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Gewerbesteuer-Einnahmen: VW-Städte kämpfen weiter mit "Dieselgate"

04.10.2017 04:45 Uhr
Der Steuerzahler VW galt lange als Traum eines jeden Kämmerers. Aber der Dieselskandal hat das geändert.

Es gibt Dinge, die viele Menschen für selbstverständlich halten – Museen, Theater, Schwimmbäder. Über die Kosten wachen die Städte, an VW-Standorten lange besonders großzügig. Im Abgas-Skandal aber wurde das Geld knapp. Bleiben die Kommunen jetzt auf Sparkurs?

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Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Wer keinen VW mit Schummel-Diesel sein eigen nennt, denkt möglicherweise, die Folgen des Abgas-Skandals träfen ihn nicht. Das ist ein Fehlschluss – was vor allem Menschen gespürt haben dürften, die in Städten mit Volkswagen-Standorten leben. Der Steuerzahler VW galt lange als Traum eines jeden Kämmerers. Aber besonders gut sind die Zeiten für den größten deutschen Industriekonzern nach der Vollbremsung im Dieselskandal nicht.

Was war passiert? Die Gewerbesteuer-Zahlungen des Autobauers an die VW-Städte brechen 2015 ein, nachdem der Diesel-Betrug bekannt wird. Die Krise zwingt die Kommunen zu einem Sparkurs. Das ist neu an VW-Standorten, die jahrelang aus dem Vollen schöpfen, nach dem Einbruch aber teils die Bürger stärker zur Kasse bitten. Noch immer kämpfen viele Städte mit den Folgen der Krise – aber keineswegs alle.

2016 verbucht der Wolfsburger Autoriese wieder einen Gewinn – unterm Strich 5,1 Milliarden Euro, nach einem Milliardenverlust ein Jahr zuvor. Wie wirkt sich das auf die Gewerbesteuer-Zahlungen aus?

Genaue Zahlen dazu von VW gibt es nicht. Allerdings steigt der "tatsächliche Steueraufwand Inland" der Wolfsburger, zu dem mehrere Abgabenarten gehören, zwischen 2015 und 2016 von rund 800 Millionen Euro auf fast 900 Millionen Euro. Allerdings: 2014 betrug dieser Wert noch mehr als zwei Milliarden Euro.

Nach dem tiefen Einbruch des Gewerbesteuer-Aufkommens von 2015 in einer Reihe von VW-Städten stellt das niedersächsische Landesamt für Statistik für mehrere Standorte wieder fest: Es geht bergauf. Wie hat sich die Lage entwickelt? Einige ausgewählte Beispiele:

Wolfsburg (Volkswagen-Stammwerk)

Vor einem Jahr dreht die Stadt Wolfsburg an der Gebührenschraube. Elternbeiträge zur Kinderbetreuung steigen für Besserverdienende, das Halten von Hunden kostet mehr, Parken und auch der Bäder-Eintritt werden teurer. 2018 seien ebenfalls Einsparungen notwendig, kündigt die Stadt an. Derzeit werde der finanzwirtschaftliche Rahmen für den Haushalt vorbereitet, der dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollte. Zu Änderungen bei Gebühren und Beiträgen sowie zu den Hebesätzen der Gewerbe- und Grundsteuer könne man daher noch nichts sagen, so ein Stadtsprecher. Aber: Alles stehe auf dem Prüfstand.

In Wolfsburg – mit Konzernsitz, Stammwerk und Kernmarke wichtigster VW-Standort – bricht das Rechnungsergebnis zur Gewerbesteuer 2015 samt Nachzahlungen laut Zahlen der Stadt auf gut 170 Millionen Euro ein. Ein Jahr zuvor sind es noch über 309 Millionen Euro, ein Jahr später erst wieder 184,7 Millionen Euro. Nun ist VW nicht der einzige Gewerbesteuerzahler, doch "eine Abhängigkeit von der Automobilbranche insgesamt kann bejaht werden", wie der Sprecher sagt.

Laut Haushaltsplan soll im laufenden Jahr vor allem bei Personal und Sachaufwendungen gespart werden. Die Hebesätze für die Grundsteuer A und B sowie die Gewerbesteuer bleiben demnach für 2017 unverändert. Ebenso sollen die Eintrittspreise und Entgelte für die städtischen Einrichtungen auf dem Niveau des Vorjahres bleiben. Der beschlossene Haushalt kommt mit einem Minus von 86,5 Millionen Euro daher – ausgeglichen werden soll dies mit zurückgelegten Überschüssen.

Braunschweig (VW-Komponentenwerk)

Auch in Braunschweig wirkt sich die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswagen auf die kommunalen Einnahmen aus. Dennoch registriert die Stadt nach Angaben eines Sprechers im laufenden Haushaltsjahr einen positiven Trend – gerade auch bei der Gewerbesteuer: Angesetzt waren fürs Gesamtjahr 150 Millionen Euro, im ersten Halbjahr kamen bereits 123,3 Millionen Euro zusammen. Damit erhöht Braunschweig die Prognose für das Gesamtjahr auf 190 Millionen Euro. Der Grund: die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung sowie Nachzahlungen bei der Gewerbesteuer für die Vorjahre. Laut Statistischem Landesamt fielen 2016 gut 150 Millionen Euro an Gewerbesteuern an, 2015 fast 138 Millionen Euro.

Steuererhöhungen habe es zum Haushalt 2017 nicht gegeben, auch für 2018 wolle die Verwaltung dies nicht vorschlagen, heißt es. Ein Jahr zuvor stiegen die Preise fürs Parken und Tiefgaragen um 20 Prozent, der Grundsteuer-Hebesatz legte um 50 Punkte auf 500 Zähler zu. Mieter und Hausbesitzer müssen damit tiefer in die Tasche greifen. Auch die Friedhofsgebühren stiegen damals um durchschnittlich 20 Prozent.

Emden (VW-Produktionswerk)

Ein Sprecher der Stadt Emden berichtet: "Dieselgate" wirke sich bei den Gewerbesteuer-Einnahmen weiter negativ aus. Der Hebesatz liege derzeit bei 420 Prozent und damit "im kommunalen Vergleich schon relativ hoch". Eine weitere Erhöhung hielten Rat und Verwaltung für kontraproduktiv, zumal sich die Stadt um Ansiedlungen bemühe. Der Grundsteuer-Hebesatz liege bei 480 Zählern und sei vor drei Jahren um rund zehn Prozent erhöht worden. Die Stadt bemühe sich seit Jahren – lange vor der Dieselkrise –, den Haushalt zu konsolidieren. Erschwert werde dies durch höhere Kosten etwa in der Sozial- und Jugendhilfe.

Baunatal (VW-Komponentenwerk)

Rosig sei die Lage im nordhessischen Baunatal im Moment nicht, aber auch keine Katastrophe, sagt Bürgermeister Manfred Schaub. Zu einem Drittel hänge der 90-Millionen-Euro-Haushalt direkt oder indirekt von VW ab - und die Gewerbesteuer-Zahlungen seien "erheblich verringert". Allerdings habe die Stadt in guten Jahren Vorkehrungen getroffen und zehre nun von den Rücklagen. Ohnehin sei die Infrastruktur auf "sehr hohem Niveau", daher würden Projekte im Straßen- und Hochbau um zwei bis drei Jahre aufgeschoben. Auf keinen Fall werde an der Bildung gespart. Er erwarte, dass in den nächsten zwei Jahren die Gewerbesteuer-Einnahmen steigen, betont Schaub.

Ingolstadt (Hauptsitz von Audi)

Für Ingolstadt bringt die Dieselkrise einen tiefen Einschnitt bei den Gewerbesteuer-Einnahmen: Das Rechnungsergebnis ergibt für 2014 nach Angaben der Stadt noch fast 200 Millionen Euro – ein Jahr später sind es noch knapp 110 Millionen Euro. 2016 allerdings werden immerhin schon wieder 168,8 Millionen Euro erreicht.

Ein Sprecher betont, die Stadt sei in einer soliden Finanzsituation. "Auch das Investitionsprogramm für 2017 und die Folgejahre bildet alle Bauvorhaben und Projekte vollständig ab." Der Abgas-Skandal und die rechtlichen wie finanziellen Folgen für den VW-Konzern führten in Ingolstadt "derzeit weder zu einer Nothaushaltsführung, noch sind Veränderungen der Hebesätze bei den Realsteuern oder Einschränkungen bei Bürger-Service- oder freiwilligen Leistungen vorgesehen".

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KOMMENTARE


Philipp

04.10.2017 - 16:43 Uhr

Das NO2 und NOx atmen wir ALLE ein!Es geht nicht darum ob man einem VW besitzt oder von den Steuern mitprofitiert, es geht um die Gesundheit. Auch um Deine und die deiner Kinder.Bei VW und den komplizen geht es immer nur um das Geld. Schade, immernoch nichts gelernt in den zwei Jahren :-(


TM

04.10.2017 - 18:09 Uhr

Wie bedauerlich, jetzt müssen dort vielleicht auch die Preise für Kindergärten, Bäder und andere öffentliche Einrichtungen auf das Niveau angehoben werden, wie es schon im Rest der Republik ist. Wie machen dies bitte die Kommunen die nicht jahrelang auf der Sonnenseite der Gewerbesteuer standen. Man kann nur gespannt sein wie lange es noch dauert, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.


UE

05.10.2017 - 09:45 Uhr

@Philipp: informieren Sie sich mal über die Höchstgrenzen für Feinstaub in deutschen Büros! Wenn Sie danach immer noch der Meinung sind, dass unsere Stadtluft schlecht und somit Schuld an div. Krankheiten sei....naja.... Und dann informieren Sie sich mal darüber, um wieviel besser die Luft in den letzten Jahren geworden ist bevor Sie solche "Prenzlauer-Berg-Stammtisch-Parolen" raushauen! Und lieber TM: Ihre Schadenfreude gegenüber den Städten / Gemeinden und Mitarbeitern von VW spiegelt ganz wunderbar Ihre Unzufriedenheit mit Ihrem eigenen, offenbar verkorksten Leben wider...


RM

05.10.2017 - 17:08 Uhr

@UE: 1. Ein schadhaftes Vorkommen mit einem anderen zu egalisieren ist schlichtweg einfältig. Man muss Probleme anpacken und nicht wie Sie wegreden.2. Ihr Kommentar zu TM ist unterste Schublade. Stecken Sie selber so in Schwierigkeiten, dass Sie Ihren Unmut hier Luft machen müssen?Zum Thema: Wer mit einem Konzern Jahr um Jahr kungelt, erntet kurzfristig sehr viel. Nun zeigt sich, dass man aber auch viel verlieren kann.


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