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Verbraucherzentralen: Musterfeststellungsklage gegen VW eingereicht

01.11.2018 10:51 Uhr
Justiz; Gericht; Klage; Akten; Verfahren
Die bundesweit erste Musterfeststellungsklage gegen VW wurde beim Gericht eingereicht.
© Foto: Volker Hartmann/picture-alliance

246 Seiten, eingereicht per Fax: Die erste Musterfeststellungsklage soll Volkswagen das Fürchten lehren. Dieselfahrer kämpfen gemeinsam um Schadenersatz. Sie werden einen langen Atem brauchen.

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Sie wollten ein umweltfreundliches, sparsames Auto - und bekamen eine Dreckschleuder. Hunderttausende Dieselfahrer fühlen sich von Volkswagen betrogen. Jetzt ziehen viele von ihnen gemeinsam vor Gericht - mit Hilfe von Verbraucherschützern.

Stellvertretend für die Betroffenen des Dieselskandals reichte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Donnerstag die bundesweit erste Musterfeststellungsklage ein. Das Ziel: Schadenersatz. "Autofahrer wurden von Volkswagen lange genug hingehalten. Jetzt reicht's", sagt Verbandschef Klaus Müller.

Mit der Musterfeststellungsklage will er VW das Fürchten lehren. "Der 1. November 2018 wird Volkswagen als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem auf die Samthandschuhe der Politik die Boxhandschuhe der Verbraucherschützer folgten", hatte Müller schon im Vorfeld gedroht. Jetzt sagt er: "Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür Schadenersatz."

VW hatte im September 2015 Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass die Abgasreinigung nur bei Tests voll aktiviert war, auf der Straße lag der Ausstoß viel höher. Volkswagen musste 2,5 Millionen Autos zurückrufen.

Entschädigungen per Urteil oder Vergleich

Mehr als 26.000 Dieselfahrer sind deshalb schon allein vor Gericht gezogen. 7.400 Urteile gab es. Laut VW hatten die meisten Kläger an den Landgerichten keinen Erfolg. Rechtsanwalt Tobias Ulbrich widerspricht. Seine Kanzlei vertritt 15.000 Kläger, zwei Drittel der Fälle gehe in der ersten Instanz zu ihren Gunsten aus. Alle Mandanten hätten "im Ergebnis das bekommen, was wir geltend gemacht haben" - entweder durch ein Urteil oder einen Vergleich. "Jeder, der einen Anspruch geltend macht, wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch erhalten", sagt Ulbrich.

Die Verbraucherzentralen wollen jetzt Zehntausende Autofahrer vertreten, die gern klagen wollen, das bisher aber gescheut haben, weil sie zum Beispiel keine Rechtsschutzversicherung haben. Das Instrument der Musterfeststellungsklage gibt es in Deutschland erst seit Donnerstag. Mit ihr können Verbraucherschützer im Namen von vielen Betroffenen gegen Unternehmen vor Gericht gehen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko.

Das Oberlandesgericht Braunschweig bestätigte am Morgen den Eingang der Klage. Die Anwälte der Verbraucherschützer hatten sie noch in der Nacht an das Gericht gefaxt. 246 Seiten. Die Übertragung dauerte 36 Minuten. Zweimal schlug sie fehl, gegen zwei Uhr nachts dann gingen die Unterlagen doch noch durch.

Sobald das Gericht die Klage geprüft und angenommen hat, können sich alle vom Rückruf betroffenen Dieselfahrer anschließen, die noch nicht selbst geklagt haben - auch wenn sie ihr Auto inzwischen verkauft oder verschrottet haben. Mitte des Monats wird dafür ein Register beim Bundesamt für Justiz eröffnet.

VW räumt Klägern wenig Chancen ein

Die Verbraucherschützer wollen, dass die Dieselfahrer für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Maximalziel ist, dass sie den Kaufpreis erstattet bekommen. VW sieht dafür wenig Chancen: "Die neue Klagemöglichkeit ändert nichts an unserer Position: Kunden in Deutschland haben keine Ansprüche aufgrund der Verwendung der Umschaltlogik in Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189", erklärt der Branchenprimus. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.

Wer sich der Musterfeststellungsklage anschließe, müsse sich außerdem auf ein jahrelanges Verfahren einstellen, warnt VW. Wenn die Verbraucherzentralen im Musterfeststellungsprozess Erfolg haben, müssen die Dieselfahrer außerdem noch selbst vor Gericht ziehen, um die Höhe des Schadenersatzes festzulegen. Hat die Musterklage keinen Erfolg, dürfen sie nicht nochmals alleine klagen. Die Anwälte der Verbraucherschützer raten Mandanten mit Rechtsschutzversicherung deswegen weiter zur Einzelklage.

Sie berichten auch, dass Volkswagen spätestens auf der Ebene der Oberlandesgerichte den Vergleich suche. Bei Einzelklagen mit Erfolgsaussicht bot der Konzern Klägern laut ADAC sogar Geld für ein Stillschweige-Abkommen an. VW dagegen betont, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl wollte das Unternehmen nicht nennen.

"Schreckgespenst" Schadenersatzforderungen

Für viele Unternehmen sind Sammelklagen mit hohen Schadenersatzforderungen, wie man sie aus den USA kennt, ein Schreckgespenst. Genau das sei die Musterfeststellungsklage aber nicht, betont Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). "Wir wollten ausdrücklich nicht amerikanische Verhältnisse", sagte sie im ARD-"Morgenmagazin". Deshalb dürften in Deutschland auch nur bestimmte Verbraucherschutzverbände klagen, und nicht jede Anwaltskanzlei. Es gehe nicht drum, dass Anwälte und Verbände das große Geld machten, der Schutz der Verbraucher stehe im Mittelpunkt.

Kritikern ist die deutsche "Einer-für-alle-Klage" trotzdem viel zu kompliziert. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sieht darin "keinen funktionierenden Rechtsschutz". "Wenn sich kein Verband findet, der die Interessen der Betroffenen vertritt, bleiben sie wie bisher auf sich gestellt", sagte er der 'Neuen Osnabrücker Zeitung'. Auch die FDP meldete Zweifel an. Versprochen sei, dass Verbraucher ihr Recht einfacher und schneller durchsetzen könnten. "Die betroffenen Verbraucher, als erstes die geschädigten Dieselfahrer, werden feststellen, dass sich keines dieser Versprechen realisieren wird - allerdings erst in einigen Monaten", sagte die FDP-Fachpolitikerin Katharina Willkomm dem 'Handelsblatt'. (dpa)

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KOMMENTARE


Detlef Rüdel

02.11.2018 - 08:34 Uhr

Wird die Musterfeststellungsklage positiv verlaufen, dann wird es für den VW Konzern, nicht nur teuer sondern auch für das verantwortliche Management schwierig: weiter zu behaupten, sie hätten davon keine Kenntnis gehabt. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass hier betrogen wurde, dann bekommt die Musterfeststellungsklage ihre nötige Rechtskraft, um darüber hinaus weitere Klagen zuzulassen. Dann wäre VW in der Tat gut beraten, es hier nicht soweit kommen zulassen, und sich mit den Klägern im Vergleich zu einigen. Aber bis es soweit ist: werden noch einige Jahre ins Land gehen. Dennoch, für VW wird es nunmehr schwierig, da man bisher darauf gehofft hatte dass zum 31.12.2018 der Spuk vorbei ist (Verjährungsfristen) und was bedeutet das, für die Politik? Selbige hat hier klar versagt und hat bisher nichts zum Schutz der Betroffenen dazu unternommen. Die DUH vertreten durch Herrn Resch kann man nicht genug dafür danken, dass sie dafür gesorgt hat, den Stein in rollen zubringen.


Fahrvergnüger

05.11.2018 - 12:43 Uhr

Alleine der Einstieg in den Artikel ist doch wieder eine Farce: "...Sie wollten ein umweltfreundliches, sparsames Auto - und bekamen eine Dreckschleuder..."99% der Kläger war es doch sprichwörtlich sch***egal, wie umweltfreundlich Ihr neues Auto war bzw. ist - es musste sparsam & nicht "spaßarm" sein. Gelockt von großzügigen Versprechungen der Rechtsverdreher, springen natürlich alle auf den Zug auf, dass bei ihnen in der Kaufentscheidung Umweltfreundlichkeit absolut im Vordergrund stand. Wenn man den Käufern mal die Verkaufsliteratur von "damals" hinlegen würde, wette ich 50 EUR, das nicht ein einziger auf Anhieb die Passage zeigen kann, wo der NOx-Ausstoß des Wagens "beworben" wird.Wir kriegen amerikanische Verhältnisse - und demnächst Verbraucherklagen, wo ein Mikrowellenhersteller Millionen als Entschädigung zahlen muss, weil der geneigte Kunde nicht explizit darauf hingewiesen wurde, seinen nach dem baden nassen Hund im Gerät zu trocknen...


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