Von Mario Hommen/SP-X
Das SUV gewinnt in den Marken des VW-Konzerns zunehmend an Bedeutung. So auch bei Seat, wo von künftig sieben Baureihen mit dem im Februar ab 29.980 Euro startenden Tarraco drei dem SUV-Segment entstammen. Der Neuste ist auch der Größte: 4,74 Meter ist das optional als Siebensitzer erhältliche Dickschiff lang. Damit scheint der Neuling vor allem als vielseitiger Familienfreund eine reizvolle Option zu sein. Eine gleichwertige Alternative zum bereits acht Jahre alten Van Alhambra ist er indes nicht.
Wenn auf einem Auto des VW-Konzerns Seat steht, muss es nicht zwangsläufig aus Spanien kommen. Beim Tarraco handelt es sich in Wirklichkeit um einen waschechten Wolfsburger, denn wie die Technikbrüder Tiguan Allspace und Skoda Kodiaq läuft auch er in der niedersächsischen Industriestadt vom Band. Das enge Verwandtschaftsverhältnis drängt sich auf den ersten Blick nicht auf, vor allem weil die Front weicher, eleganter und weniger bullig wirkt. Auch vom bisherigen Seat-Look hebt sich das Styling ab, denn hier zeigt sich erstmals das neue, plastischer herausgearbeitete Gesicht der Marke mit Vieleck-Chromrahmen um den Kühlergrill. Typisch für ein Modell der VW-Gruppe sind die sehr prägnanten Charakterlinien in den Flanken. Dem Heck wiederum verleihen die über eine rötlich-transparente Zierleiste verbundenen LED-Leuchten mit Wischblinkern einen eigenständigen Stil.
Angesichts seiner Außenabmessungen und der optionalen 20-Zoll-Räder ist der auf den MQB-Baukasten aufsetzende XL-Spanier eine durchaus wuchtige Erscheinung, was seine Entsprechung im Innenraum findet. Zumindest vorn und in der zweiten Reihe dürften Gäste wohl erst jenseits von zwei Metern Körperlänge über mangelnden Entfaltungsspielraum klagen. Nicht ganz so schön: Anders als etwa beim Alhambra bietet die zweite Reihe keine Einzelsitze, weshalb der mittlere Platz nur Notsitzcharakter hat. Der Kofferraum ist mit 760 bis 1.920 Liter Stauraum für viele Reise-Konstellationen und Hobbys mehr als ausreichend dimensioniert. Was nach viel klingt, relativiert sich jedoch beim Blick auf den Alhambra, der bis zu 2.430 Liter schluckt.
Seat Tarraco
BildergalerieOptional ist für den Tarraco eine dritte Sitzreihe bestellbar, die auf zwei Einzelsitzen maximal mittelgroßen Kindern ausreichend Platz bietet. Erwachsene Passagiere wagen sich erst gar nicht bis in Reihe drei vor, weil nur Schlangenmenschen der beengte Durchstieg halbwegs elegant gelingt. Wer für diesen Zustieg die Lehne der mittleren Sitzbank nach vorne legt, könnte zudem vom Qualitätseindruck einiger sonst den Augen verborgenen Ecken enttäuscht werden. Ein Eindruck, der sich in ähnlicher Weise weiter vorn in den tieferen Hartplastikregionen des Cockpits wiederholt. Vieles am Arbeitsplatz des Fahrers mag schick und stellenweise edel wirken, doch hat man andererseits auch den Eindruck, dass eine neue Rotstiftkultur den traditionell hohen Qualitätstandards des VW-Konzerns mittlerweile gewisse Grenzen setzt.
E-Call, Kollisionsverhinder und diverse andere Assistenten
Wie es sich für einen Volkswagen-Abkömmling gehört, ist der erfreulich modern gestaltete Arbeitsplatz übersichtlich, zudem befindet sich alles am richtigen Platz. In der Mittelkonsole gibt es den obligatorischen Touchscreen für das vielseitig talentierte Infotainmentsystem, das unter anderem durch die Einbindung von Alexa und Shazam mehr Unterhaltungsspaß bei Familienausflügen bietet. Hinterm Lenkrad blickt man auf ein zweites Display, das neben fahrrelevanten Daten im klassischen Analoginstrumenten-Stil Informationen von Bordcomputer, Medieninhalten oder Navigation anzeigt. Auch die Sicherheit ist auf der Höhe der Zeit, denn E-Call, Kollisionsverhinder und diverse andere Assistenten gehören hier selbstverständlich zum Rüstzeug.
Per Knopfdruck wird der 1,5-Liter-Basisbenziner zum Leben erweckt, was man akustisch zunächst allerdings kaum wahrnimmt. In puncto Laufkultur hinterlässt das auch zur Zylinderabschaltung fähige 150-PS-Aggregat eine recht angenehmen Eindruck. Das passt gut zum insgesamt gehobenem Komfort, den der Tarraco seinen Insassen auch fahrwerkstechnisch bietet. Längsdynamisch bewegt sich der allein in Kombination mit Frontantrieb erhältliche Einstiegsmotor irgendwo zwischen brav und halbwegs flott. Die manuelle Sechsgangschaltung ist schön leichtgängig, wie auch die Lenkung, was für ein nicht immer harmonisches Feedback sorgt. Das Kundeninteresse an einem solchen Benziner dürfte höher als früher sein. Ebenfalls gehoben ist der Verbrauch, denn praktisch waren es bei ruhiger Fahrweise 8,8 Liter.
Das ist deutlich mehr als die sieben Liter beim Topdiesel, dem 2.0 TDI mit 140 kW / 190 PS, den es ausschließlich in Kombination mit Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe gibt. Zwar scheint der Motor eine Spur bäriger als der kleine TSI, doch fühlt sich der recht kultiviert wirkende Selbstzünder längst nicht mehr so explosiv an, wie man es von TDIs noch vor wenigen Jahren gewohnt war. Das ist nicht weiter schlimm, denn insgesamt vermittelt der Tarraco das Gefühl eines angenehmen, gelassenen Reisefahrzeugs für lange Strecken.
Mehr Soft- denn Offroader
Die Reise darf sogar über unbefestigte Pfade führen. Entscheidet man sich für eine Version mit Allradantrieb, unterstützen im Gelände unter anderem ein per Drehknopf wählbares Offroad-Fahrprogramm, Bergabfahrhilfe oder 360-Grad-Kameraübersicht aus der Vogelperspektive. Obwohl mehr Soft- denn Offroader, schlägt sich der Tarraco auch auf anspruchsvollere Geländepassagen wacker.
Neben den beiden erwähnten Motoren stehen zum Marktstart ein 2,0-Liter-Diesel mit 110 kW/150 PS und ein gleichgroßer Turbobenziner mit 140 kW/190 PS zur Wahl. Während Allrad und DSG für den Topbenziner obligatorisch sind, kann man diese Optionen für den Basisdiesel hinzubuchen. 2020 will Seat den Tarraco als Plug-in-Hybrid nachreichen, der dann voraussichtlich um 210 PS und 400 Newtonmeter leistet und 50 Kilometer rein elektrisch fährt.
Preislich markiert der 1.5 TSI mit 29.980 Euro den Einstieg. Damit gibt es immerhin einen handfesten Grund, den Tarraco dem gut 2.000 Euro teureren Alhambra vorzuziehen.
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Rudi
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