Von Wolf von Dewitz und Thomas Strünkelnberg, dpa
In der Autobranche gab es lange eine Art Gleichung: "Volkswagen = Ferdinand Piëch". Doch das gilt schon lange nicht mehr. Nun schrumpft der Einfluss des Autopatriarchen im VW-Konzern auf fast null. Der nun verkündete, weitgehende Ausstieg aus der einflussreichen VW-Dachgesellschaft Porsche SE ist ein weiterer Schritt in einer Entfremdung vom eigenen Lebenswerk. 2015 sorgte Piëch mit der Äußerung für Furore, er gehe "auf Distanz" zum damaligen VW-Chef Martin Winterkorn – im Rückblick begann Piëch damals, sich von seinem Lebenswerk Volkswagen zu entfernen. Größer als heute kann die Distanz kaum sein.
Jahrzehntelang war er eine dominante Figur in der Autobranche. Als Chef von Audi und später Volkswagen konnte er Erfolge vorweisen, mit harter Hand drückte er Kosten, trimmte das Unternehmen auf effizientere Strukturen und höhere Gewinne und machte VW zum heutigen Mehrmarken-Konzern. Sein autoritärer Führungsstil war gefürchtet. "Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt", schrieb er in seiner Autobiografie von 2003.
Piëch räumte den Vorstands-Chefsessel 2002 und übernahm das Führungszepter im VW-Aufsichtsrat. Seine Macht schien unbegrenzt, 2012 hievte er sogar seine Frau Ursula in das Kontrollgremium. Er galt als Strippenzieher und Königsmacher hinter den Kulissen. Als Vorstandschef Bernd Pischetsrieder 2006 gehen musste, soll Piëch daran Einfluss gehabt haben. Sein damaliger "Zieh-Sohn" Winterkorn übernahm –und sollte 2015 von Piëch mit der Distanzierungsäußerung ebenfalls fallengelassen werden.
Machtkampf verloren
Doch dieser Plan ging schief. Den Machtkampf verlor der einst Übermächtige, auch weil andere Vertreter des Porsche/Piëch-Clans nicht mitmachten, darunter sein Cousin Wolfgang Porsche. Piëch warf vor ziemlich genau zwei Jahren die Brocken hin und legte alle VW-Ämter nieder. In der Öffentlichkeit wurde er nur noch selten gesehen, der gebürtige Österreicher zog sich zurück auf seine Residenz in Salzburg.
Nur das Aufsichtsratsmandat bei der Porsche SE blieb ihm noch – die Familie Porsche/Piëch, die auf Firmengründer Ferdinand Porsche zurückgeht, hält 100 Prozent der Stimmrechte an der Firma. 14,7 Prozent davon gehörten bisher Piëch.
Familienintern rumorte es. Man könne sich Familie nicht aussuchen, sagte sein Cousin Wolfgang Porsche. Familienmitglieder sollen Druck gemacht haben, damit Piëch aus dem Aufsichtsrat ausscheidet. Der 79-Jährige dürfte das als Affront verstanden haben – schon seit 1981 sitzt er in dem Porsche-Kontrollgremium. Mitte März bot Piëch seinen Verwandten den Großteil des Aktienpakets an, die griffen nun zu. Damit rückt die nächste Generation – die Ur-Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche – stärker in den Fokus.
Piëchs letzter Posten im VW-Reich bleibt ihm aber vorerst: Ende Mai soll er auf der PSE-Hauptversammlung als Aufsichtsrat bestätigt werden. Er wolle aber "nur bis zum Vollzug der Transaktion" Mitglied in dem Kontrollgremium bleiben, heißt es in der PSE-Mitteilung. Zwar wurden die Verkaufsverträge unterzeichnet. Aber damit diese gültig werden, müssen noch Finanzaufsichtsbehörden mehrerer Länder zustimmen. Danach hält Piëch nur noch einen geringen Anteil der Porsche SE. Wie hoch dieser genau ist und warum er nicht auch diese Aktien verkauft, ist unklar – Piëch dürfte künftig weniger als ein Prozent der Stammaktien halten.
"Positives Signal für VW"
Und was bedeutet der Aktienpaket-Verkauf für VW? Experten sind sich weitgehend darin einig, dass er keine negativen Konsequenzen haben wird – ganz im Gegenteil. "Für den VW-Konzern könnte der Abgang auch ein positives Signal sein", schätzt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach. Piëch sei ein Vertreter einer Automobilwelt, die "sich so langsam verabschiedet" – hin zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren, weg vom Verbrennungsmotor und dem Fokus auf die Hardware. Daher sei es gut, wenn jüngere Familienmitglieder das Zepter übernehmen – auch wenn noch nicht klar sei, wer die Anteile weiterführe, sagt Bratzel. Es sei auf jeden Fall eine Entlastung für VW, dass Piëch einen Schlussstrich ziehe, ergänzt sein Duisburger Kollege Ferdinand Dudenhöffer. "Er hat sich verrannt."
Am 17. April wird Piëch 80 Jahre alt. Was wird bleiben von ihm? Sein Nach-Nachfolger als VW-Aufsichtsratschef, Hans Dieter Pötsch drückte sich kürzlich diplomatisch aus. Pötsch, der auch PSE-Vorstandschef ist, betonte bei einem Auftritt im März in Stuttgart seinen großen Respekt vor Piëch – "trotz der ein oder anderen atmosphärischen Eintrübung zuletzt". Und weiter: "Ich persönlich denke, dass Herr Ferdinand Piëch unvergessene Meilensteine gesetzt hat im Automobilbau und dass er an der Existenz des Volkswagen-Konzerns, wie er sich heute präsentiert, maßgeblichen Anteil hat." Piëchs Leistungen würden "unabhängig jetzt von anderen Themen absolut unvergessen bleiben", so Pötsch.
Mit dem absehbaren Abschied von der Porsche SE und damit auch von VW schließt sich ein Kreis. Denn seinen ersten Chefposten bekam Piëch 1971 als technischer Geschäftsführer bei: Porsche, damals noch als Porsche KG geführt. Die Firma, die der Anfang war für eine eindrucksvolle Karriere eines Automanagers, ist nun ihr Schlusspunkt.