte die Lage so dar.
In Brasilien hatte es ebenfalls Ärger mit einer Prevent-Tochter gegeben. Die Folge waren 160 Tage Produktionsstopp, ein Minus von 140.000 Fahrzeugen und Zwangsurlaub für rund 18.000 Beschäftigte. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte der damalige VW-Konzernchef Matthias Müller angekündigt, die Lieferketten durchleuchten zu lassen, um beim Ausfall zentraler Partner die Schäden begrenzen zu können.
Daimler liegt mit der Prevent-Gruppe in ähnlicher Weise im Clinch. Es geht um einen Schadenersatz-Streit um die Lieferung von Sitzbezügen. (dpa)