Ausgabe 10/2008: Unsichtbares sichtbar machen

"Cockpit 2008" / "Proaktive" Unternehmenssteuerung in kritischen Zeiten (Teil 1). Das Wirtschaftsjahr 2007 verlief katastrophal. Wie gelingen 2008 strategische Neuausrichtung und sichtbare Ertragswende?Unsichtbares sichtbar machenvon Walter MissingDie Bilanzergebnisse 2007 liegen vor. Damit müssen die Geschäftsführungen das Erreichte kommentieren, die Abweichungen begründen und die getroffenen Maßnahmen zur Gegensteuerung dokumentieren. Gewichtig werden die Zielsetzungen für 2008 abgefragt werden, die eine Trendwende im Ertrag herbeiführen. Die Renditesituation des markengebundenen Handels stand in diesen Wochen mehrfach im Mittelpunkt widersprüchlicher Verlautbarungen. Zwei Beispiele: Die durchschnittliche Umsatzrendite in der BMW-Handelsorganisation stagnierte in 2007 mit 0,8% auf dem Vorjahresniveau. BMW strebt für seine Handelsorganisation in 2008 gleichwohl eine Umsatzrendite von 1,5% an. Der BMW-Händlerverband wäre mit "eins Komma null" schon zufrieden. Die Toyota-Händler erzielten in 2007 eine durchschnittliche Umsatzrendite von 0,4%. Händlerverbandspräsident Burkhart Weller dazu: "Wir träumen nicht vom plötzlichen Sprung über die Ein-Prozent-Hürde in 2008." Dem inzwischen nach Italien gewechselten Geschäftsführer Markus Schrick von Toyota Deutschland zufolge sollte demgegenüber ein guter Toyota-Händler "drei Prozent Rendite erreichen". Diese unterschiedlichen Bewertungen von Situation und Perspektiven selbst innerhalb einer Organisation machen deutlich, dass es an vielen Orten an klarer Orientierung fehlt. Dabei ist die desolate Ertragssituation der Branche wahrhaft geeignet, einen Teufelskreis auszulösen. Das Branchenrating wird immer schlechter, die Fremdfinanzierung für die Händler wird teurer – damit wird die magere Rendite endgültig aufgefressen. Und wenn sich diese Spirale weiter dreht, steht das Händlermassensterben ante portas. Ist das gar gewollt?"Cockpit 2008" – Symbol für StabilitätUnser Serien-Titel "Cockpit 2008" ist dem Formel 1 Rennsport entlehnt. Übertragen wir ihn auf unsere Branche. Dann steht "Cockpit 2008" zum einen für die Struktur, Strategie, operative Führung und Steuerung sowie die Geschäftsverläufe in Automobilhandelsbetrieben. Und zum anderen für die Unterschiede im Teilnehmerfeld und in der Startaufstellung . Wie im Rennsport gibt es in der Führung und Steuerung der Unternehmen klare Parameter, die den Rennverlauf prägen und über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Sie sollen mit der Serie "Cockpit 2008" herausgearbeitet werden (Schaubild 1).Im Wettbewerb um Markt und Kunden entscheiden bei Unternehmen über Platz oder Sieg vor allem die im Schaubild 2 dargestellten Konstellationen.Im Rennen hängen Erfolg und Misserfolg maßgeblich vom Fahrer und seinem Team und deren Verhalten vor allem in kritischen Situationen ab. Das gilt im übertragenen Sinn eins zu eins für die Unternehmensführung und deren Mitarbeiter, die die im Schaubild 3 dargestellten Steuerungsprinzipien als permanenten Kreislauf begreifen und verfolgen müssen.Auch die unterschiedlichen Rennphasen spielen in "Cockpit 2008" eine wichtige Rolle – im übertragenen Sinne die typischen Phasen der Führung und Steuerung eines Unternehmens. Dabei geht es konkret um die im Schaubild 4 abgebildeten Gegensatzpaare.Alles "Grün" oder Unsichtbares heben?Kritische Marktsituationen sind an sich gut zu erkennen, in ihren Auswirkungen werden sie jedoch häufig unterschätzt. Geräuschlos und manchmal blitzschnell können Unternehmen, die in Schönwetterzeiten gut zurechtgekommen sind, in einer krisenhaften Situation oder bei einem Wetterwechsel kippen. Das Wetter in der markengebundenen automobilen Handelslandschaft ist nicht erst seit gestern rau und es wird kaum besser werden. Die neue Zielsetzung!Die Bewältigung von schwierigen Phasen verlangt eine Neujustierung. Heißt: Weg vom Prinzip Hoffnung und von Zielvereinbarungen, die eine Marktgröße von 130% + x ergeben, hin zu einer auf die Bedingungen des Umfelds angepassten Steuerungslogik.Primär sind für das Unternehmen kompromisslos neue, der veränderten Situation angepasste Ziele aufzustellen. Diese verlaufen mit den Herstellerzielvereinbarungen nicht immer synchron und haben damit direkt auch nichts zu tun – indirekt werden sie sich aber auswirken. Es geht vor allem um die Geschäftsstrategie des Unternehmens. Darin darf und muss sogar ein gewisser Egoismus zum Ausdruck kommen. Denn es geht ums Überleben. Die "Überlebensziele" auf die einzelnen Geschäftsfelder bezogen sind wie folgt: Alle Geschäftsfelder erwirtschaften ein positives Ergebnis. Die Geschäftsfelder mit positiven Ergebnissen werden konsequent weiter optimiert. Die Rahmenbedingungen im Unternehmen werden kompromisslos auf diese Ziele ausgerichtet. Den Verführungen bzw. Verpflichtungen des Herstellers wird nur bei eindeutiger wirtschaftlicher Erfolgsprognose gefolgt. Die Finanzierungskonzepte werden modernisiert und es wird so wenig Fremdkapital wie möglich eingesetzt.Die Umsetzung dieser Ziele erfordert ein fundiertes Umdenken und beinhaltet ein klar geordnetes Vorgehen. Erste Forderung: Es darf kein Geschäftsfeld länger von anderer Stelle im Unternehmen subventioniert werden. Beispiel: Die Mercedes-Benz-Vertreter im Pkw-Geschäft schrieben 2007 ein tiefrotes Ergebnis und lagen dabei sogar unter dem Branchendurchschnitt. Allein ein gutes Nutzfahrzeuggeschäft verhinderte Pleiten im Netz. Um die neuen Ziele für das Unternehmen und die Strategie passgenau definieren und festlegen zu können, bedarf es an erster Stelle einer ebenso umfassenden wie detaillierten Analyse. Nur dann können Anzeichen, Ursachen und Ursache-Wirkungsketten festgestellt werden. Über einen klar strukturierten Analyseweg werden die strategischen, operativen, finanziellen und personellen Ausgangsdaten untersucht und dargestellt. Darauf setzen in den nächsten Schritten konkrete Kostenanalysen, Leistungsanalysen, Personalanalysen, Finanzanalysen sowie Analysen der Bestände und der Standzeiten auf, die durch Betriebs- und Branchenvergleiche abgerundet werden. Dann folgen die Definition der daraus abgeleiteten Ziele, die Ermittlung der Potenziale und die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Zielerreichung. Für jedes Ziel wird ein best-case-/worst-case-Korridor festgelegt und mit rot/gelb/grünen Ampelsignalen überwacht (Schaubild 5 im AUTOHAUS E-Paper!).Bei diesem Vorgehen werden leider auch immer wieder die Grenzen deutlich, die das in eine Sackgasse geratene heutige Geschäftsmodell der erfolgreichen Entwicklung von Automobilbetrieben setzt. Am Ende müssen sich deshalb auch die Hersteller fragen lassen, ob sie weiterhin mit immer komplexeren Veränderungen und permanent neuen Anpassungen am bisherigen Geschäftsmodell festhalten wollen oder endlich eine grundlegende Reform des Geschäftsmodells wagen und einleiten.

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