Von Michael Specht/SP-X
Entspannt in die Zukunft zu schauen? Glücklich schätzen darf sich in der Autoindustrie derjenige, der diese Frage mit ja beantworten kann. Volkswagen Nutzfahrzeuge zumindest gehört nicht dazu. Die VW-Marke, beheimatet in Hannover, hat mit ihren vier Baureihen Caddy, Transporter, Amarok und Crafter alle Hände voll zu tun, sich wettbewerbsstark für das kommende Jahrzehnt aufzustellen. Darüber täuschen auch die momentanen Rekordabsätze nicht hinweg. Bestseller bleibt die T6-Baureihe. Das Modell rangierte im August in Deutschland trotz seiner hohen Preise auf Platz 14 bei den Neuzulassungen, lässt beispielsweise den VW Touran (20) weit hinter sich. Vergangenes Jahr konnte VWN weltweit knapp eine halbe Million Fahrzeuge absetzen. 2018 dürfte man diese Marke noch übertreffen. Schon zur Halbzeit lagen die Verkäufe 4,8 Prozent höher.
Die Uhr tickt, vor allem in Hinblick auf die CO2-Flottenemissionen. Der Caddy und bei der Transporter-Baureihe T6 die Modelle Caravelle, Multivan und California laufen in der Kategorie Pkw, fallen damit unter die 95-Gramm-Regel, die Ende 2020 verbindlich wird. Diese Hürde wäre wohl nur mit einer massiven Elektrifizierung zu schaffen. Die aber ist derzeit nicht Sicht. Gern hätte der neue Vorstandschef Thomas Sedran, seit dem 1. September im Amt, die Kompetenz der Marke VW und seiner Elektro-Architektur MEB in Anspruch genommen. Das Klopfen an die Tür in Wolfsburg verlief negativ. Man sei zu sehr beschäftigt mit der ID-Baureihe und hätte keine Kapazitäten mehr frei, hieß es aus der Konzernzentrale.
Fahrbericht VW e-Crafter
BildergalerieDieselantrieb bleibt die nächsten Jahre erhalten
Unter fast allen leichten Nutzfahrzeugen von VW steckt ein Dieselmotor. Und dabei wird es die nächsten Jahre bleiben, wie Sedran kürzlich auf der IAA in Hannover betonte. "Wir setzen weiterhin auf den Diesel als Rückgrat der Logistik vieler Branchen." Elektrifizierungs-Know-how holt man sich nun übergangsweise bei ABT. Mit dem Allgäuer Veredelungsbetrieb als strategischen Partner pflegt man eine lange Beziehung. Zudem ist ABT in der Formel E engagiert. Anfang 2019 sollen Kunden sowohl einen ABT e-Caddy als auch einen ABT e-Transporter mit elektrischem Antrieb bekommen. Die Batteriekapazitäten sind modular aufgebaut, ermöglichen Reichweiten zwischen 200 und 400 Kilometern. Zu den beiden ABT-Stromern gesellt sich der E-Crafter. Ihn wird es vermutlich innerhalb der nächsten fünf Jahre auch mit Brennstoffzelle geben.
Voraussichtlich Ende 2021 könnte der ID Buzz Cargo die E-Fahrzeugpalette erweitern, als zeitgemäßer Transporter für den Stadtverkehr von morgen. Die Studie hierzu debütierte gerade auf der IAA in Hannover. Unterhalb des Buzz Cargo wäre noch Platz für einen E-Caddy, wie der Buzz basierend auf der MEB-Elektroplattform der ID-Modelle.
Doch zuvor (2020) schicken die Hannoveraner im Segment der kleinen Kastenwagen und Familien-Vans die neue Generation des Caddy an den Start. Dieser bekommt die MQB-Architektur des Golf VIII. Auf gleicher Basis wird der Nachfolger des T6, logischerweise T7 genannt, stehen. Debüt könnte etwa 2022 sein. Allerdings kommen nur die Pkw-Varianten in den Genuss der modernen Plattform, die beim Fahrwerk über McPherson-Federbeine und Schräglenkerhinterachse verfügen und noch mehr Fahrkomfort bringen soll. Auf der gewerblichen Seite wird der T6 noch nahezu bis Mitte des nächsten Jahrzehnts in alter Struktur weitergebaut.
Dann dürfte wohl auch die in diesem Jahr verkündete Kooperation mit Ford erste Früchte tragen. Sie dient einzig dem Ziel, auf Nutzfahrzeugebene Entwicklungs- und Produktionskosten zu sparen. Sinnvoll wäre es wohl, sich eine neue Plattform zu teilen. Infrage käme eine gemeinsame Architektur, auf der Ford seinen Transit und VWN seinen nächsten Transporter stellen könnte.