Von Peter Maahn/SP-X
Ein Lenkrad? Fehlanzeige. Auch Pedale oder Schaltknüppel sind in diesem Auto einfach verschwunden. Wie in der Playstation oder in Airbus-Flugzeugen wird alles per Joystick geregelt, damit sich der Fahrer an seinem Arbeitsplatz frei bewegen kann. Da er oft aus- und wieder einsteigen muss, wird wertvolle und teure Zeit eingespart. So jedenfalls stellt sich Mercedes den Transporter der Zukunft vor, der sogar seine eigenen Lieferdrohnen an Bord hat. Das Konzept-Modell Vision Van ist einer der Stars der Nutzfahrzeuge-IAA (bis 29. September) in Hannover.
"Intelligent, sauber und immer online", so fasst Volker Mornhinweg, bei Daimler für die Vans verantwortlich, die Eigenschaften des Denkmodells zusammen. Er räumt aber freimütig ein, dass es dabei um den Mercedes-Transporter von übermorgen geht. "Der Vision Van ist ein Logistikcenter auf Rädern", erklärt er. Weil der Lieferverkehr in den Ballungsräumen immer wichtiger wird, müssen sich auch die Hersteller von kleineren Nutzfahrzeugen anpassen. "Wir werden zum Komplettanbieter", kündigt Mornhinweg an, "liefern neben dem Fahrzeug auch eine Fülle von Dienstleistungen, Transportlösungen und Möglichkeiten zur Online-Kommunikation".
Der Vision Van fasst viele dieser Ideen zusammen. Natürlich hat er einen reinen Elektroantrieb, da künftig sicher viele Innenstädte nur noch abgasfrei befahren werden dürfen. Er leistet 75 kW / 102 PS und verwöhnt mit einer Durchzugskraft von bis zu 270 Newtonmetern. Damit könnte er gut 120 km/h schnell sein. Da er jedoch ausschließlich für den Einsatz im Stadtgebiet gedacht ist, wurde die Spitze auf 80 km/h begrenzt.
Aufgeladen wird der Ideenträger entweder per Induktion oder an der Steckdose. Die Reichweite pro Batterieladung liegt je nach Version zwischen 80 und 270 Kilometern. Äußerlich ähnelt er der Pkw-Studie F015, von der er neben der glatten Außenhaut auch die Frontpartie geerbt hat. Der Unterschied: Der futuristische Transporter ist nicht für das autonome Fahren vorgesehen, das im Kurzstrecken-Verkehr durch das Großstadt-Gewühl nicht wirklich Sinn machen würde.
Viel Bewegungsfreiheit
Das Fahrerhaus hat einen ebenen Boden und wurde weit nach vorne gerückt. Um dem Fahrer zum Beispiel eines Kurierdienstes möglichst viel Bewegungsfreiheit zu bieten, wurde auf all das verzichtet, was heute oft für Enge sorgt. Kein Lenkrad, keine Pedale, kein Schaltknüppel. Der kleine Joystick links vom Fahrer erledigt alles. Hat Airbus mit dem A320 einst die Fly-by-Wire (Fliegen per elektronischen Befehl statt mit Mechanik) erfunden, will Mercedes Vorreiter beim Drive-by-Wire sein. Zum Losfahren muss der Transporter-Fahrer von Übermorgen den Joystick nach hinten ziehen. Dann lenkt er den Van entlang der vorher im Navigationssystem programmierten Route, die per Computer auf Grund der Kundenadressen zuvor errechnet hat. Ferngesteuert wird auch die Betätigung der seitlichen und hinteren Ladetüren. Gleichzeitig wird der Verkehr durch Leuchtsignale gewarnt, dass hier ein Hindernis am Straßenrand im Weg steht. Oder dass gleich eine der Drohnen abheben wird.
Das Boden-Luft-Bündnis ist eine der Top-Ideen des Vision Van. Denn die bestellten Waren können von ihm aus auch durch die Lüfte zum Empfänger befördert werden. Zwei Drohnen, die auf dem Dach des Autos bereitstehen, übernehmen Frachtaufgaben bis zu einer Entfernung von zehn Kilometern. Die Flugleitzentrale ist an Bord des Transporters. So können bei einem Stopp gleich mehrere Kunden bedient werden. Durch die enge Vernetzung über Internet und Cloud-Dienste können Liefertermine außerdem vorher mit dem Empfänger abgestimmt werden. Das lästige Abholen in einer Packstation, weil man eben nicht zu Hause war, wird deutlich reduziert.
Beladen per Roboter
"Von unseren Logistik-Kunden wissen wir, dass die letzte Meile der teuerste Teil des Liefervorganges ist. Unsere Lösungen können diese Kosten erheblich reduzieren", erklärt Mornhinweg. Dazu gehört auch, dass der Zukunfts-Van erheblich effektiver beladen wird. Das kann per Roboter erledigt werden, der die Waren bereits vor dem Start nach Routen sortiert und in einer Art Gestell aufreiht. Das wird dann wiederum automatisch passgenau ins Auto befördert. So verringert sich die Beladezeit von derzeit gut 80 auf fünf Minuten. Auch der zur Verfügung stehende Laderaum kann besser genutzt werden.
Alles natürlich noch Zukunftsmusik. Aber Daimler hat 200 Mitarbeiter auf das Projekt angesetzt, die mit ihren Ideen für kommende Transporter nicht hinterm Berg halten sollen. Mornhinweg: "Für uns beginnt gerade eine neue Ära. Ähnlich wie ein Start-up-Unternehmen wollen wir völlig neue Wege gehen, Entwicklungszeiten verkürzen oder auch mit Partnern an kundenfreundlichen Lösungen zusammenarbeiten."